Für den heutigen Freitag haben verschiedene linke und säkulare Gruppen zu Protesten aufgerufen. Darunter die international bekannte "Bewegung des 6. April", aber auch viele andere sozialistische, sozialdemokratische und liberale Gruppierungen. Dem Aufruf hat sich auch die "Demokratische Arbeiterkonferenz", der Dachverband der unabhängigen Gewerkschaften, angeschlossen.
Dies ist das erste mal seit dem Wahlgewinn des Moslembruder Mursi, dass es zu breit getragenen Protesten kommt.
Die heutigen Proteste richten sich gegen den vorgestern öffentlich präsentierten Verfassungsentwurf, der eine weitere islamistische Formierung der Gesellschaft vorantreiben soll.
Außerdem stehen sozialen Forderungen im Fokus der Proteste.
Mursi hatte unmittelbar nach seiner Ernennung umfangreiche Verbesserungen der Lebensverhältnisse für die verarmten Schichten der Gesellschaft angekündigt, die zu grossen Teilen bisher die Moslembrüder unterstützt und ihn zum Präsidenten gewählt haben.
Wie nicht anders zu erwarten, wurden die diversen angekündigten Programme nicht in die Realität umgesetzt.
Im Gegenteil, vor dem Hintergrund einer extremen Staatsverschuldung, der kurzfristige Kollaps war vom damals noch herrschenden Militärrat nur unter weitgehender Auflösung der Devisenvorräte abgewendet worden, und den Auflagen von IWF und Weltbank zu einer radikalen "Reformpolitik", drohen in naher Zukunft radikale Einschnitte bei den Subventionen für Grundnahrungsmittel, Heiz- und- Kraftstoffen.
Ebenso soll mit weiteren Gesetzesverschärfungen gegen die wilden Streiks vorgegangen werden, die in Wellen weiterhin in allen Branchen und gesellschaftlichen Bereichen ausbrechen.
Am späten Vormittag, bevor heute die Marschsäulen der Linken und Säkularen den Tahrir Platz erreicht haben, griffen Anhänger der Moslembrüder und anderer islamistischer Gruppierungen, wie z.b. Al Gama’a Al Islamiyya, die Bühne an, auf der die Abschlusskundgebung stattfinden sollte. Sie zerstörte diese weitgehend, setzten Transparente in Brand, und griffen Angehörige der linken und säkularen Gruppen an.
Video: http://youtu.be/mr4C04d485Y
Dabei riefen sie Parolen wie "Die Revolution ist islamistisch und unterstützt Euren Gott und seine Rechtssprechung" (dies bezieht sich auf das Vorhaben der Moslembrüder und anderer Islamisten, in die neue Verfassung eine Rechtssprechung nach islamischen Recht einfliessen zu lassen).
Die Angriffe der Islamisten blieben nicht unbeantwortet. Seit Stunden toben rund um und auf dem Tahrirplatz Auseinandersetzungen. Nach Angaben ägyptischer blogger haben sich insgesamt mehrere tausend Anhänger der Moslembrüder versammelt. Steine fliegen hin und her, immer wieder kämpfen auch die Ultras der beiden grossen Kairoer Fussballclubs gegen die Islamisten.
Zur Zeit (16.00 Uhr Ortszeit) haben die meisten linken und säkularen Gruppen mittlerweile den Tahrirplatz erreicht und versuchen nach Angaben von AktivistInnen, die Islamisten vom geschichtsträchtigen Platz zu drängen.
Bisher sind trotz der stundenlangen Auseinandersetzungen keine Bullen oder Soldaten zu sehen.
Sollten die Islamisten endgültig ins Hintertreffen geraten, dürfte sich dies schnell änden.
(Das Photo zeigt die Gegenangriffe der Demospitze gegen die Islamisten in der Nähe des Tahrir Platzes)