Dieser Text wurde als Analyse der Repressionsmaßnahmen um die Räumung des Hambacher Forsts sowie des Mordanschlags auf das Kochkollektiv Rampenplan aus Amsterdam von einer Einzelperson verfasst. Der Text wurde vorerst auf dem Blog der Besetzungen veröffentlicht - da er aber anderen als interner Diskussionsaufschlag dort unpassend erschien und auch nicht eine Gruppenmeinung widerspiegelt, wird er nun im Einvernehmen mit der/dem Autor*in nach hier verlegt. Geeignetere Foren für interne Diskussionen sind in Vorbereitung.
Die Räumung des Widerstandsdorfs im Hambacher Forst war eine politische Kurzschlusshandlung, wie die technische Überforderung durch die Untergrundsituation nachdrücklich belegt. Sie scheint auf den ersten Blick ein Ausdruck totaler Konzernwillkür, hätte es in der gegenwärtigen Energiekostendebatte doch nahe gelegen dass die Blockparteien angesichts unseres Beitrags zum ökologischen Umbau der Industriegesellschaft inhaltliche Differenzen aufweisen – doch dann müsste eine solche erst recht in der Exportpolitik zur Geltung kommen. (1) Wie Regime und Apparat zu dem Schluss gelangten dass die Zeit nicht auf ihrer sondern auf unserer Seite ist und was das für unsere Kritik bedeuten könnte, das versucht diese Analyse auszuleuchten – dies ist, wenigstens zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung, kein Konsenspapier sondern eine Ansicht von der anderen Feuerstelle.
Die soziale Frage, die bei der Genfeldbesetzung im indigenen Umfeld verortet ist, bei der Anti-Autobahn-Aktion im ländlichen, beim Bahnhofsprotest im städtischen, beim Flughafenwiderstand im virtuellen Raum der Geldpolitik etc. findet sich bei der Verteidigung der Landschaft gegen die totale industrielle Verwertung im Bereich der allgemeinen Lebenshaltungskosten. Weit davon entfernt ein Wundermittel zu Chancengleichheit oder gar Wohlstand für alle zu sein, ist der Braunkohleabbau neben der akuten Klimaproblematik auch eine Belastung für den vom destruktiven System ganz aus seiner Umweltbewusstheit herausgelösten „Normalverbraucher“, welcher die Kosten der zu späten Abkehr von der fossilen Verschwendung um so schwerer tragen kann je prekärer seine wirtschaftliche Versorgungslage ohnehin schon ist. Von der Stromrechnung aus gesehen erscheint auch jeder Regulierungsfehler als Konzernwillkür, eine ganz und gar nachvollziehbare Verschiebungsleistung. Während Konzerne Gelegenheit finden diese Kosten abzuwälzen, stehen die Menschen am unteren Ende der kapitalistischen Nahrungskette vor dem Loch welches eine fehlgeleitete Wirtschaftspolitik in ihrem kargen Warenkorb hinterlässt. (2)
Denn nicht der ökologische Umbau ist Kostentreiber, Technologie muss ohnehin immer wieder erneuert werden, sondern die Generationenungerechtigkeit der vorhandenen Wirtschaftsweise. Raubbau an der Zukunft wird umso schneller gegenwärtig je umfangreicher er ist, und hier ist er derart umfassend dass er für immer mehr Menschen bereits Gegenwart ist. Daher geht es nicht bloß um Landschaftserhaltung, weil das oft schon zur Lebenserhaltung nicht mehr reicht, sondern auch und vor allem darum Lebensweisen zu entwickeln die aus der kapitalistischen Ausbeutung herausführen – im Idealfall steht Verteilungsgerechtigkeit am Anfang ökologischer Rückbesinnung. Praktisch heißt das dass auch in einem repressiv-propagandistisch total isolierten Konflikt wozu unsere autonome Präsenz in Zeiten von Grundrechteabbau, Parteiengleichschaltung und Währungsnotstand leider wurde, immer ein gesellschaftliches Umfeld von individuellen Existenzkämpfen entlang der Armutsgrenze mitschwingt.
