Von Matthias Monroy
Unter dem Titel “Schutz und Sicherheit im digitalen Raum” soll am 19. und 20. Februar der diesjährige Europäische “Polizeikongress” in Berlin stattfinden. Als Themenschwerpunkte gibt die Webseite der Veranstalter “Polizei in sozialen Netzwerken, ePolice sowie Ausrüstung und Ausstattung” an. Die Allianz “Polizei und Internet” meint gewöhnlich, dass Verfolgungsbehörden das Netz für zweierlei Zwecke nutzen: Einmal werden dort Delikte verfolgt, die nur im digitalen Raum existieren. Zum anderen dient das Internet zur Spurensuche ganz realer Gesetzesübertretungen, zur Fahndung oder auch der eigenen Selbstdarstellung.
Die Veranstaltung wird von den Polizeireportern der Verlagsgruppe “Behördenspiegel” organisiert. Als TeilnehmerInnenzahl gibt die Kongresswebseite meist mehr als 1.500 Gäste an, wovon allerdings ein großer Teil aus herangekarrten PolizeischülerInnen besteht. Die Bezeichnung als “Kongress” ist missverständlich, denn eher kann von einer Messe gesprochen werden. Derart wird die Veranstaltung auch auf Seiten der Industrie beworben. Rüstungsfirmen, kleine und große Softwareentwickler und Polizeiausrüster finanzieren den “Polizeikongress”. Dafür können sie ihre Produkte an Verkaufsständen präsentieren. Sofern genug Geld fließt (etwa als “Gold Sponsor”) dürfen sie auch Vorträge halten. Die Redeliste ist entsprechend unter Behörden, Politik und privaten Firmen quotiert.
Als Top-Gäste des “Polizeikongress” firmieren dieses Jahr die Leiter der EU-Agentur Europol sowie der Polizeiorganisation Interpol. Beide Einrichtungen errichten derzeit in Den Haag und in Singapur große Zentren gegen “Cyberkriminalität”. Der “Global Complex for Innovation” von Interpol widmet sich neben “Cyberterrorismus” und “Virusattacken” auch der Verletzung von Eigentumsrechten.
Das “Europäische Zentrum zur Bekämpfung der Cyberkriminalität”
(EC3) will den “digitalen Untergrund” in der EU aufs Korn nehmen.
Interpol und Europol kooperieren auch mit gemeinsamen Razzien gegen
AktivistInnen von Anonymous. Die neuen Zentren gegen “Cyberkriminalität”
sind das Herzstück vollkommen neuer Ermittlungsmethoden, mit denen die
Polizei sich der digitalen Spuren in der realen Welt
bedient. Europol und Interpol sind zudem mächtig stolz auf ihre
forensischen Abteilungen, die Mobiltelefone oder Datenträger auslesen
oder heimlich Räume und Fahrzeuge verwanzen können.
Keine Polizeibehörde der EU-Mitgliedstaaten läßt sich gern in nationale Strategien oder Praktiken des Umgangs mit unerwünschtem Verhalten reinreden. Der Europäische “Polizeikongress” versucht deshalb, für die Vorzüge einer europäischen bzw. internationalen Zusammenarbeit zu werben. Immerhin werden ein Großteil aller innenpolitischen Entscheidungen mittlerweile über die Ebene der Europäischen Union lanciert. Zudem ist hierzulande auch nicht alles erlaubt: Bei Europol werden etwa Finanztransaktionen oder Bestandsdaten aus Telefonverbindungen ausgewertet, um per Data Mining Verdächtige in vermeintlich krimininellen Netzwerken zu ermitteln. In Deutschland verstößt dies bislang noch gegen Datenschutzregeln.
Laut dem “Behördenspiegel” sei Interpol auch “nachrichtendienstlich” tätig. Es ist also zu erwarten, dass sich neben Polizeibehörden auch Geheimdienste auf dem “Polizeikongress” blicken lassen. Mit dabei sind dann sicher auch die Internetausdrucker des Verfassungsschutz Stuttgart. Dessen leicht ergrauten Bedienstete errichteten 2008 ein “Internetkompetenzzentrum” (IKZ), um Informationen über politische Umtriebe zu sammeln und linken Demonstranten zum NATO-Gipfel das Fürchten zu lehren. Dumm nur, dass die Spätzle-Spitzel nicht viel vom Internet verstehen: Auf einem Foto der Lokalzeitung anläßlich der Eröffnung des “IKZ” sind nicht nur Nacktfotos im Büro zu erkennen, sondern auch der Leitz-Ordner mit der Aufschrift “IKZ Bedienungsanleitung”.
Kürzlich wurde bei Netzpolitik berichtet, dass auf der Münchner “Sicherheitskonferenz” immer noch über eine Beistandspflicht der NATO bei “Cyberangriffen” diskutiert wird. Doch die EU möchte das zukünftig selbst regeln. Seit wenigen Wochen liegt der Vorschlag für eine “Solidaritätsklausel” vor, wonach die EU bzw. ihre Mitgliedstaaten einem anderen Staat im Falle eines außergewöhnlichen Schadensereignisses (etwa “Katastrophe”, “Terroranschlag”, bedrohte “Vermögenswerte”) beispringen soll. Alle möglichen Mittel sollen dann mobilisiert werden, darunter auch militärische. Im November hatte das EU-Parlament (ungefragt) eine Entschließung verabschiedet, in der die Ausweitung der “Solidaritätsklausel” auch auf “Cyberangriffe, Pandemien oder Energieengpässe” gefordert wurde.
Wie jedes Jahr gibt es eine Reihe von Protesten gegen den “Polizeikongress”. Neben der hier schon vorgestellten “CAMOVER”-Kampagne (dessen Video bei YouTube bereits über 250.000 Klicks gesammelt hat) wird zu einer nicht angemeldeten Demonstration und zu einer Kundgebung vor dem Kongressgebäude bcc aufgerufen. Die Cyberpolizisten können sich also wieder nur unter massivem analogen Polizeischutz zu “Schutz und Sicherheit im digitalen Raum” austauschen.