Attac – Für Steuern, die Europa retten

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Die Bürgerinitiative Attac1 fühlt sich in der Krise berufen Europa beratend zur Seite zu stehen, um ihm den richtigen Weg zu einem „solidarischen Europa“2 zu weisen, der endlich aus der Krise führt. Laut Attac stünde Europa aktuell „in der Krise am Scheideweg“, nämlich müsse es sich zwischen einem „radikalisiertem Neoliberalismus“ oder der Attac's Idee von einem solidarischem Europa entscheiden. Ob es jemanden größenwahnsinnig erscheint, ausgerechnet ihre Idee als Leitmotiv für einen ganzen Kontinent vorzuschlagen, ist egal, weil entscheident ist um wen sich Attac eigentlich Sorgen macht.

 

Um Europa, das sich anscheinend als ein Einheit vorgestellt wird, welche sich gerade in der Krise befindet. Dabei ist gar nicht auszumachen, worin diese Einheit bestehen soll. Schließlich handelt es sich bei Europa um ein Bündnis konkurrierender Staaten, welche sich seit jeher und aktuell besonders scharf um den Nutzen aus Europa streiten.

 

Da gibt es Deutschland, dass keine Kosten für die von unter anderem ihm produzierten Verlierer der europaweiten Konkurrenz übernehmen will. Wieso sollte es auch? Man konkurriert ja nicht erst um den nationalen Ertrag aus dem europäischen Wachstum, um am Ende die Erfolge aus dieser Konkurrenz wieder einzuebnen. Ferner will es die Abhängigkeit anderer Staaten von seinem Kredit für eine erweiterte Einflussnahme auf die Euro-Region nutzen.

 

Da gibt es Länder wie Griechenland, die aufgrund der Exporterfolge Deutschlands Handelsbilanzdefizite aufweisen und keine konkurrenzfähigen Produkte zum Exportieren haben. Diese Verlierer der europäischen Konkurrenz genießen derzeit kein Vertrauen mehr seitens des Finanzkapitals und sind für ihren Fortbestand auf auswärtige Euro-Kredite angewiesen. Denn anscheinend sehen die dennoch den Euro für sich als das Mittel, in dem sie ihren Reichtum zusammenzählen und in dem sie sich weiterhin verschulden wollen. Griechenlands Staatshaushalt ist zurzeit praktisch eine Leihgabe der Troika3, welche ihm harte Kreditbedingungen auferlegt. Diese Bedingungen stellen eine ziemlich radikale Zusammenstreichung des staatlichen Haushaltes dar, welche insbesondere die Kosten des Sozialstaates betreffen. Unter diesen Auflagen nimmt das griechische Wachstum Schaden, den der Staat möglichst gering halten will. Dieser Staat – ähnlich wie andere – setzt sich deshalb dafür ein, dass die EZB zum Mittel seiner souveränen Finanzierung wird, die ihm durch die bei dieser supranationalen Notenbank liegenden Geldhoheit gerade genommen ist.

 

Zwar haben die Auflagen der kreditierenden Staaten die auch von ihnen unerwünschte Wirkung der Rezession. Anscheinend liegt es ihnen aber so sehr an der Demonstration, dass in Europa kein Geld für „marode“ Staaten ausgegeben wird, dass sie sich deshalb nicht nach eigenem Maß Geld beschaffen können sollen und sich strengsten „Strukturreformen“ zu unterwerfen haben, wenn sie schon „unseren“ Euro benutzen. So sollen die Lohnkosten dieser Länder massiv gesenkt werden, damit das gemeinsame Geld, der Euro, keinen Schaden nimmt und an den Finanzmärkten Vertrauen genießt. An diesen Ungemütlichkeiten lässt sich sehen, dass das einheitliche Subjekt namens Europa nur in der Idealvorstellung Attacs besteht. Das wirkliche Projekt Europa geht aus den Benutzungsinteressen der Nationalstaaten hervor, welche sich von ihrem Zusammenschluss und ihrem gemeinsamen Geld wirtschaftliche Schlagkraft versprechen, die es ihnen erlaubt weltweit und im Besonderen in Hinblick auf die USA den Ton anzugeben.

 

Bei all dem ist nicht auszumachen, dass irgendwer an einem gemeinsam Strang ziehen würde. Im Gegenteil stoßen die Vorhaben verschiedener Staaten aufeinander. Die Vorstellung von einer „europäischen Gemeinschaft“ ist deshalb eine verkehrte. Und auch die Nationalstaaten für sich stellen keine Gemeinschaft dar: Gerade in der aktuellen Misstrauenskrise gegen die Staatshaushalte einiger Euro-Staaten wird sehr deutlich, dass es sich bei Staaten nicht um einen harmonischen Zusammenschluss von Volk und Regierung handelt. Vielmehr beschließen sämtliche Regierungen gerade politische Programme, welche die Verarmung und damit Verbilligung der lohnabhängigen Bevölkerungsmehrheit bedeuten. Der Zweck eines stabilen, weltmarktfähigen Euros steht anscheinend in einem ziemlichen Gegensatz zu den Lebensbedürfnissen derjenigen, die dafür arbeiten müssen.

