Demonstranten klagen gegen Polizeieinsätze

Erstveröffentlicht: 
26.10.2012

Gericht Reine Schikane? Demos gegen Neonazis haben ein Nachspiel.
Von Oliver im Masche


Im Fall von gleich drei Gegendemonst rationen von Neonazikundgebungen, bei denen Protestierer linker Gruppierungen lange Zeit von der Polizei festgesetzt worden sind, drohen juristische Nachspiele. Die Betroffenen halten die „Gewahrsamnahmen", wie die Polizei sie nennt, für unrechtmäßig. Am Verwaltungsgericht in Stuttgart klagen nun fünf Betroffene gegen einen Polizeikessel in Heil bronn, in dem am 1. Mai 2011 mehrere Hundert Gegendemonstranten stundenlang ausharren mussten. Zudem steht ein weiteres Verfahren an, bei dem die Festsetzung von 70 Antifaschisten und Gewerkschaftsmitgliedern Ende Juli in Stuttgart bei  einem weiteren Neonaziaufmarsch auf dem Prüfstand steht. Und weitere Betroffene erwägen ebenfalls, gegen einen Polizeikessel bei einer Demonstration von Rech-ten am 6. Oktober in Göppingen zu klagen.


Im Fall von Stuttgart ist es ein Verdi-Gewerkschaftssekretär, der sich stellvertretend für weitere Betroffene am Verwaltungsgericht Stuttgart gegen die Festset zung am 30. Juli in der Landeshauptstadt wehrt. Er zählt zu 70 Mitgliedern aus dem linken Milieu, die an diesem Tag stundenlang von Polizisten umzingelt am Rotebühlplatz ausharren mussten. Der Anlass war eine sogenannte  Lastwagentour einer Handvoll Neonazis gewesen, die bei ihrer Fahrt durch Deutschland Station in Stuttgart machten. Zuvor  hatte es Auseinandersetzungen gegeben, als 150 Antifaschisten den Auftritt der Rechten unter
anderem mit Fahnenstangen, Eiern, Flaschen verhindern wollten.

 

„Ich wurde an diesem Tag um 11.45 Uhr gekesselt, um 16.20 Uhr auf die Wasenwache gebracht und durfte erst um 17.30 Uhr mit einem Platzverweis für die komplette Innenstadt wieder gehen", sagt der Gewerkschaftssekretär, der nun gegen den Polizeikessel klagt. Für ihn sei die Festsetzung besonders brenzlig gewesen, weil er Diabetiker sei und über all die Stunden kaum etwas essen oder trinken konnte. Mehrere Versuche, während des Polizeieinsatzes mit den Beamten zu sprechen und eine „vernünftige Lösung zu finden", so der 28-Jährige, seien fehlgeschlagen. „Es ist zynisch, von einer Personenkontrolle zu sprechen". Der Mann spricht von „Schikane", um Gegendemonstranten einzuschüchtern, damit sie künftig bei weiteren Neonazi-Aufmärschen zu Hause bleiben.


Wegen des Polizeieinsatzes von Stuttgart hat sich auch der Landesinnenminister Reinhold Gall (SPD) rechtfertigen müssen. Dabei räumte Gall in einem Schreiben an die Landtagsvizepräsidentin Brigitte Lösch (Grüne), die um Aufklärung gebeten hatte, ein, dass „die Dauer der Personalienfeststellung nicht den sonst üblichen Standards der Polizei entsprochen habe". Dies müsse kritisch beleuchtet und nachbearbeitet werden, so der Minister Gall.

 

Auch am Polizeieinsatz am 6. Oktober in Göppingen, als 150 Neonazis durch die Stadt zogen, wurde Kritik am Vorgehen der Ordnungshüter gegenüber Gegendemonstranten laut. Auch dort wurden mehrere Anhänger linker Gruppierungen eingekesselt. Zurzeit prüfen sie ebenfalls juristische Mittel gegen den Polizeieinsatz.