Am 17. September 1991, begannen im ostsächsischen Hoyerswerda die bis dahin heftigsten rassistischen Angriffe seit dem Ende des Nationalsozialismus. In Erinnerung an die damaligen Ereignisse errichtete die unterstützenswerte Initiative “Pogrom 1991″ im letzten Jahr in Hoyerswerda ein provisorisches Mahnmal und rief zu einer Demonstration auf. Nach den Vorfällen im letzten Jahr wird es in diesem Jahr noch einmal eine Demonstration in Hoyerswerda geben.
Wir
möchten an den Fall Hoyerswerda erinnern, weil er aus dem öffentlichen
Bewusstsein so schnell wieder verschwunden ist, dass auch Linke kaum
noch davon wissen. Dabei nahmen die Überfälle auf MigrantInnen,
VertragsarbeiterInnen und Asylsuchende damals Ausmaße an, die
BeobachterInnen von einem Pogrom sprechen ließ. Tatsächlich war
Hoyerswerda ein “Vorbild”, nach dem sich rassistische Deutsche kein Jahr
später auch in Rostock-Lichtenhagen zusammenrotteten.
Aufruf 2012: Initiative Pogrom 91 und Kampagne „Rassismus tötet!“ | Aufruf 2011: Initiative “Pogrom 91” | Aufruf 2006: Antifa AG
Mobilisierende Gruppen: Initiative Pogrom 91 | Kampagne „Rassismus tötet!“
Mobilisierung: FACEBOOK-VERANSTALTUNG (ladet Leute ein)
Video-Kundgebungen: 17. Sept. 2012 | überregional–> Organisiert Videokundgebungen und/oder Filmabende in eurer Region. Material gibt es demnächst unter www.rassimus-toetet.de
Berlin: Freidrichshain: 20.00 Uhr | Boxhagener Platz // Wedding: 20:00 Uhr | Leopoldplatz
Dresden: 17.09 2012| 15-19 uhr | Altmarktgalerie | uradresden.noblogs.org
Infoveranstaltung:
15. 09.2012 | 19.00 Uhr | K9 | Kinzigstr. 9
Org.: VOSIFA | Mit Referent aus Hoyerswerda & Film “Viele habe ich erkannt”
HintergrundInformationen zum Pogrom:
InterviewsFilme:
mit dem Uwe-Karsten Heye: “Als aus Parolen Brandsätze wurden”
mit zwei Asylbewerbern von 1991: “Viele habe ich erkannt”
zeitgenössischer Text Wolfgang Pohrts: “Waffen für Hoyerswerda”
Noch mehr Texte: “Pogrom91”
ARD Brennpunkt 1991 "Ausländerjagd Rassismus im neuen Deutschland?"
Ansehen >>>
Kurz-Doku
“Viele habe ich erkannt” (BRD / 1992 / 25 min)
Produktion.: autofocus Videowerkstatt Realisation: Helmut Dietrich, Julia Oelkers, Lars Maibaum
Ansehen >>>
“Das Hoyerswerda Syndrom” (Fr / 1996 / 52 min)
Mogniss H. Abdallah, Yonas Endrias
Ansehen >>>
20 Jahre HoyerswerdaAudios:
- 20 Jahre Hoyerswerda – Was hat sich seitdem verändert (Cosmo TV) Ansehen >>>
- Vor 20 Jahren Ausländerfeindliche Übergriffe in Hoyerswerda (MDR) Ansehen >>>
Video-Schnipsel
- Pogrom von Hoyerswerda und die Aslydebatte (ZDF) Ansehen >>>
- Ausschnitt aus “Nach Hitler Radikale Rechte rüsten auf” (ARD) Ansehen >>>
- Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen und die CDU (ARD) Ansehen >>>
- Vor 20 Jahren – rassistisches Pogrom in Hoyerswerda (08.08.2012, Freies Radio) Anhören >>>
- Hoyerswerda, alles wie immer – Pogrom91 (12.09.2012, Radio Corax) Anhören >>>
Artikel auf Indymedia 2012: Hoyerswerda: "Ausländerjagd" – Videobeitrag | Nazis in Hoyerswerda bedrohen Teilnehmer_innen | Keine Ruhe für Hoyerswerda!