 

Der Fehler der Neoliberalen: das zu ausschließliche Drängen auf Wettbewerbsfähigkeit

Attac sieht als Anhänger einer ausgedachten europäischen Identität Europa auf dem falschen Weg, weil es von den Falschen beherrscht wird. „Neoliberale“ würden „die Gunst der Stunde“, also die Staatsverschuldungskrise nutzen, um ihre Ziele durchzusetzen. Diese pochen nur auf Wettbewerbsfähigkeit, was zwar schon eine irgendwie zur aktuellen Lage passende Forderung ist, aber laut Attac etwas einseitig: „Als nächstes sollen mit der Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes, dem Pakt für den Euro und anderen Maßnahmen die wirtschaftspolitischen Spielregeln der EU so überarbeitet werden, dass nur noch eins zählt: die Wettbewerbsfähigkeit.“


Das Schlimme ist nämlich, dass die Neoliberalen „nur noch“ dieses Ziel vor Augen hätten. Attac stört sich nicht prinzipiell an dem Ziel der Wettbewerbsfähigkeit, sondern an der Ausschließlichkeit dieses Ziels. Einerseits wird die Herstellung von Wettbewerbsfähigkeit also als Lösungsweg der Krise anerkannt, andererseits soll dieser Lösungsweg gerade beschränkt werden, insofern nicht „nur“ auf ihn gesetzt werden soll. Es fragt sich hierbei schon, warum man Wettbewerbsfähigkeit nicht voll unterstützen sollte, wenn sie doch schon irgendwie ein Beitrag zur Lösung sein soll.

 

Was aber ist eigentlich Wettbewerbsfähigkeit? Staaten stehen in Konkurrenz zueinander und richten sich selbst als Standorte für kapitalistisches Wachstum her.4 Dafür sorgen sie: Ein Energienetz, das für sichere und günstige Energie für Unternehmen sorgt; eine moderne Infrastruktur, die den Waren- und Personenverkehr ermöglicht; (Kommunikationsmittel auf dem Stand der Technik; ein Bildungssystem, dass die Berufshierarchie von oben bis unten ausstattet; eine moderne Wissenschaft, die für Konkurrenzvorteile in Form neuer Technologie und gewinnträchtige Produkte sorgt; ein Steuerwesen, das Anreize zum Wachstum lässt und schafft; ein Sozialsystem, was Arbeitskräfte in Reserve günstig und nutzbar erhält oder aber auch Kulturangebote für die Feierabende der Elite und einiges mehr.

 

Staaten richten also allerlei Bedingungen für kapitalistisches Wachstum ein, in der Hoffnung, dass Firmen diese für ihr privates Geschäft nutzen mögen. Der Kampf um Wettbewerbsfähigkeit entscheidet sich dann praktisch in der Benutzung eines Standortes für eben dieses Geschäft und zeigt sich dann in der Ansiedlung von Industrie, Dienstleistung, Landwirtschaft oder einem modernen Bankwesen. Dabei ist klar: Gesichert ist deren Verbleib auf einem bestimmten Standort nicht, schließlich wird ihr Geschäft auch von anderen Staaten gefördert. Das Ausbleiben von Wettbewerbsfähigkeit ist deshalb auch gar keine mangelnde Eigenschaft irgendeines Staates – so wie das Griechenland oder Italien gern vorgeworfen wird – sondern notwendiges Resultat der Konkurrenzbemühungen aller. Eine Konkurrenz ohne Verlierer gibt es nicht. Das Ziel der Wettbewerbsfähigkeit zieht also einiges nach sich. Ein bisschen Wettbewerbsfähigkeit geht nicht – entweder ganz oder gar nicht – , schon allein weil sie ein Verhältnis zu anderen angibt, das sich mit deren Konkurrenzbemühungen immer wieder verändert.

 

Idealistische Kritik

Das nach Attac viel zu einseitige Drängen der Neoliberalen auf Wettbewerbsfähigkeit geht gegen die Interessen der meisten Menschen in Europa: „Diese Politik ist sozial und ökologisch ignorant, demokratiepolitisch fatal und sie gibt keine angemessene Antwort auf die Krise.“ Auf all das hätten die Menschen also ein gutes Recht: auf soziale Versorgung, eine saubere Umwelt, Berücksichtigung durch Regierende und die Lösung der Schuldenverwertungskrise. Durch diese Forderungen wird die verkehrte Art der Kritik Attacs deutlich: Sie kritisieren gar nicht für sich die Zwecke einer vermeintlich von falscher Ideologie getriebenen Politik („Neoliberalismus“), sondern messen ihre Wirkungen ganz einfach an ihrem Ideal „gelungener Politik“: Demokratieabbau statt Demokratisierung, Sozialabbau statt Sozialstaatsausbau, Umverteilung von oben nach unten statt umgekehrt, privates Profitieren von der Krise statt Allgemeinwohlförderung. Weil die Politik also von ihrem Ideal abweiche, gibt es die kritisierten Zustände, womit bestritten ist, dass die Politik Gründe für ihr Tun hat. Dieses Ideal guter Herrschaft weiß Attac gleich derart produktiv zu machen, dass die Vereinigung Vorschläge zu einer alternativen Politik vorzuweisen hat.