Wenn wir einen unmittelbaren Landkonflikt mit einer Aktiengesellschaft eingehen um in einen schleichenden Landkonflikt zu intervenieren, drängt sich diesem die Form eines Stellvertreterkonflikts im Interesse nicht nur der Anwohner_innen sondern darüber hinaus auch aller extern oder intern von dem Konzern Abhängigen auf. Unsere Aktion ist einem Risiko ausgesetzt als stellvertretendes Angriffsziel für Machtdemonstrationen gegen diese herangezogen zu werden. Darin dürfte die bizarr-operettenhafte Dramaturgie der „räumungsvorbereitenden“ Polizeiaufmärsche ihre Erklärung finden. Doch reine Stellvertreterangriffe müssten sich in der strategischen Abwägung erschöpfen dass eine Räumung durch „General Winter“ vom propagandistischen Wirkungsgrad her einer polizeilichen vorzuziehen wäre, daraus dass dies nicht so gehandhabt wurde folgt dass der Konzern angenommen haben muss dass die Öffentlichkeit sich sicher ist dass wir sowieso wetterfest sind. Im Vordergrund der stellvertretend mitschwingenden sozialen Frage bleibt es ein klassischer Landkonflikt, wie die Rolle als Subunternehmer angeheuerter Schlägertrupps unbestreitbar belegt.
Spätestens an dieser Stelle ist ein Einschub erforderlich zum Verhältnis von Regime, Apparat und Konzern wie es hierzulande derzeit leider noch wirksam ist: Unter Umständen sind politische Angriffe vorauseilender Gehorsam gegenüber Konzerninteressen durch korrupte Politiker die auf anschließende Übernahme spekulieren – hier wären Regime und Apparat personell auf potentielle Wortbruchkandidaten hin abzuklopfen. Möglicherweise ist mindestens ein entscheidender Politiker geistig-moralisch ausrangiert und legt sich damit sein nächstes Karrieregleis, oder aber Regime oder Apparat verwirklichen aus organisierteren Motiven eigenständige Interessen gegen uns, welche mit denen des Konzerns deckungsgleich sind, oder beides. In diesem Fall wäre die polizeiliche Eskalation nicht Folge der brutalen Konstrukte des RWE-Schlägertrupps, sondern vielmehr diese die sichtbare Nebenwirkung einer größtenteils unsichtbaren staatlichen Eskalation.
Das entspricht dem Profil des Terroranschlags auf die Rampenplan-Gruppe, der ganz offenbar seine heimtückische Wirkung aus der Deckung eines vermeintlichen „Normalzustands“ heraus entfalten sollte. Angesichts dieser Drohung wäre es unsererseits selbstmörderischer Wahnsinn gewesen auf den Staat zuzugehen mit dem Anliegen wir sind mit einem besonders feigen und dummen aber perfiden Angriff auf unsere selbst von der Staatsverfassung anerkannten Selbstbestimmungsrechte konfrontiert und benötigen dagegen unmittelbaren Schutz. Wenn derartige „NSU“-Methoden wie die verdeckte Insidersabotage an einem für den Straßenverkehr zugelassenen Fahrzeug im Hambacher Forst anzutreffen sind, dann ist auch ein Macht-Missbrauch denkbar in dem eine (oder mehrere) der Polizei übergeordnete Behörde von dem Tunnelsystem wusste und ohne diese Information nach unten weiterzugeben die Räumung auslöste, also um nicht selbst mit heruntergelassenen Hosen dazustehen die gewöhnlichen Bullen bloßstellte, wie in der NSU ja tatsächlich mit tödlichem Ausgang geschehen.
Wenn der Mordversuch wie die Angegriffenen sagten (3) war dann muss es auch eine Erklärung dafür geben wieso die diplomatische Demütigung durch die Zielauswahl ohne zwischenstaatliche Widerrede blieb (bei den Zielpersonen handelte es sich um niederländische Staatsangehörige). Marodierende Subunternehmer ohne Plan und Kalkül scheinen nur solange das Nächstliegende wie der Stellvertreterkonflikt um uns herum unbeachtet bleibt. Und hätte das mörderische Vorhaben seinen geplanten Ausgang genommen dann wäre dieser womöglich als Unfall ohne Fremdverschulden interpretiert worden. Nachdem es aufgeplatzt ist lässt sich die anschließende Räumung (beim letzten „räumungsvorbereitenden“ Aufmarsch war die Tat bereits verübt aber noch nicht bemerkt – schlimmstenfalls war ein zeitliches Zusammentreffen beabsichtigt) als Anhaltspunkt dafür werten dass die Täter Dienstanweisungen folgten und nicht bloß überschäumenden Hormonen. Selbst mit der Arbeitshypothese dass es vielleicht irgendwelche gelangweilten Nazis waren die bei einem der Subunternehmen ihre bezahlte Arbeitszeit verwarten führen wieder alle Spuren zurück zu NSU-Regime und VS-Apparat. So oder so – die Annahme es handele sich vielleicht um unbeobachtete Einzeltäter steht als skurrilste aller möglichen Verschwörungstheorien da.
