Marcel Fiedler wieder auf Bewährung - the never ending story

Marcel Fiedler mit "Hennigsdorf"-Fahne in Berlin am 01.05.2010 - Foto: Apabiz e

Wieder ist ein Oberhaveler Neonazi vor Gericht verurteilt. Wieder gab es keine Haftstrafe und es wurde unabhängig von vorherigen Taten, der Gefahr für die Gesellschaft und einem möglichen politischen Hintergrund, ein Urteil gefällt. Zum mutmaßlich sechsten Mal betraf es dabei den 27 Jährigen Hennigsdorfer Neonaziaktivisten Marcel Fiedler.

Marcel Fiedler ist zeitweise Mitglied bei der inzwischen verbotenen Hilfsgemeinschaft nationaler Gefangener e.V. (HNG) gewesen und hatte auch Kontakte zu den lokalen Jungen Nationaldemokraten (JN). Wegen seiner Mitgliedschaft in der HNG gab es unter anderem am 07.09.2010 eine Hausdurchsuchung bei ihm. Der Kontakt zur HNG kommt vermutlich daher, weil er fünfmal wegen verschiedener rechter Delikte und Körperverletzungen verurteilt wurde und auch mindestens eine Gefängnisstrafe absitzen musste.

2009 wurde bei Marcel Fiedler das Chorea Huntington Syndrom fetgestellt. Kurzer Input zu Chorea Huntington:
Chorea Huntington ist eine aktuell noch unheilbare und vererbliche Erkrankung des Gehirns. Betroffen ist vor allem das Kerngebiet des Großhirns. Nach Feststellung bzw. dem Ausbruch der Chorea Huntington erfolgt binnen 20 Jahre der Tod, vor allem Stress kann den Prozess beschleunigen. In Folge der Erkrankung, bzw. dem Fortschreiten der Krankheit werden nach und nach bestimmte Gehirnareale zerstört. Durch diese Zerstörung kommt es zu psychischen Problemen des Erkrankten, sowie Störungen der Muskulatur und auftreten von Spastiken.

Marcel Fiedler ist inzwischen mindestens sieben Mal verurteilt worden. 2005 wurde er wegen eines Angriffs auf mehrere Migrant*innen zu einer Haftstrafe verdonnert. Damals sicherte er zu einen Antiaggressionskurs zu belegen. Bis 2007 war er demnach im Gefängnis und griff auch nach seiner Haftstrafe bis 2010 erneut mehrmals Menschen an und wurde dafür drei Mal Verurteilt, wobei unklar ist, ob es sich dabei immer um Bewährungsstrafen handelte. 2008 schrieb der Oranienburger Generalanzeiger über eine Tat bereits vom „einschlägig bekannten und bekennenden“ Neonazi, der damals wieder wegen eines Gewaltdelikts vom Schöffengericht verurteilt wurde.

2010 griff er im Juli erst einen linken Jugendlichen und im August Polizeibeamte an. Bei dem Angriff auf den linken Jugendlichen brauchte es mehrere Menschen um ihn von seiner Tat abzubringen. Laut Zeug*innenaussagen hatte er bei der Tat Schaum vor dem Mund - auch das ist ein Symptom der oben genannten Erkrankung. An die Tat konnte sich Fiedler nicht erinnern und lies durch seinen Anwalt auf seine Krankheit hinweisen. Ergebnis? Obwohl er gerade eine Bewährungsstrafe hatte, forderte auch die Staatsanwaltschaft keine Haftstrafe ohne Bewährung. Die Staatsanwaltschaft äußerte Bedenken bezüglich der Strafe, da „er nichts mehr zu verlieren (hat) – wir können ihn mit einer Gefängnisstrafe auch nicht mehr beeindrucken“ und forderte daher nur zwei Jahre Haft auf Bewährung, da der "Rechtsstaat ihm nur noch auf den Weg geben kann sich zu bessern". Auch gab Fiedler am Tag seiner Verurteilung an, sich seit längerem in Therapie zu befinden um seine krankheitsbedingte fehlende Fähigkeit, Gewaltexesse zu beenden, in den Griff zu bekommen. Dies wertete das Gericht als positiv, machte aber eine Weiterführung der Therapie nicht zur Bewährungsauflage. Auf die neonazistische Gesinnung ging man auch auf Rückfragen seitens anwesender Journalist*innen nicht ein. Allein 2010 nahm Fiedler an drei Aufmärschen teil, z.T. als Träger einer Fahne mit der Aufschrift „Hennigsdorf“.

Nun stand Fiedler wieder vor Gericht und wieder liest sich der Hintergrund wie ein Drehbuch eines Actionfilms. Im Februar 2011 (genauer, 1 Tag vor der ersten Verhandlung wegen seines letzten Deliktes) wurde Fiedler auf dem Bahnhof Oranienburg festgenommen. Er, als Fan des FC Hansa Rostock, kam gerade mit der Regionalbahn aus der Hansestadt, da dort in der 3.Bundesliga der FC Hansa auf den SV Babelsberg traf. Der SV Babelsberg ist ein Verein mit einer sich klar als linksradikal verstehenden Fanszene - ein Umstand der oft dafür sorgt, dass gerade Neonazis an Spielen gegen das Team teilnehmen und es dadurch zu Auseinandersetzungen kommt. Auf dem Bahnhof Oranienburg rief ihm ein Babelsberger „auf Wiedersehen“ zu, was ihn nicht nur veranlasste eine Bierflasche nach diesem zu werfen, sondern sich auch gegen die ihn festnehmenden Einsatzkräfte massiv zu wehren. Als er zum Hauptbahnhof in Berlin gebracht werden sollte, wurde Fiedler erneut aggressiv und musste gefesselt werden.

Nun fand am 08.03.2012 der Prozess statt. Wieder unter Ausschluss der Öffentlichkeit, wieder wurde auf seine Krankheit hingewiesen und wieder bekam er eine Bewährungsstrafe. Diesmal sind es zwei Jahre Bewährung mit der Auflage einen Bewährungshelfer zu akzeptieren – eine reine Formalie. Die niedrige Strafe rührt daher, weil er teilweise geständig war und darüber hinaus während der Tatbegehung unter Alkohol- und Medikamenteneinfluss standen.

Wir fassen gerne zusammen. Ein tödlich erkrankter Mensch, welcher immer mehr die Kontrolle über seinen Körper verliert, schnell aggressiv wird, z.T. in eine Art Rausch gerät, einer Ideologie folgt, welche Menschenverachtung als Kernthema hat, darf zum wiederholten Mal nach einer Gewalttat das Gericht als freier Mensch ohne Auflagen verlassen. Keine Therapie, kein Kontaktverbot in die rechte Szene. Bei Marcel Fiedler handelt es sich nicht um einen resozialisierbaren gewalttätigen Neonazi, sondern um einen Menschen der – laut Staatsanwaltschaft - nichts mehr zu verlieren hat.

Und das ist der Punkt wo die Justiz hätte einschlagen müssen. Genau hier hätte sie präventiv wirken können. Aufgrund der Vorgeschichte von Fiedler ist davon auszugehen, dass dies nicht sein letzter Besuch im Amtsgericht war. Wir hoffen allerdings, dass es keine weiteren Geschädigten gibt.



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