Schauen wir uns

 

Attacs „andere Welt“

Anhand der Vorschläge zum Sozialstaat und der Besteuerung einmal an. In dieser Alternative werden verschiedene Sachen deutlich, die gegen Attacs Alternative sprechen:

Attac fordert zum Beispiel die Einführung europaweiter Mindeststandards bei den Löhnen und den sozialen Sicherungssystemen“. Dass es in dieser Alternative überhaupt Mindestlöhne braucht, setzt voraus, dass Unternehmen kein Interesse an dem Auskommen ihrer für sie arbeitenden Belegschaften haben oder umgekehrt Gründe ihnen so wenig zu zahlen, dass sie nicht einmal davon leben können. Es setzt die Anerkennung des Interesses von Unternehmen an rentabler Arbeit voraus, welche dadurch rentabel ist, dass sie den Geldreichtum der Unternehmen durch die günstige und ausgiebige Arbeit der Beschäftigten vermehrt. So solidarisch scheint es also in der „Alternative“ Attacs zuzugehen: Die Interessen von marktwirtschaftlichen Unternehmen schließen die Armut ihrer Arbeiter_innen ein, weshalb sie auf soziale Absicherung angewiesen sind, um überhaupt überleben zu können. Damit die Arbeiter_innen nun nicht völlig verelenden und für die Arbeitsleistung benutzbar bleiben, „brauchen“ sie einen Mindestlohn, der ihnen dankenswerterweise das Überleben für die Arbeit gesetzlich garantiert. So stellt sich die Frage, was eigentlich an dieser Welt verbessert worden sein soll, wenn die Lebensinteressen des Großteils der Menschen erstens nur dann überhaupt zum Zuge kommen, wenn sie sich für die Vermehrung von Kapitaleigentum krumm legen und zweitens selbst dann nur im minimalen Umfang, sofern Unternehmen per staatlicher Zwangsgewalt auf die Berücksichtigung dieser Lebensinteressen festgelegt werden.

 

Dass die Sozialstandards gleich europaweit geregelt werden sollen oder auch „Vermögen und Unternehmensgewinne […] koordiniert höher besteuert“5 werden müssen, verweist auf die Konkurrenz unter den europäischen Staaten – zwischen denen also nicht einmal in Attacs Alternative Einigkeit besteht. Was Attac also allgemein einfordert, sind gleiche Konkurrenzbedingungen – niemand soll von einer vorteilhafteren Position aus in die Konkurrenz als andere starten. Damit werden sich zwar dennoch Gewinner und Verlierer herstellen, jedoch hatte jeder die Chance, so dass jede Niederlage auch gerecht ist!6 Von diesen und weiteren7 Alternativen verspricht sich Attac die Entwicklung Europas hin zu einer „solidarischen Gemeinschaft“: „Diese Maßnahmen würden helfen, einen solidarischen Weg aus der Krise einzuschlagen. Sie würden die neoliberalen Reformen überflüssig machen und sie würden die sozialen Ungleichheiten in Europa abbauen.“

 

Eine andere Welt ist möglich!“

Mit ihrer Art lauter Vorschläge zur Weltverbesserung zu machen, leistet sich Attac eine folgenschwere Einbildung: Die bestehenden Verhältnisse müssten eigentlich gar nicht so sein wie sie sind und könnten auch „ganz anders“ sein: Wenn der Reichtum nur etwas umverteilt werden würde, dann könnte ja einiges gehen! Auf diese Art streicht Attac schlicht die Notwendigkeit der ihr aufgefallenen negativen Resultate des in die Krise geratenen Kapitalismus durch. Die negativen Wirkungen der Konkurrenz (Sparen bei den Armen; Krise) müssten nicht sein, wenn man nur Attacs Vorschlägen nachkommen würde – ja, die ganze Agenda 2010 wäre glatt überflüssig gewesen! So erweist sich Attac eindeutig als der bessere Politikberater in Sachen Krisenlösung.8 Dadurch dass Attac sich positiv auf die bestehenden Verhältnisse einlässt – Steuern, Löhne, Mitbestimmungsrechte – und sie sich einfach als Chancen möglicher Veränderungen zurechtlegt, also zweckentfremdet, ist es ihr möglich Krise und Verarmung als für in der Marktwirtschaft gar nicht notwendige Erscheinungen zu erklären – also Werbung für die kapitalistische Gesellschaft zu machen. So kommt Attac dann bei dem widersprüchlichen Rezept heraus, dass ausgerechnet gleiche Konkurrenzbedingungen unter höheren Sozialstandards die Krise lösen könnten – allgemeine Kostensteigerung für das Kapital und seinen Erfolg statt allgemeiner Kostensenkung wie es die Neoliberalen fordern!

 

Ungleiche Reichtumsverteilung als Krisengrund

Attacs Maßnahmen zur Krisenlösung ist auch der Krisengrund zu entnehmen, den die Vereinigung ausfindig gemacht haben will – schließlich sollen diese Maßnahmen gerade gegen die Ursache der Krise wirksam werden. Der Grund für die aktuelle Krisenlage liegt laut Attac in der ungleichen Verteilung von Reichtum in dieser Gesellschaft, welche politisch durch neoliberale Politik zugelassen wurde: Sinkende Steuern, ja „üppige Steuergeschenke“9, wachsende Steueroasen und deregulierte Märkte lassen die Reichen, Banken und Konzerne reicher werden, während sich die andere Seite in Lohnzurückhaltung übt und die öffentlichen Kassen ausgetrocknet werden.