Während der Räumung im Hambacher Forst wurde in Stuttgart das Gestapo-Gesetz parlamentarisch beschlossen, das Polizei- und Geheimdienst zur totalen Geheimpolizei verschmilzt, im Stil dunkelster Vergangenheit und im Dienst des um seine Existenz kämpfenden NSU/VS-Komplexes (in dessen Machtbereich auch ein Simon Bromma wuchern konnte). Veranschaulichungen aus dem vorigen Jahrhundert können zwar allenfalls eine frühere Entwicklungsphase des deutschen Repressionsapparats ins Gedächtnis rufen, doch fehl am Platz sind sie nicht. Der Staat verhält sich nicht nur mit der allzu eiligen Räumung sondern auch mit der politischen Begleitinszenierung dazu so als habe er eine ganz üble Kontinuität zu verbergen. Eine Rolle als Erfüllungsgehilfe der Konzernmacht dürfte dabei bei weitem nicht alles sein, und auch die Anhaltspunkte von Mikromanagement in der Abfolge der Vorkommnisse deuten eher auf staatliche als auf industrielle Hierarchien. Wäre eine derartige Aktion Teil eines Vorhabens ausstehende Lohnzahlungen zu erhalten, dann wäre dieses auch offen wahrnehmbar.
Dazu kommt dass sich Anwohner_innen hier nicht von lokalpolitischen Themaverfehlungen einlullen ließen um Zustimmung zu einer massenmedialen Kriminalisierung zu erschleichen. Mit dem widersprüchlichen Projekt des ökologischen Umbaus innerhalb einer wie eine Polkappe im Klimawandel dahinschmelzenden Währung wird die soziale Frage im Verhältnis von Regime, Apparat und Konzern schließlich dadurch wirksam dass diese sie sich jeweils gegenseitig zuzuschieben versuchen, und wenn Politiker die Konzerne auffordern sie vor einem Zurückschlagen wachsender Energiearmut zu verschonen anstatt selbst regulative Abhilfe zu schaffen dann bietet sich ein groteskes Medienspektakel wie das der Räumung der Waldbesetzung als politischer Anreiz dazu an. Als das – hier offensichtlich mit einem Kapitalverbrechen vergiftete – „Zuckerle“, welches dem Konzern ein Entgegenkommen ohne grundsätzliche Neuregelungen schmackhaft machen soll – denn wenn es ohne die nicht geht könnte die Öffentlichkeit aufwachen und dann gleich richtig ausmisten wollen.
Demokratie, das bunte Mäntelchen in das der braune VS-Staat seinen totalitären Repressionsapparat kleidet, ist eben kein politischer Zwischenschritt auf dem Weg zur Anarchie, so wie das Kochen zum Essen, die Sexualität zur Liebe oder der Kapitalismus zum Kommunismus, sondern die grausame Endstufe der repressiven Staatsideologien in der Abfolge vom erblichen Personenkult zum käuflichen Gewaltmonopol. Das Regime, d. h. die im „Bundessicherheitsrat“ organisierten Verbrecher und ihre Hierarchie, will den ökologischen Umbau weil es meint ohne das Thema gegenüber der außerparlamentarischen Opposition – uns – ins Hintertreffen zu geraten, und will ihn gleichzeitig wieder nicht weil er tatsächliche Schritte weg von der fossilen Verschwendung erfordert in deren Schatten es entstand. Die Konzerne versuchen diesen Widerspruch für ihre Zwecke auszubeuten und zu einer uneingeschränkten Verschwendung zurückzukehren. Das Regime findet sich in einer Zwickmühle wieder, in der solche gruseligen Taten als Ventil einer bereits in Dysfunktionalität versinkenden autoritären Ideologie attraktiv sind, und der Apparat verhält sich eifersüchtig auf uns.
Die grün getünchte Lüge der sogenannten „Energiewende“ (von deren Kostenträgerschaft energieintensive Panzergeschäfte zynischerweise ohnehin freigestellt sind) ist ein proporz-politisches Kartenhaus welches schon bei der kleinstmöglichen konstruktiven Veränderung einzustürzen droht weil es auf einen faschistischen Untergrund gebaut wurde, ähnlich wie die ehrgeizigen Industrieprojekte der Hitler-Ära sich eines feudalistischen Untergrundes bedienten. Dass nach der Monarchie und dem Nationalsozialismus sich mit der Demokratie zum dritten Mal eine Staatsideologie über Europa ausbreiten konnte verdeutlicht dass der Kapitalismus eben kein reines Primat der Wirtschaftsweise darstellt, sondern Regime und Apparat neben dem Takt des Kapitals zuerst dem ihrer eigenen eliminatorischen Kontinuität folgen.
