[M31] 31. März 2012: Europäischer Aktionstag gegen den Kapitalismus - Aufruf aus Wien

m31

Es folgt der Aufruf vom Vorbereitungskreis für den 31. März in Wien. In Schland wird zentral nach Frankfurt / Main mobilisiert - wer es nicht schafft dort hin zu fahren kann vielleicht aber auch dezentral kleinere Aktionen und Kundgebungen organisieren oder zumindest Flyer verteilen....

 

sozial
revolutionärer
Auflauf

ab 14 Uhr beim Marcus Omofuma Denkmal (Museumsquartier / Mariahilfer Straße)

druckbare Versionen dieses Aufrufs finden sich unten als pdfs zum download

http://march31.net

http://vienna.march31.net (funktioniert derzeit fehlerhaft, derweil findet ihr die Infos auf http://m31vienna.tumblr.com/)

 

Ein Aktionstag gegen den Kapitalismus?

Protestiert wird dieser Tage viel auf der ganzen Welt. Und der Kapitalismus ist auch wieder im Gespräch. Seine fatalen Auswirkungen auf das Ökosystem und das menschliche Leben lassen sich zunehmend schlechter leugnen, die Idee von immerwährendem Fortschritt und Wachstum scheint vielen nicht mehr plausibel. Aber die Kritik, die daraus erwächst greift meistens zu kurz. Oft beschränkt sie sich darauf, einzelne Akteur_innen und deren Handeln moralisch zu bewerten, sie gegebenenfalls zu verurteilen, und eine strengere Regulierung sowie das Austauschen von Funktionsträger_innen durch vermeintlich “aufrechtere” Personen zu fordern.

 

Dabei liegt es in den Strukturen der Kapitalismus, dass nicht selten moralisch fragwürdiges oder sogar verwerfliches Verhalten das rationalste ist. Richtet sich also der Protest vor allem gegen bestimmte Akteur_innen, dient er letztlich oft mehr als Ventil für die individuelle Ohnmacht und spielt dabei seine Rolle mit, das bestehende System zu legitimieren, indem nahegelegt wird, es wäre unter den Bedingungen dieses Wirtschaftssystems möglich, grundlegend anders zu handeln.

 

Zwei Jahrzehnte lang schien sich die Welt in einer Starre zu befinden, erst wurde nach dem Zusammenbruch des Staatssozialismus das “Ende der Geschichte” verkündet und Kapitalismus und westliche “Demokratie” zum bestmöglichen und wünschenswertesten Zustand menschlichen Zusammenlebens erklärt. Als das mit dem Aufflammen der globalisierungskritischen Bewegungen gerade drohte infrage gestellt zu werden, begann der “Kampf der Kulturen” zum roten Faden der Weltgeschichte zu werden. Kapitalismus und bürgerlicher Staat waren nun nicht mehr per se einfach wunderbar, sondern um Leben oder Tod zu verteidigen gegen ein Feindbild der Barbarei. Dabei ist nicht alles was sich gegen den Kapitalismus stellt emanzipatorisch, genausowenig wie der Kapitalismus als Gegensatz zur Barbarei verstanden werden kann.

 

Inzwischen ist aber klar geworden, dass das Leben im Kapitalismus tatsächlich nicht einfach immer nur besser wird, sondern vielmehr dass auch die ökonomischen und rechtlichen Zugeständnisse, die im Kampf gegen die Zumutungen des Kapitalismus vor allem im 20. Jahrhundert errungen worden waren, wieder abgebaut werden, wenn es für den momentanen Erhalt des Systems notwendig ist. Dabei geht es der etablierten Politik bis tief in sozialdemokratische Parteien und Gewerkschaften nicht mehr um ein ob oder nicht, sondern vielmehr um die Frage wie das umgesetzt werden kann, ohne dass es eine soziale Explosion zur Folge hat. Die Abwehrkämpfe gegen den Abbau sozialer Rechte sind wichtig, aber die Perspektive muss weiter sein. Wenn sich die Kämpfe aber den herrschenden Normen und Institutionen unterordnen, führen sie im Ergebnis oft nur zu einer Stabilisierung eben der Strukturen, deren negative Auswirkungen sie mildern sollen.

 

Die aktuellen Krisenerscheinungen, vor allem die nicht zuletzt durch “Bankenrettungen” in die Höhe schnellenden Staatsschulden, halten nun als Begründung her, um diese scheinbar alternativlose Politik zu rechtfertigen. Arbeitsmärkte werden “flexibilisiert”, d.h. Arbeitsrechte beschnitten, Kündigungsschutz gelockert, soziale Sicherheiten gestrichen. Der Staat baut massiv Stellen ab, was viele Leute ohne Arbeit dastehen lässt und gleichzeitig die Löhne im privaten Sektor nach unten drückt. Wer keine Arbeit hat, wird einem repressiven System sozialer Kontrolle unterstellt, dass nicht vorrangig die Funktion hat, die Menschen in Arbeit zu bringen. Vielmehr soll es verhindern, dass sie auf andere Gedanken kommen sich selbst zu beschäftigen, und andererseits den Druck auf sie zu erhöhen und die Option einen Scheiß-Job für einen Hungerlohn zu akzeptieren attraktiver erscheinen zu lassen.

 

Don't hate the players, hate the game!