 

Wegen der Neoliberalen können die Reichen immer reicher werden, ohne sich an den Kosten für das vorgestellte Gemeinwesen namens Europa oder auch Deutschland zu beteiligen. Die Reichen legen immer mehr Geld im deregulierten, freigesetzten Finanzmarkt an, was dort zur „Blasenbildung“ führen würde, welche irgendwann einfach platzen müssten, so dass man eine Finanzkrise hat.10 Die Staaten verschulden sich wiederum zur Rettung ihres Weltfinanzsystems, das zu einer „übermäßigen Macht“ gelangt ist und geraten darüber selbst in eine Schuldenkrise, weil ihrem Kredit seitens der Finanzkapitalisten nicht mehr als sichere Anlage getraut wird. Man sieht also wohin soziale Ungleichheit – vorgeführt an der ungleichen Inbeschlagnahmung des Einkommens von reichen und armen Bürger_innen führt: in die Krise. Wenn Attac so argumentiert, hat sich die Vereinigung von ihrem Ausgangspunkt, der Armut von Leuten, ziemlich entfernt: Das Kritikable ist nämlich jetzt der Misserfolg einer Gesellschaft, von der wiederum ihre Insassen abhängig sind. Einer Gesellschaft also, die nicht das Mittel ihrer Insassen ist – von einem Mittel wäre man nämlich nicht abhängig, sondern man gebraucht es für seine Zwecke.

 

Reiche und Arme …

Die Unterscheidung von Reichen, die reicher werden und Armen, die ärmer werden, ist überdies irreführend. Reiche und arme Bezieher von Einkommen unterscheiden sich nicht bloß in der Höhe ihrer Einkommen. Der Unterschied in der Höhe kommt durch ihre unterschiedliche Qualität und ihre unterschiedliche Zwecksetzung zustande. „Die Reichen“ beziehen ihre Einkünfte in aller Regel aus dem Ertrag ihres Kapitals, über das sie verfügen: Sie kaufen sich die Arbeitskraft anderer, die mit ihrer Arbeit das Kapital ihrer Arbeitgeber zu vermehren haben. Dafür erhalten „die Armen“ einen Lohn. Dass dieser den Vornamen „Niedrig“ trägt, liegt daran, dass er nicht dafür verausgabt wird, den von ihm lebenden Arbeitskräften ein sicheres Auskommen zu verschaffen, sondern sich als rentabler Teil der Gewinnrechnung von Unternehmen zu erweisen hat. Er wird verausgabt, um möglichst viel Arbeitsleistung verfügbar zu machen, die sich beim Unternehmen als Gewinn niederschlägt. Seine Größe stellt damit eine Beschränkung für eben diesen Gewinn dar, weshalb danach getrachtet wird, die Kosten für den Lohn zu senken – durch Lohndrückerei, Überstunden, Rationalisierung, Intensivierung der Arbeit. Wenn zurzeit in sämtlichen Krisenländern Lohn- und Sozialkürzungen vorgenommen werden, um damit bei den Finanzmärkten um Vertrauen in die Solidität des Euro zu werben, zeigt sich daran weniger eine falsche neoliberale Ideologie als Folgendes: Das marktwirtschaftliche System basiert auf der Armut derjenigen, die vom Lohn abhängen und für den Gewinn des Kapitals gegen Lohn arbeiten müssen. In der Krise der achso abgehobenen Finanz- und Staatsschuldengeschäfte zeigt sich damit die Grundlage dieser Geschäftstätigkeit, wenn das Mittel zu ihrer Bekämpfung die Verarmung der Lohnabhängigen ist.

 

eine Herausforderung für den Gemeinsinn

Wenn Attac mit Hinweisen auf Lohn- und Sozialkürzungen, Niedriglöhne, Kinderarmut und Altersarmut hinweist, macht die Bürgerinitiative das vor allem, um zu warnen: „Der soziale Zusammenhalt unserer Gesellschaft ist ernsthaft bedroht. Wohin das führen kann, zeigen die USA: Vorstadtviertel im Elend, eine hohe Kriminalitätsrate und Reichenviertel hinter Stacheldraht und Alarmanlagen.“


Die Verarmung von Lohnabhängigen zum Zwecke kapitalistischen Wachstums kommt hier in einer sehr interessierten Weise in den Blick: Es wird an ihr nicht die Notlage der Betroffenen festgehalten, sondern diese als eine mögliche Gefahr für etwas ganz anderes als die Bedürfnisse der derart Behandelten besprochen. Nicht etwa die Lebensinteressen von allerlei Leuten sind bedroht, sondern der soziale Frieden. Schlecht an der Armut ist, dass darüber Menschen an die Lüge der Marktwirtschaft als eine Gemeinschaft, die „Wohlstand für alle“ verbürgt, nicht mehr glauben; trotz aller Gegensätze zwischen ihnen zusammenhalten und sich gemeinsam für das Allgemeinwohl einsetzen. Was passiert, wenn nicht mehr alle an einem Strang ziehen und Arme nicht bedingungslos bereit sind, ihren Ausschluss vom Reichtum zu akzeptieren, sieht man ja an den ungerechten USA: Die Reichen können gar nicht mehr anders als den Ausschluss gewaltsam gegen die Armen durchzusetzen und leben in eigenen Vierteln – ganz als hätte es zuvor lauter Wohngemeinschaften zwischen Arbeitslosen und Personalmanagern gegeben. Außerdem bringt die Armut die Leute auch noch davon ab, sich ans Recht „unserer Gesellschaft“ zu halten. Sie verlieren einfach das Vertrauen in die Perspektive eines rechtstreuen Lebens, wenn sie materiell keine mehr haben, geraten so in einen Gegensatz zum Gesetz, das sie dann wohl leider als ein Problem behandeln muss, damit sie sich in dessen Ordnung nicht als Störung bemerkbar machen... Der Maßstab dieser Kritik ist anscheinend das Gelingen des hiesigen Gemeinwesens, das nur klappt, wenn alle dabei mitmachen wollen. Attac will, dass Leute ausgerechnet zu einem Gemeinwesen halten, das ihnen lauter Einschränkungen bereitet. Sie sollen ausgerechnet diese Gesellschaft als die ihre ansehen, deren Führer_innen ihnen den „Euro“ und damit Armut als „alternativlose“11 Lebensbedingung auferlegen.

