[Regensburg] Pressebericht zu Soli-Kundgebung für iranische Flüchtlinge

Erstveröffentlicht: 
09.07.2012

[Anmerkung: Die der Gruppe Anita F. zugeschriebenen Zitate stammen aus den von Anita F. vorgelesenen Forderungen der Flüchtlinge.]

 

An die 100 Menschen haben sich am Freitag dem Protest für eine menschenwürdige Behandlung von Flüchtlingen angeschlossen.

 

Artikel 1 des Grundgesetzes besagt: Die Würde des Menschen ist unantastbar.

 

In Bezug auf die deutsche Flüchtlingspolitik, muss man allerdings immer wieder feststellen, dass es damit nicht allzu weit her ist. Gefängnisähnliche Zustände bei den Gemeinschaftsunterkünften, Integration wird verhindert und noch viele weitere Probleme, mit denen die Betroffenen zu kämpfen haben. Um auf ihre Lage aufmerksam zu machen, protestieren seit dem 19.März iranische Asylbewerber in Würzburg. Immer wieder treten sie in den Hungerstreik und haben sich sogar ihre Lippen zugenäht. Ein Zeichen dafür, wie verzweifelt sie sind.

 

Gericht reagierte erst auf Hungerstreik

 

Aus Solidarität mit diesen Flüchtlingen riefen die Gruppe Anita_F., BI Asyl und der bayerische Flüchtlingsrat am vergangenen Freitag zu einer spontanen Kundgebung vor dem Alten Rathaus auf. Ein wichtiges Anliegen dabei war auch der Fall von Mohammad Hassanzadeh Kalali. Der Iraner war zunächst in Cham untergebracht und wartete darauf, dass sein Asylantrag bearbeitet wird. Doch erst nachdem er sich dem Hungerstreik angeschlossen hatte, kündigte das zuständige Verwaltungsgericht Regensburg an, sich mit seinem Antrag zu befassen.

 

„Wie mit Asylbewerbern in diesem Lande umgegangen wird ist äußerst beschämend“, so Gotthold Streitberger, Sprecher des bayerischen Flüchtlingsrats. „Diese Scheiß-Gesetze, die seit vielen Jahren Auslöser für Verzweiflung bei den Betroffenen sind, müssen endlich weg.“

Die Forderungen der Flüchtlinge umfassen unter anderem folgende Punkte:

  • Abschaffung des Systems der Gemeinschaftsunterkünfte, die eine Integration verhindern.
  • Abschaffung der Essenspakete.
  • Einführung eines Anspruchs auf einen Rechtsbeistand, sowie einen zertifizierten Dolmetscher.
  • Die Möglichkeit, den eigenen Lebensunterhalt durch Arbeit zu sichern.

„Sollte in einer Demokratie selbstverständlich sein“

 

„Ein Dolmetscher würde von vorneherein viele Verfahren beschleunigen und Asylbewerbern eine effektivere Wahrnehmung ihrer Rechte ermöglichen“, erklärt ein Sprecher von Anita_F. „Auch professionelle Deutschkurse müssen endlich gewährt werden, da sonst eine Integration nur schwer möglich sein wird.“

 

Höhepunkt der Kundgebung war der Besuch des iranischen Flüchtlings Ali Hedayatzadeh aus Cham (Foto), der nun schon seit neun Monaten in Deutschland lebt. „Ich kam vom Regen in die Traufe. Ich bin aus dem Iran geflüchtet, weil dort meine Rechte beschnitten wurden. Und hier in Deutschland habe ich ebenfalls keine eigene Entscheidungsgewalt.“ Streitberger sieht in der ganzen Asylpolitik eine grundsätzliche Frage nach Menschlichkeit. „Unsere Forderungen sollten doch eine Selbstverständlichkeit jeder Demokratie sein.“ Die Anwesenden spenden immer wieder großen Beifall.

 

Asylbewerberleistungsgesetz wohl verfassungswidrig

 

Auf einen großen Schritt in Richtung Gleichbehandlung hoffen die Anwesenden durch das Bundesverfassungsgericht. Das beschäftigt sich derzeit mit dem Asylbewerberleistungsgesetz. Inklusive aller Sachleistungen erhalten Asylbewerber gerade mal 60 Prozent des Hartz IV-Satzes, Kinder weniger als die Hälfte. Mitte Juli wird mit einer Entscheidung gerechnet. Die Richter hatten aber bereits angedeutet, dass sie die Leistungen wohl als verfassungswidrig beurteilen werden.

 

Am Ende der Kundgebung steht vor allem das Versprechen, den Protest weiter zu führen und auszuweiten, so lange nicht grundsätzliche Änderungen getroffen werden. Schon jetzt schließen sich fast täglich weitere Flüchtlinge in ganz Bayern dem Protest an.
„Alle Menschen sind gleich und dafür kämpfen wir.“