Die Verantwortung bleibt

Breites Bündnis, viele Einschätzungen: Gedenken zum 9. November 1938 am Platz der Alten Synagoge
Erstveröffentlicht: 
09.11.2012

Wegen des Sabbat fand das Gedenken zum 9. November 1938 diesmal bereits gestern statt.

 Von den Altkatholiken über die Stadtverwaltung bis zur Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten (VVN/BdA) – das Bündnis, das Jahr für Jahr zum 9. November das Gedenken an die Pogromnacht 1938 organisiert, ist groß. Dementsprechend unterschiedlich sind manche Einschätzungen: Für Baubürgermeister Martin Haag garantiert die Breite des Bündnisses, dass in Freiburg "kein Platz für Rassismus" sei. Max Heinke von der VVN sieht die Gesamtlage kritisch: "Wir haben nicht genug Lehren gezogen."

 

Es dämmert, immer mehr Menschen sammeln sich am Platz der alten Synagoge, am Ende sind es rund 300. Elias Schönthal (23) und Christina Blohm (22) sind zum ersten Mal bei der Erinnerung an die Zerstörung der Synagoge dabei – mit besonderer Aufgabe: Sie lesen den Text der Freiburger Schriftstellerin Ingeborg Hecht vor, die 2011 starb. Eindrücklich schildert sie, wie der 9. November 1938 in Freiburg verlief und danach Sondergesetze für die jüdische Bevölkerung verankert wurden: "Vor den Augen der Angehörigen eines Kulturvolks", das hinnahm, wie an Parkbänken oder vor dem Strandbad Schilder auftauchten, "Für Juden verboten".

Elias Schönthal und Christina Blohm studieren Religionspädagogik an der Evangelischen Hochschule, einer ihrer Schwerpunkte ist Menschenrechts- und Gedenkstättenpädagogik. Sie bedauern, dass sie Ingeborg Hecht nie kennen gelernt haben – und finden kein bisschen, dass das immer wiederkehrende Gedenken an Opfer des Nationalsozialismus veraltet sei: "Wir stehen mehr denn je in der Verantwortung", sagt Elias Schönthal, einiges, was damals geschah, sei nach wie vor nicht aufgearbeitet, ganz zu schweigen von neuem Rechtsradikalismus.

Beides macht Max Heinke in seiner Rede zum Thema. Er zieht einen großen Bogen von der Nachkriegszeit, als Nazi-Verbrecher Posten in Ministerien bekamen, bis zu heutigen Zuständen mit "Narrenfreiheit ohne parlamentarische Kontrolle für den Verfassungsschutz" beim Umgang mit den Verbrechen des "Nationalsozialistischen Untergrunds". Und er fragt sich, wie es möglich ist, dass kurz nach der Einweihung des Denkmals für ermordete Roma und Sinti in Berlin mit angeblichem "Asylmissbrauch" durch Roma Stimmung gemacht werden konnte.