 

Ungerechte Besteuerung?

Dass der deutsche Staat und andere Staaten in den letzten Jahrzehnten Steuern für die Unternehmenswelt gesenkt haben, liegt nicht etwa daran, dass der Staat seinen Reichen so gerne „Steuergeschenke“ beschert, sondern an dem Zweck, den er seinem Geld beilegt: Es soll vermehrt werden. Einerseits finanziert sich der Staat aus den ökonomischen Erfolgen all seiner Bürger, indem er sie besteuert. Andererseits ist diese Besteuerung eine Beschränkung von deren Einkommen. Bei Einkommen, dass gar nicht verkonsumiert wird und danach verbraucht ist, sondern das wiederum investiert werden soll, um ein bestehendes Geschäft zu erhalten oder auszudehnen, ist das auch für den Staat ärgerlich. Mit dem Steuerabzug beschränkt er nämlich gerade die Quelle, aus der er sich bedienen will. Er nimmt Unternehmen Geld, dass diese reinvestieren könnten, um zu wachsen, was für den Staat eine wachsende Einkommensquelle darstellt. Deshalb und in Angesicht einer konkurrierenden Staatenwelt, die ähnlich denkt, verfällt der Staat auf Steuersenkungen bei Unternehmens- und Vermögenseinkommen. So schafft er „reizende“ Bedingungen für Firmen, die sich dann bei ihm ansiedeln, wachsen, Steuern zahlen und ihm derart eine sichere Basis für seine darüber hinausgehenden Verschuldungsinteressen verschaffen, mit denen er seinen Standort und seinen Gewaltapparat ausstatten kann.

 

Leere öffentliche Kassen – Staatsausgaben für's besteuerte Volk?

Wegen der Steuersenkungen und Bankenrettung seien laut Attac die öffentlichen Kassen „leer“. Das müsste wiederum nicht sein, wenn man einfach die durch die Steuersenkungs- und Lohnkürzungspolitik gestiegenen Privatvermögen („Der öffentlichen Armut in Deutschland steht ein Privatvermögen von über acht Billionen Euro gegenüber.“) schröpfen würde: „Das wachsende Privatvermögen der Reichen und Superreichen muss endlich wieder besteuert werden.“ „Die staatlichen Einnahmen müssen erhöht und Reichtum muss massiv umverteilt werden. Dazu brauchen wir eine stärkere Besteuerung von hohen Einkommen und Vermögen sowie eine Finanztransaktionssteuer“. Und schon wäre Geld für den Abbau von Staatsschulden und die bisher verhinderten sozialen und ökologischen Leistungen des Staates da!

 

Auch wenn Politiker immer wieder darüber klagen, dass die Kassen leider leer seien und sie deshalb „nichts zu verschenken hätten“, kann dem nicht so ganz sein. Schließlich werden wegen angeblich leerer Kassen systemrelevante Banken nicht etwa fallen gelassen, Militärausgaben in nennenswerten Maß heruntergefahren oder einfach massiv Unternehmenssteuern erhöht, um die Kassen wieder zu füllen. Eine Beschränkung durch die Mittel der Haushaltskasse hat der moderne Staat außerdem durch seine Verschuldung an den Finanzmärkten überwunden: Er macht sich durch die Vermarktung seines Finanzbedarfs unabhängig von seinen steuerlichen Einnahmen und kommt so an viel mehr Geldmittel heran. Er finanziert darüber mittlerweile einen Großteil seines Haushaltes. Von leeren Kassen kann also keine Rede sein. Stattdessen wäre diesen Reden der politische Unwille zu entnehmen, ausgerechnet für so unproduktive, bloß Leute erhaltene Maßnahmen wie Arbeitslosen-, Gesundheits- oder Rentenversorgung Geld auszugeben und darüber die „Lohnneben-“ als Teil der Lohnkosten der Unternehmen unnötig zu belasten. Daran zeigt sich, dass die öffentlichen Kassen keineswegs für ein gutes Leben der Bevölkerung gedacht sind, sondern für die Organisation einer staatlichen Herrschaft, die auf ihrem Territorium und darüber hinaus kapitalistisches Wachstum haben und sich daran bereichern will.

 

Attac schenkt hingegen der Lüge vom Nutzen staatlicher Steuern Glauben: Sie würden für die Verbesserung der Wohlfahrt des Volkes erhoben. Frage: Wenn sie den Leuten nützen sollen, warum müssen sie ihnen dann zwangsweise abgezogen werden? Auf diese Weise erhält sich Attac gegen die Realität sein Idealbild vom Staat: Er ist einfach verhindert seine Bürger seine nützlichen Dienste spüren lassen zu können – er würde gern, doch fehlt ihm leider das Geld dazu!

