Die Entscheidung, den Ausnahmezustand für drei Regionen am Suez Kanal zu verkünden, dürfte nicht nur der Intensität der dortigen Auseinandersetzungen geschuldet sein. Nach Angriffen auf die Infrastruktur des Kanals werden Militärs und Kanalbehörde nicht müde zu betonen, dass die Sicherheit des Schiffsverkehrs in der strategischen Wasserstrasse gewährleistet sei. Außerdem will Muris sich so Luft verschaffen, um seine geplante Reise nach Brüsssel und Berlin antreten zu können, um Finanzhilfen für den kurz vor dem Kollaps stehenden Haushalt des Landes zu sammeln.
Katar hatte gerade erst 5 Milliarden US Dollar vorgeschossen, um die Liquidität Ägyptens abzusichern. Splitter von gestern Abend, der Nacht und Heute.
Die Kämpfe in Kairo dauern nun schon den fünften Tag in Folge an. Nach der Ansprache von Muris gestern Abend, bei der er die Verhängung des Ausnahmezustandes und eine nächtliche Ausgangssperre in den Regionen Suez, Port Said und Ismailia verkündet hatte, intensivierten sich die Kämpfe erneut. An drei Stellen in der Nähe Tahrir Platzes wurde mit Steinen und Molotovs gegen die Bullen gekämpft, die weiterhin Unmengen an CS und CN verschiessen, selber massiv mit Steinen werfen, häufig von Häuserdächern aus.
Es gelang, die Absperrung aus Betonquadern in der Sheikh Rihan Strasse niederzureissen, wiederholt wurde der Verkehr der Metro, ebenso wie Hauptstrassen und wichtige Brücken, über längere Zeiträume blockiert.
Ein 19jähriger Passant wurde heute Nacht auf dem Weg von der Schicht nach Hause am Tahrir Platz getötet. Er wurde von einem Geschoss im Nacken getroffen, im Krankenhaus konnte nur noch sein Tod festgestellt werden. Bereits am Samstag war ein Mann von Schrotmunition, wie sie von den Bullen verwendet wird, im Brustbereich getroffen worden und starb ebenfalls im Krankenhaus.
In Suez versammelten sich Angehörige und Freunde, nachdem Nachrichten kursierten, dass die Gefangenen aus dem Ataka Knast verlegt werden sollten. Zuerst wurde die geplante Verlegung blockiert, bei dem anschliessenden Versuch, die Gefangenen zu befreien, wurde ein Gefangener durch die Bullen getötet.
Verschiedene Gruppen, wie die Bewegung des 6. April, der Suez Jugendblock und der black bloc haben heute in der Stadt eine Kundgebung gegen die Verhängung des Ausnahmezustandes veranstaltet, sie kündigten an, sich heute Abend erneut zu versammeln, um die nächtliche Ausgangssperre zu brechen.
Während die verschiedenen salafistischen Parteien und Gruppierungen uniso die Verhängung des Ausnahmezustandes begrüssten, ruderten die Anführer der oppositionellen "Nationalen Rettungsfront" heute zurück. Gestern noch zeigten sie sich prinzipiell gesprächsbereit gegenüber den Moslembrüdern und der Armee, nun werde man unter diesen Bedingungen der Einladung von Mursi zu einem "nationalen Dialog" nicht folgen.
Heute abend werden neue Massenproteste in Kairo beim Gedenkmarsch zum Jahrestag des "Freitags des Zorns" erwartet, der Tag, der das Schicksal Mubaraks besiegelte.
Die Demozüge sollen zum Parlamentsgebäude führen, genau das war in den letzten Tagen mehrmals von den Bullen mit massiver Gewalt vereitelt worden.
Aus Alexandria werden gerade ebenfalls neue Massendemos gemeldet, viele Tausend ziehen durch die Strassen: "Nieder mit den Moslembrüdern..."