Burschenschaften: Suff, Schläge und schlimme Sprüche

Die seltsame Welt der Burschenschaften
Erstveröffentlicht: 
01.12.2012

CDU-Staatssekretär "Gothia"-Mitglied

 

Berlin – Sozialstaatssekretär Michael Büge in Erklärungs-Not: Seine Mitgliedschaft in der Burschenschaft „Gothia“ sorgt bei Berliner Politikern und Experten für Entrüstung. Denn: In der Burschenschafts-Szene sind stramm-nationale Ansichten keine Seltenheit. So wurde im Verband „Deutsche Burschenschaft“ zuletzt über den „Abstammungsnachweis“ für Neumitglieder gestritten. Was will der CDU-Mann Büge in diesem Milieu?

Ihre Rituale wirken bestenfalls kurios, manche ihrer Gruppen hält der Verfassungsschutz für regelrecht gefährlich. Wenn sich Burschenschafter treffen, fließt das Bier meist nach dem Motto „Druckbetankung“ in Strömen. „Schlagende Burschenschaften“, zu denen Büges „Gothia“ zählen soll, tragen auch heute noch Fechtkämpfe aus. Dabei fallen nicht nur im Suff rechte Parolen. Ein Bonner Gericht verurteilte im Sommer ein Mitglied des Dachverbandes Deutsche Burschenschaft: Er hatte den Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer in einem Leserbrief als „Landesverräter“ bezeichnet.

Einfach absurd hört es sich für Außenstehende an, worüber der umstrittene Dachverband der „Deutschen Burschenschaft“ fast zerbrochen wäre. Im Kampf zwischen rechtem und liberalem Flügel ging es laut Verbands-Sprecher Michael Schmidt um die Frage, ob Neumitglieder eine deutsche Abstammung belegen müssen. Die Vertreter von 100 Burschenschaften entschieden sich laut „Stern“ diesen Monat für eine liberale Regel. Aber, so Expertin Dr. Alexandra Kurth (Uni Gießen), ändere das nichts am „volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriff“ des Verbands.

Die Politologin ist überzeugt, dass auch die Burschenschaft von Staatssekretär Michael Büge politisch „weit rechts steht“. So schreibe sie auf ihrer Website statt „E-Mail deutschtümelnd E-Post“. Das sei in „Rechtsaußen-Kreisen üblich“. Dr. Kurth weist auch auf einen „Stern“-Artikel über die Jugendgruppe „Iuvenis Gothia“ hin. In der Reportage aus dem Jahr 2000 heißt es: „Und so dreschen die Kombattanten aufeinander ein, schlagen Hiebe, die ,Pim’, ,Terz’ oder ,Quart’ heißen, bis die Oberkörper übersät sind von roten Striemen und blutenden Platzwunden. Pardon wird nicht gegeben, Schmerz nicht gezeigt.“ Die Autoren schreiben, hier werde „der Nachwuchs für Rechts“ rekrutiert.

 

Expertin Kurth stellte jetzt im „Tagesspiegel“ die Behauptung auf, dass Michael Büge selbst bei „Iuvenis Gothia“ war. Auch der KURIER erhielt einen Hinweis darauf. Büge gibt dagegen an, erst als BWL-Student zur „Gothia“ gestoßen zu sein. Aber deren Studenten-Gruppe ist ebenso umstritten, weil sie wenigstens zeitweise zur „Burschenschaftlichen Gemeinschaft“ gehörte. Den Verband schätzt FU-Historiker Wolfgang Wippermann als „weitgehend rechtsradikal“ ein (KURIER berichtete).

Büges „Gothia“-Engagement kann die Grünen-Politikerin Clara Herrmann deshalb nur „gruselig“ finden. Auch Udo Wolf, Linken-Fraktionschef, findet die Mitgliedschaft eines Staatssekretärs „unpassend“. Er spricht von „Braunzonen“ im Burschenschafter-Milieu.

Büge will sich von Kritikern aber „nicht in die rechte Ecke stellen“ lassen. Die „Gothia“ sei überparteilich und gegen Rechtsextremismus. In einem Interview stritt Büge zudem ab, dass Neonazi Horst Mahler bei der „Gothia“ zum Vortrag eingeladen war. Tatsächlich hatte eine Werbeagentur den Auftritt im Zehlendorfer Ratskeller veranstaltet. Unter den Gästen waren einige „Gothia“-Leute. Ex-RAF-Anwalt Mahler wandte sich damals, im Juni 1999, gerade erst von seinen alten, linken Positionen ab.