 

Steuern zur Rettung Europas und überhaupt

Zum Glück gibt es aber ganz viel Geld bei den Reichen! Unter völliger Absehung des Zweckes des in der Marktwirtschaft zu verdienenden und vorgeschossenen Geldes schaut Attac ganz pragmatisch auf das Vermögen in dieser Gesellschaft und stellt einfach fest: Hier viel – da wenig, also umverteilen, so dass es endlich mal „fair“ in der doch im Grunde ganz schönen Marktwirtschaft zugehen kann: Die Armen werden als Arme erhalten, indem Reiche ein bisschen mehr „abgeben“, so kann man den Klassengegensatz – zur „solidarischen Gemeinschaft“ erklärt, die füreinander sorgt – als eine nützliche Einrichtung betrachten.

 

Wenn Geld wirklich dazu da wäre, dass eine „gerechte Verteilung“ von Reichtum am Ende herauskommen soll, müsste man sich doch fragen, warum man für das Entstehen dieses Reichtums erst derartig große Unterschiede von arm und reich zulässt. Um am Ende dann die Reichen zu schröpfen und alles umzuverteilen? Dann hätte man sich die Unterschiede doch von Anfang sparen können! Dass Umverteilungswünsche in der Realität nicht verwirklicht werden, sollte man ihr nicht zur Last legen, sondern ihr entnehmen, wofür diese Art von Reichtum da ist: Dafür, dass der von Privateigentümern (ob das nun Banken oder Unternehmen sind) vermehrt wird. Die Mittel ihn zu vermehren haben die normalen Leute nicht – sie sind im Gegenteil das Mittel dafür. Deshalb sehen sie von dem durch sie vermehrten Reichtum auch nicht viel und werden von ihm ausgeschlossen - schließlich verfügen nicht sie, sondern deren Eigentümer darüber.

 

Attacs Vorschlag zum Weg zur „solidarischen Gemeinschaft“ soll durch eine stärkere Besteuerung von Reichen beschritten werden: „Dazu brauchen wir eine stärkere Besteuerung von hohen Einkommen und Vermögen sowie eine Finanztransaktionssteuer, deren Erträge für Armutsbekämpfung, Klimaschutz oder global soziale Mindeststandards eingesetzt werden.“


Offensichtlich geht das Geschäft „der Reichen“ auf Kosten von so allerhand: Leute werden von den Eigentümern der Bedingungen und Mittel zur Herstellung von verkaufbaren Produkten ausgeschlossen und sind deshalb absolut arm und kapitalistisch „schlicht“ überflüssig, wenn ihre Arbeit nicht von Unternehmen gebraucht wird. Die Natur wird offensichtlich – soweit sie als Geschäftsgrundlage benutzt wird – zerstört: Von intensiver Bodenvernutzung für günstige Weltmarktpreise landwirtschaftlicher Produkte bis zur kostengünstigen Entsorgung von nicht mehr verwertbaren Reststoffen in die Umgebung hält das System des Profits viele Möglichkeiten der Zerstörung von Lebensbedingungen bereit. Für Unternehmen günstige Arbeitsbedingungen – möglichst wenig Ausgaben für Arbeitsschutz und -lohn, möglichst extensive und intensive Arbeit und möglichst wenig Gelegenheiten zur arbeitskämpferischen Gegenwehr – unterschreiten dauernd das Mindeste was es zum Leben für die Arbeitenden so braucht. So attestiert Attac zurecht dem kapitalistischen Geschäft lauter Zerstörungswerke12 – und was fällt Attac als Mittel dagegen ein? Abgaben, mit denen nach der Zulassung von all dem Scheiß gegensteuert werden soll!

 

Hierbei ist schon etwas fraglich, ob die ganzen angerichteten Schäden dadurch kompensiert werden können, dass man Teile des geldwerten Ertrags dieses Werks für die Behebung der Schäden einsetzt. Um aber Finanzmärkte und große Konzerne zu besteuern, muss es auch etwas zum Besteuern geben. Deren Geschäft, welchem Zerstörung von Mensch und Natur zur Last gelegt wird, soll also gelingen, so dass steuerlich Teile von ihm beansprucht werden können. Es ist schon seltsam: Erst werden Finanzmärkte und sonstige Unternehmen zum Problem erklärt, dann soll ihr erfolgreiches Geschäft aber gerade die Grundlage zur Lösung der Probleme darstellen, die sie erst schaffen. Wer irgendwen besteuern will, muss ein Interesse am Erfolg des Besteuerten haben und wird dabei auf den nächsten Widerspruch stoßen: Mit den Steuern wird genau das Geschäft beschränkt, an dem partizipiert werden soll. So kommt Attac darauf die finanz- und steuerpolitischen Maßnahmen möglichst „marktkonform“ zu gestalten: Diese Maßnahmen sollen „den Ersterwerb von Aktien bei einer Neuemission nicht belasten; denn sonst würde der eigentliche Sinn und Zweck von Aktien in Frage gestellt. Die Aufgabe liegt vielmehr darin, Finanzmärkte zu stabilisieren...“13 Auf diese Weise macht sich die Sorge um's krisenfreie Funktionieren der Finanzmärkte bei Attac breit, welche zunächst noch der Grund allen Übels der Welt gewesen sind. In diesem Sinne ist Attac auch für das Verbot „hochriskanter Spekulationen“14, so dass garantiert nur sichere Risiken eingegangen werden und das „stabile“ Geschäft krisenfrei abläuft. Weil von dessen Gelingen alles abhängt, ist Attac für es und gewinnt ihm eine Leistung ab, wenn es sich in den Dienst des Gemeinwesens stellt und „anständig“15 besteuert wird.16 Dann kann das Finanzwesen sein Geld zur Umverteilung Richtung solidarische Gemeinschaft Europa bereit stellen. Auf geht’s!