ältere Artikel auf Indymedia: Hoyerswerdas Bürgermeister und sein Problem mit dem Pogrom von 1991 | Demonstration in Hoyerswerda zur Erinnerung an die rassistischen Pogrome vor 20 Jahren | Erschreckende Realität in Hoyerswerda | Wie aus TaeterInnen Opfer werden | Hoyerswerda: Angriff gegen Betroffene von '91 | Hoyerswerda 1991 - Hoyerswerda 2011 | Interview mit der Initiative »Pogrom 91« | Antifa-Kaffeefahrt durch Ostsachsen | Hoyerswerda: 150 Nazis bei Fackelaufmarsch | Hoyerswerda: Repression nach Sitzblockade | Hoyerswerda:Neonazikader im Zeitungsinterview | 15. Jahre Hoyerswerda - again Datenantifa | 15 Jahre Hoyerswerda: Demobericht + Pics | 15 Jahre Hoyerswerda | Hoyerswerda: Eine Chronologie | Hoyerswerda: Nazimobi-Seite gehackt | Fotos: Hoyerswerda vor 15 Jahren | Brauner Spuk im "roten" Hoyerswerda | 08.04.2006 Aktionen in Bautzen / Hoyerswerda | Nazis planen um - Ziele Hoywoy und ev. Apolda | Nazistand in Hoyerswerda | Freie Aktivisten melden sich in Hoyerswerda | nazis gegen agenda2010 in hoyerswerda
Vidoes zum braunen Sachsen: Alerta Sachsen | Rassismus tötet
Die Ruhe hielt nicht lang: Am Folgetag versammelten sich erneut mehrere hundert Menschen vor dem Wohnheim und schlugen auf BewohnerInnen ein. Dass man dabei freie Hand hat, sprach sich in Hoyerswerda schnell rum: Wieder einen Tag später wurde auch ein Heim für AsylbewerberInnen angegriffen. Dass man jetzt nicht nur freie Hand hat, sondern sogar auf die Unterstützung der Bevölkerung zählen kann, hatte sich dann schon so weit rumgesprochen, dass am 19. September Nazis aus der ganzen Republik anreisten und sich beide Heime vorknöpften: Molotowcocktails flogen auf die Fassaden. BürgerInnen stellten sich schützend um die AngreiferInnen und sicherten einen stundenlangen Nachschub an Steinen, Benzin und Glasflaschen, die sie schubkarrenweise anlieferten.
Resultat waren mehrere Schwerverletzte. Die MigrantInnen-Heime in Hoyerswerda wurden kurz darauf regelrecht evakuiert, in den folgenden Monaten brannten noch mehrere Geschäfte mit migrantischen BetreiberInnen. Der Mob triumphierte. Eine antifaschistische Demonstration mit 4000 TeilnehmerInnen hat die Polizei am 29. September 1991 dagegen mit Wasserwerfern zurückgedrängt und mit Tränengas beschossen – und damit klargestellt, dass man sich den zweifelhaften Triumph, “ausländerfrei” nicht nur zum Unwort des Jahres gemacht, sondern wirklich so gehandelt zu haben, von niemandem nehmen lässt.
Tatsächlich gab es für Hoyerswerda – genau wie später für Rostock-Lichtenhagen – vor allem Worte des guten Zuredens. In den Lokalteilen ostdeutscher Tageszeitungen wurden solche und ähnliche Angriffe, die den Tod ihrer Opfer herbeiführen sollten, wohlwollend als Vandalismus und Hitzköpfigkeit abgetan. Und in den Feuilletons westdeutscher Tageszeitungen lief eine erste große “Rechstextremismus”-Debatte an, in der – wie in allen folgenden Debatten – vor allem um Verständnis geworben wurde: Verständnis für angebliche Kurzschlussreaktionen ostdeutscher Jugendlicher mit zu viel autoritärer Erziehung und Mangel an “Wärme”; für so genannte “Wendeverlierer” mit einer Überdosis Plattenbau-Grau, Hang zum Alkohol und ganz miesen Jobaussichten.
In den Lokalteilen ostdeutscher Tageszeitungen wurde die Berichterstattung über Neonazismus eingeschränkt – in der Annahme, dass der Fokus nie auf Hoyerswerda gefallen wäre, wenn man der “Nestbeschmutzung” besser vorbeugt, man also wirklich “dichtgehalten” hätte. In den Feuilletons westdeutscher Tageszeitungen empfahlen derweil SoziologInnen, PädagogInnen und andere Leute, die womöglich nie ganz dicht waren, mit ihrem Konzept einer “akzeptierenden Jugendsozialarbeit” mehr Toleranz – für Nazis. Davon profitierten Kommunen mit vielen Nazis, also Tat-Orte wie Hoyerswerda.
Militanter Rassismus im neuen Deutschland
Wenn es also so einen Zusammenhang gibt, dann ist auch die Folgerung plausibel, dass diese AnhängerInnen des deutschen Nationalismus das Versprechen von “blühenden Landschaften” aus naiver Überzeugung – und irgendwann auch aus radikaler Enttäuschung – so ernst genommen haben, dass sie alle Menschen aus dem Weg räumen wollten, die bei einer Erfüllung der Einheitsträume und für den Erfolg der wieder-vereinheitlichten Nation hinderlich schienen: weil man sie nicht für “deutsch” hielt, für unnütz oder schädlich.
Diese nationalistische und rassistische Denkart ist irre. Aber sie ist nicht irre genug, dass der mörderische Reflex gegen MigrantInnen, denen Nazis und andere Deutsche in Hoyerswerda, Rostock und anderen Städten gefolgt sind, an irgendeinem extremen Rand gestanden hätte oder dorthin gedrängt worden wäre, wie es bis heute oft behauptet wird. Umgekehrt war der militante Rassismus zu Beginn der 90er Jahre ein durchaus vermittelbarer Anlass, das Asylrecht faktisch abzuschaffen. In der “Berliner Republik” konnte die Politik wieder auf den Rassismus der Massen setzen.
Keine Ruhe für Hoyerswerda! – Gegen rassistische Zustände!
Am 30. August kam es zu einem Angriff und Bedrohungen gegen Mitglieder der Linksjugend [solid.]
Für ein Denkmal und die Entschädigung der Betroffenen des Pogroms von 1991!
Demo: 22. Sept. 2012 | Hoyerswerda
14.00 Uhr | Bahnhofsvorplatz (Demo beginn wird auf Grund der Zugverbindungen in Sachsen auf 15 Uhr verschoben)