Aber auch diese Maßnahmen haben nicht einfach Bosheit oder Gier zur Ursache, sondern sind innerhalb des Kapitalismus logische Folgen des Zwangs zur immerwährenden Maximierung des Profits. Denn ohne Aussicht auf Profit investiert niemand, verleiht keine Bank an ein Unternehmen Geld. Die Produktion würde ins Stocken geraten, ganz gleich ob die produzierten Güter eine gesellschaftlich wichtige Funktion haben oder nicht. Doch der Zwang zur Profitmaximierung steht im Widerspruch dazu, dass die produzierten Waren auch Käufer_innen finden müssen, die sich diese Dinge leisten können.

 

Nicht zuletzt durch diesen Widerspruch ist die Krise nicht etwa ein Ausnahmezustand im Kapitlismus, ein Stottern des Motors oder ein Betriebsunfall, sondern ein immer vorhandenes Strukturelement, dass sich wiederkehrend, mehr oder weniger periodisch zuspitzt. Es kann weder durch besonders viel noch besonders wenig staatliche Regulierung aus dem System herausgerechnet werden. Der Staat wird die Märkte immer vor allem so regulieren, dass die Aufrechterhaltung des

Gesamtzusammenhangs und die Akkumulation von Kapital sichergestellt werden.

 

Schuld an der Krise sind also nicht etwa “Bankster”, Spekulant_innen oder amoralische Politiker_innen, schuld ist die kapitalistische Produktionsweise. Aber da die herrschenden Verhältnisse dieser Einsicht im Wege stehen, müssen andere Sündenböcke her. Innerhalb Europas wird neben “Finanzmarkt-Zocker_innen” vor allem das Bild der angeblich “faulen Südländer_innen” gezeichnet die “über ihre Verhältnisse” gelebt hätten. Diese Erklärung passt gut zum vorherrschenden Alltags-Rassismus, hat aber mit der Realität nichts zu tun. Tatsächlich arbeiteten die Menschen schon vor der Krise zum Beispiel in Griechenland meist mehr Stunden für nicht selten halb so hohe Löhne wie hier, und das bei vergleichbaren Lebenshaltungskosten.

 

Wenn aber der Kapitalismus der Grund ist für die ganze Misere, wer ist dann “schuld” am Kapitalismus? Eine kleine Bande von Kriminellen, die den Globus terrorisieren und ausbeuten, wie es viele wieder aufkeimende Verschwörungstheorien nahelegen? Weit gefehlt! Vielmehr sind es wir alle, die täglich unseren Beitrag zu seiner Aufrechterhaltung leisten, indem wir arbeiten gehen oder für den Arbeitsmarkt lernen, indem wir Geld ausgeben und konsumieren, indem wir unsere Steuern zahlen an einen Staat, der letzten Endes vor allem das Funktionieren der kapitalistischen Wirtschaft absichert.

 

Wir sind zwar alle daran beteiligt, den Kapitalismus aufrecht zu erhalten, ihn in unserer derzeitigen Lage einfach beenden können wir aber trotzdem nicht. Die Möglichkeiten zur Mitwirkungen, die uns die bürgerliche Demokratie zur Verfügung stellt, bemächtigen uns dazu nicht. Eine Partei beispielweise, die sich mit antikapitalistischer Rhetorik schmückt, müsste spätestens dann kapitulieren, wenn sie an der Regierung ist. Der Staat den sie übernehmen würde wäre immer noch ein kapitalistischer, der ohne Steuereinnahmen handlungsunfähig wäre und so um jeden Preis die Zirkulation der Waren aufrecht erhalten muss. Auch die viel gepriesenen Grundrechte reichen immer nur so weit, wie ihre Ausübung für den Erhalt dieser Gesellschaft ungefährlich bleibt. Wer sich wirklich der bestehenden Ordnung in den Weg stellt bekommt schnell die volle Härte der Repression zu spüren. Um wirklich etwas tun zu können, müssen wir aus der Vereinzelung herausbrechen, in die uns diese Gesellschaftsform zwingt.

 

It's not enough to be angry!

Wenn jetzt für den 31. März zu einem Aktionstag gegen den Kapitalismus aufgerufen wird, kann es nicht darum gehen, dem allgemeinen Gerede von der Krise einfach ein paar neue Facetten hinzuzufügen. So ist zum Beispiel die Deutung populär, der Kapitalismus sei nun eh fast am Ende, und wir bräuchten uns jetzt bloß alle an den Händen zu fassen und einen Neuanfang wagen. Dabei ist Widerstand gegen die kapitalistische Wirtschaftsweise alltäglich, aber leider auch schon lange in einer Sackgasse. In der Krise verschärfen sich die Auseinandersetzungen, aber der Kapitalismus ist immer Scheiße, auch wenn er scheinbar “reibungslos” funktioniert.

 

Es kann also bei einem antikapitalistischen Aktionstag nicht darum gehen, für einen Tag zu moblisieren. Vielmehr sollte der Tag genutzt werden um lokal und transnational die Strömungen zusammen kommen zu lassen, die eine konsequent antikapitalistische, anti-staatliche und revolutionäre Perspektive einnehmen. Die entstehende Vernetzung sollte nicht wie so oft mit dem Aktionstag wieder zerfallen, sondern als Beginn in einem Aufbauprozess gesehen werden.

 

Dabei sollte es nicht nur um eine Vernetzung für Aktionen gehen, sondern auch um das Entwickeln von Ansätzen, wie eine Bewegung gegen den Kapitalismus enstehen kann, die sich nicht auf symbolischen Protest beschränkt, sondern tatsächlich zur Transfomation und Revolutionierung der Lebensweise auf diesem Planeten in der Lage ist. Die Vereinzelung der (Teilbereichs-)Kämpfe aufzuheben und den Kapitalismus als Ursache hinter vielen Problemen beim Namen zu nennen, kann nur ein Anfang sein.

 

fightcapitalism100%