 

1 „Attac ist die französische Abkürzung für “Vereinigung zur Besteuerung von Finanztransaktionen im Interesse der BürgerInnen”. Ausgehend von der ursprünglichen Forderung, die so genannte Tobin-Steuer (eine Steuer zur Eindämmung kurzfristiger Börsenspekulation) international einzuführen, befassen wir uns inzwischen mit der gesamten Bandbreite der Probleme neoliberaler Globalisierung. Als Bildungsbewegung mit Aktionscharakter und Expertise bieten wir dazu fundierte Analysen sowie klare und vermittelbare Forderungen.“ (Aus der Selbstdarstellung, zu finden unter: http://www.attac.de/was-ist-attac/, 21.10.2012)

 

 

2 Alle folgenden Zitate sind – soweit nicht anders angegeben – dem Aufruf „Für ein solidarisches Europa“ entnommen. Eine mittlerweile gekürzte Version ist hier nachzulesen: http://www.attac.de/aktuell/eurokrise/, 21.10.2012 (Ursprüngliche Fassung gab es am 09.10.2012 noch nachzulesen.)

 

3 Zusammengesetzt aus Vertretern der EU-Kommission, der Europäischer Zentralbank und des Internationalem Währungsfonds.

 

4 Näheres zum Grund und den Handlungen des bürgerlichen Staates ist in dem Text „Der bürgerliche Staat“ auf unserer Homepage nachzulesen: gegen-kapital-und-nation.org

 

5 Die Alternative sieht auch hier der bestehenden Welt zum Verwechseln ähnlich: Unternehmen machen Gewinne, welche vom Staat für die Finanzierung seines Haushaltes besteuert werden – nur diesmal: etwas höher.

 

6 Den letzten Schluss wird kein Attaci unterschreiben wollen. Für Attac gibt es mit derart fairen Wettbewerb eigentlich auch keine Verlierer mehr. Wer aber nur Chancengleichheit einfordert, macht genau das Gegenteil von Verlierern verhindern – es gibt schließlich nur die Chance auf Erfolg, der sich gegenseitig von Wettbewerbern bestritten wird. Wer nicht mehr als gleiche Startbedingungen für Konkurrenz will, ist der Logik nach einverstanden mit den Resultaten von Konkurrenz – sofern sie nicht unverdient und das heißt immer selbstverdient sind.

 

7 „Die Finanzmärkte müssen streng reguliert und Finanztransaktionen besteuert werden“ - darauf wird später noch eingegangen.

 

8 Sich an der Krise zu stören ist nur allzu verständlich angesichts der brachialen Einschnitte, die Lohnabhängigen wegen ihr bereitet werden (Lohnkürzung, Kurzarbeit, Sparprogramme, Jobverluste, etc.). Etwas Anderes ist es aber wegen der Abhängigkeit vom Funktionieren der kapitalistischen Ökonomie ihren Erfolg zu fordern – nichts anderes tut man, wenn man sich für Krisenlösungsvorschläge stark macht. Das ist deshalb doof, weil erstens gerade dieser Erfolg der Grund für die Krise ist: Zu viele Verwertungsansprüche als realisiert werden können, sind in der Welt. Zweitens deshalb, weil die Krise gerade durch die Verarmung der Lohnabhängigen bewältigt wird.

 

9 Z.T. sind die folgenden Zitate dem Aufruf zum „Umfairteilen – Reichtum besteuern!“ - Aktionstag am 29.09.2012 entnommen. Das veranstaltende Bündnis wurde von Attac initiiert.

 

10 Zur Ideologie der „Blase“: Dass die „Blase“ einmal platzen würde müssen, ergibt sich erst in der Rückschau, wenn der Vertrauensverlust eingetreten ist und mit einem Mal ein Haufen Wertpapiere doch bloß wieder Schulden der Emittenten sind. Bei gegenseitigem Vertrauen in die Geschäfte der Konkurrenten kommt niemand auf die Idee, dass sich gerade eine Blase entwickeln würde – da gelten diese Geschäfte als „emerging markets“. Um etwas anderes als „heiße Luft“ muss es sich bei den „faulen Papieren“ aber schon handeln, wenn durch ihren drohenden Wertverlust, sich ganze Staaten herausgefordert sehen, ihre Wertvernichtung zu verhindern und ganze Volkswirtschaften von dem Erfolg eben dieser „Luftnummern“ abhängen. Eine ausführliche Erklärung der Finanzkrise („Was ist hier eigentlich los? Finanzkrise 2008ff.“) und Staatsverschuldungskrise („Staatsverschuldung und die Krise im Euroraum“) ist hier zu finden: www.gegen-kapital-und-nation.org

 

11 Bundeskanzlerin Merkel: „Der Euro ist eine Sache von Krieg und Frieden (!). Fällt der Euro fällt Europa. Die Rettung des Euro ist alternativlos.“ Diese Warnung vor den kriegerischen Folgen eines Auseinanderfallens des Friedensprojektes Europa, ist seltsam: Schließlich werden die Bürger_innen da von ihrem eigenen Staat gewarnt, dass er auch ganz anders könnte, denn: Wer außer dem Staat soll schon einen Krieg anzetteln? Anscheinend kommen für einen solchen Staat Bündnis und Krieg als Alternativen seines Erfolges vor: Entweder es klappt besser mit dem Euro oder ohne, wobei die Leute dann auch schonmal als Mittel der Kriegsführung ins Visier kommen. Solcherlei Drohungen soll man als Bürger_in anscheinend einsichtig finden und die so für die Rettung des gemeinschaftlichen Geldes verfügten Maßnahmen als notwendige ansehen.