Demgegenüber steht die soziale Frage in der ersten Person, wie sie uns als Umweltaktivist_innen im Innersten berührt, auch diejenigen die ohne Stromvertrag leben. Denn neben jeder und jedem Lebenden die gegen die Konzernherrschaft des kapitalistischen Regimes kämpfen stehen – das verbindet uns mit vielen anderen solchen Kämpfen weltweit – mehrere Tote: Angehörige, Gefährt_innen und Genoss_innen, Freund_innen deren Seelen und oftmals auch Fleisch und Blut dem Loch in den sozialen Bewegungen zum Opfer gefallen sind. Wo sind sie jetzt, unsere Vorgänger_innen und Mitkämpfer_innen der letzten Generationen, die doch von der Lebenserwartung her gesehen noch unter uns weilen müssten? In der Emigrationsbilanz, in den Suizidzahlen, oder schlimmer noch vom Regime innerlich gebrochen und in Affirmation dahinvegetierend, vom Apparat vereinnahmt wie die Abraumhalden einst blühender Alternativkulturen in der kulturimperialistischen Banalisierungswüste?
Wenn allen die nur ein bisschen schwächer waren als wir bereits der politische Lebensraum abgebaggert wurde, dann erklärt dies wieso wir uns in einer Rolle als Stellvertreter_innen unserer Toten (und auch so mancher noch Lebender) befinden. Auf jeden Fall erklärt es die Notwendigkeit, unsere Aktion als Mischform von öffentlichem und privatem Raum zu definieren, der zwar Tag und Nacht allen Menschen offen steht, jedoch in seiner Offenheit intuitiv gestaffelt ist. Dass das Private politisch ist heißt auch dass Politik nur selbstbestimmt sein kann wenn dessen Einbringung in diese selbstbestimmt ist – im Zweifelsfall ist die Wahrung der Abgrenzung von persönlichem und gemeinschaftlichem Raum der pietätlosen Indiskretion grundsätzlich vorzuziehen, und etwa eine Bildjournalistin und ihr Kameratrupp zurechtzuweisen die ungefragt ein Tipi aufmachen wollen. Oder auch ein geheimpolizeiliches Killerkommando welches versucht das Loch in den sozialen Bewegungen brutalstmöglich auf uns auszudehnen. Neben diesem Anschlag stehen möglicherweise noch unerkannte Altfälle, in denen das Schicksal den Opfern weniger gewogen war als unseren Leuten. Angesichts der Rezeptionsgeschichte der NSU-Morde ist dies sogar wahrscheinlich.
Mit derartigem Hintergrund hat die Räumung des Tatorts denselben kriminellen Stellenwert wie das behördliche „Verschwindenlassen“ von Beweismitteln und lässt sich nur als Versuch einstufen die Aufklärung zu vereiteln. Der Aktiengesellschaft geht es um nichts weiter als die Profitrate und nicht darum die Toten zu schänden, wenigstens nicht als raffinierter Selbstzweck, auch wenn sie dies wie im Schlusssatz des „Kapitals“ prophezeit gerne hinzunehmen scheint. Der eliminatorische Terror ist ein Komplex des Regimes der parlamentarischen Demokratie und seines Apparats gegen die außerparlamentarische Opposition, dessen absolute Bösartigkeit durch die relative Aufwendigkeit seiner Inszenierung eindringlich belegt wird. Mit atemberaubender Penetranz müssen unzählige Angriffspunkte abgeklopft worden sein, um durch möglichst wenige Tote möglichst erschreckende Effekte zu erzielen, also den Spielraum für immer mehr tödliche Anschläge gezielt zu erweitern. Die dem Aufplatzen dieses Verbrechens folgende Räumung macht offenkundig dass wir auch einem mittlerweile unübersehbaren Loch in der Staatsverfassung gegenüberstehen, welche nach dem langen Raubbau an unseren Selbstbestimmungsrechten kaum mehr als ein Tal des Todes ist, dessen Trostlosigkeit nur noch von der Aussichtslosigkeit seiner Söldner übertroffen wird.
1: RWE verkauft britische Atomtochter, dapd 25.10.2012
3: Pressemitteilung: Versuchter Mordanschlag gegen Waldbesetzer_innen, 30.10.2012