 

12 In Attacs Worten: „Die soziale Kluft zwischen Nord und Süd wird tiefer. Während die Reichen immer reicher werden, wächst die Armut in der Dritten Welt. Durch Finanz- und Wirtschaftskrisen werden über Nacht ganze Volkswirtschaften ruiniert und verlieren Hunderttausende ihren Arbeitsplatz. Die Armut ist in die Industrieländer zurückgekehrt. […] Renten Gesundheit, Bildung sollen zur Ware werden. Die Deregulierung der Arbeitsmärkte und der Sozialabbau werden wesentlich mithilfe unter- und unbezahlter, flexibler Frauenarbeit vollzogen. Auch Männerarbeit wird zunehmend nach diesem Modell der weltweit ungeschützten flexibilisierten Billigjobs dereguliert und globalisiert.“ (Attac-Erklärung: Die Welt ist keine Ware – eine andere Welt ist möglich) „Der Wirbelsturm, der die asiatischen Geldmärkte verwüstet, bedroht die ganze Welt. Die Globalisierung des Anlagekapitals schafft universelle Unsicherheit.“ (Ebd.)

 

13 Klimenta, Was Börsengurus, verschweigen – 12 Illusionen über die Finanzwelt. Klimenta ist Attac-Aktivist

 

14 Aus dem Ausruf „Banken in die Schranken“

 

15 http://www.attac.de/index.phpid=2362&tx_ttnews[year]=2010&tx_ttnews[month]=12&tx_ttnews[day]=14&tx_ttnews[tt_news]=4603&cHash=09da97e81cb61d7d9fc01913a8c82266 (gefunden am 30.12.13)

 

16 Statt in „hochspekulative Finanzprodukte“ zu investieren, sollte die Bankenwelt doch ihrer „eigentlichen“ „dienenden“ Aufgabe nachkommen, verantwortungsvoll Kredit zu günstigen Konditionen an Staaten, Unternehmen und Häuslebauer zu vergeben.

Kredit ist erstens nie ein Dienst, sondern ein Rechtsanspruch gegen den Schuldner, die Zinsen zu bedienen, egal wie der das hinkriegt. Ein Kredit wird nie vergeben, um jemanden zu „versorgen“, sondern um an fremder Geschäftstätigkeit zu partizipieren. Zweitens ist es immer eine risikobehaftete Angelegenheit, Kredite an Konkurrenten zu vergeben, die sich ihren Erfolg gegenseitig bestreiten. Ein Kredit, der den Kreditnehmer vom bisher verdienten Geld unabhängig machen soll, um zukünftiges Geschäft gegen andere zu ermöglichen, ist immer spekulativ. Das Schuldengeschäft wird also nicht erst bei Aktien und Derivaten spekulativ, seine Natur besteht im Geschäft mit dem Risiko. Dabei sollen die Banken dann aber nur nicht „zu viel“ riskieren. Wo aber soll bitteschön das Maß der „soliden Spekulation“ sein? Banken sollen Risiko eingehen, aber nicht zu viel und ganz solide? Das „zu viel“ wird wie zuvor dargestellt immer erst beim Eintreten einer Krise entdeckt.

Noch fataler bei dieser Diagnose ist allerdings die Unterscheidung von schaffendem und raffendem Unternehmertum. Während in der Realwirtschaft noch produziert würde und Arbeitsplätze geschaffen würden, würde im Finanzwesen ja „nur noch Geld“ verdient, lautet der Vorwurf. Der „Realwirtschaft“ wird einfach unterstellt, sie habe letztlich den Zweck, nützliche Sachen für die Versorgung von Leuten herzustellen. Dagegen muss man festhalten: Die Sachen – so brauchbar und nötig sie auch sein mögen – werden nicht verteilt, sondern verkauft. Sie werden nicht einmal produziert, wenn nicht die Aussicht besteht, sie gewinnbringend absetzen zu können. Niemand wird eingestellt, weil er auf einen Lohn angewiesen ist, sondern wenn die mit dem Lohn eingekaufte Arbeitsleistung so viel mehr an Ertrag erwirtschaftet, dass bei der Realwirtschaft Gewinne hängen bleiben. Auch die Realwirtschaft hat denselben Zweck wie das Finanzgewerbe: Geldvermehren(lassen). Dort wird das Geld zwar anders vermehrt, aber die Identität von beiden besteht in der Geldvermehrung und von der ist hier alles abhängig gemacht. Damit ist der Profit das gesellschaftlich gültige Interesse und nicht bloß ein „nur“. Profit wird hier nicht zu wichtig genommen, sondern von ihm ist alles abhängig gemacht, für nichts anderes wird hier gearbeitet, in nichts anderem besteht der Zweck dieser Gesellschaft.