"Blind Banga" - Maybe I can see again

Stop Racism

Eine Geschichte über Rassismus in Deutschland. Die Geschichte von Bamkali Konateh, der als Mensch ohne Rechte durch den Rassismus deutscher Behörden und Institutionen seine beiden Augen verloren hat und noch immer darum kämpfen muss, zu seinem Recht zu kommen.
Der heute 28-jährige Bamkali Konateh floh mit 17 Jahren vor dem Bürgerkrieg in Sierra Leone nach Deutschland. Als Asylsuchender verschiedenen Flüchtlingslagern im Wartburgkreis in Thüringen zugeteilt, wehrte sich „Banga“ beständig gegen die Residenzpflicht, die dem jungen Afrikaner vorschreiben wollte, er hätte in Thüringer Kleinstädten zu leben.

 

Denn ausser der erdrückenden Monotonie und Perspektivlosigkeit des Lagerlebens am Waldrand, sowie unschönen Begegnungen mit der wenig aufgeschlossenen, wenn nicht offen rassistischen deutschen Bevölkerung, hatte er an diesen Orten auch nichts zu erwarten. So kam es, dass die deutsche Polizei auf ihn aufmerksam wurde. Denn wann immer sie ihn nach ihrem rassistischen Raster kontrollierten, hatte er keinen Pass, sondern eine Duldung für den Wartburgkreis Thüringen in der Tasche. Er wurde ein Dorn im Auge der Ausländerbehörde und Polizei.

 

Am 1. April 2004 nahm in Düsseldorf dann das eigentlich Unfassbare seinen Lauf: Als Banga mit einem Freund zu einem Call-Center unterwegs war, wurde er von 4 Kriminalpolizeibeamten In Zivil angegriffen und überwältigt. Am Boden liegend traten und schlugen diese non-stop auf ihn ein. Auf seine Frage, ob sie ihn umbringen wollten, antworteten diese nur weiter mit Schlägen und Tritten. Er blutete aus Nase und Mund, sein ganzes Gesicht war geschwollen. Als er sich aufrichten wollte, schoß ihm einer der Polizisten eine ganze Kartusche Pfefferspray ins linke Auge. Er schrie. Sein Auge schmerzte, brannte und tränte. Er konnte nichts mehr sehen. Wasser, sehr viel Wasser, vermischt mit Blut, lief aus ihm heraus. Er wurde in das Polizeiauto gestossen und selbst auf der Fahrt zur Polizeistation noch immer weiter von ihnen geschlagen. Anstatt zu einem Arzt gebracht zu werden, wurde er zum Gerichtsgebäude gefahren. Nach einer Stunde Warten wurde ihm gesagt, er könne jetzt nach Hause gehen.

 

Nach einer Odyssee von einem Heim ins andere, wo er Freunde um Unterstützung bat, einen Arzt zu finden, erreichte er erst 2 ½ Monate später das Flüchtlingslager Geisa, dem er zugewiesen worden war. Dort wurde er endlich von einem Augenarzt untersucht, der ihn sofort in die Augenklinik nach Aachen überwies. 2 Mal wurde er operiert. Danach hatte er zunächst keine Schmerzen mehr, doch er war auf dem einen Auge blind. Als er Ende Juli aus dem Krankenhaus entlassen wurde, sollte er 8 Wochen später zur Nachsorgeuntersuchung kommen. Doch einen Tag vor dem Termin in der Augenklinik kam die Polizei nach Geisa, fesselte ihn und nahm ihn mit zur Polizeistation, um ihn am nächsten Tag einem Richter vorzuführen. Er müsse wegen dem Vorfall am 1. April nach Düsseldorf ins Gefängnis. Über Düsseldorf wurde er in die JVA Wuppertal gebracht. Dort wurde ihm erst 2 ½ Wochen später erlaubt, einen Arzt zu sehen. Er versprach ihm ein neues Auge, mit dem er wieder sehen könnte. Am nächsten Tag wurde er schnell in ein Krankenhaus und nach der Operation gleich wieder zurück in den Knast gebracht. Doch unter dem Verband war kein neues Auge. 2 Wochen später bekam er ein Glasauge verpasst.

 

Als er im Juli 2008 seine Duldung verlängern wollte, rief Herr Müller von der Ausländerbehörde Wartburgkreis die Polizei. Wegen Verstössen gegen die Residenzpflicht und der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln ohne Ticket wurde er für 2 Monate in die JVA Goldlauter in Suhl gebracht. Wegen einer noch offenen Bewährung aus Düsseldorf musste er danach noch weitere 9 Monate absitzen. Nach 10 Monaten Knast wurde Banga zuckerkrank. Sein rechtes Auge sollte operiert werden, damit sein einziges Auge später nicht auch noch erblinden würde. Doch nach der verpfuschten Operation in der Augenklinik in Erlangen sah Banga nichts mehr. Nur Licht konnte er noch erkennen. Nach weiteren mißglückten Operationen war er ab dem 17. Dezember 2009 vollständig erblindet.

 

Im Lager in Gerstungen bekam er keinerlei Hilfe angeboten. Die Ausländerbehörde und das Sozialamt in Bad Salzungen waren nur bereit, das unbedingt Notwendige für ihn zu organisieren. Sie wollten ihn nur abschieben. Bis auf die Insulininjektion und Medikamentengabe durch die Sozialstation und ein von einer Cateringfirma geliefertes warmes Essen pro Tag war Banga völlig auf sich allein gestellt. So passierte es, dass Banga des Öfteren stürzte und sich verletzte. Die Situation war unerträglich. Jeden Tag saß er in seinem Sessel in seinem Zimmer und wartete.

 

Als The Voice im September 2010 von seinem Fall erfuhr, konnte ihm ein Anwalt vermittelt werden. Seine permanent drohende Abschiebung wurde ausgesetzt und er bekam einen Aufenthalt nach §60 Abs. 7.1 zuerkannt. Durch den öffentlichen Druck wurde er weitere 2 Male in der Augenklinik in Erlangen operiert. Mit einer neuen Hornhaut und einer neuen Linse konnte Banga wieder Helligkeit, Dunkelheit und Farben wahrnehmen. Auch Blindengeld hatte er beantragt. Doch dies wurde in voller Höhe von 2.970,- € vom August 2010 bis Juni 2011 vom Versorgungsamt unterschlagen, indem sie es rechtswidrig als Einkommen anrechneten.

 

Am 17. Juni 2011 wurde Banga von Herrn Müller eine Fiktionsbescheinigung ohne Photo für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 erteilt. Herr Blaufuß vom Versorgungsamt kündigte daraufhin alle Verträge, auch für die Sozialstation und das Cateringunternehmen. Banga sollte zum 30. Juni 2011 das Heim verlassen. Ein blinder, diabetiskranker Mensch sollte ohne Unterstützung auf die Straße gesetzt werden.

 

Durch das Öffentlichmachen seiner Geschichte durch The Voice hatte sich in den Monaten zuvor schon eine Unterstützer_innengruppe in Berlin gefunden. So wurde er am 30. Juni von Leuten abgeholt, um nach Berlin in eine eigene kleine Wohnung zu ziehen. Von seinen neuen Mitbewohner_innen und einer Sozialstation konnte er wieder medizinisch versorgt werden. Er konnte ALG II beantragen und bei der Techniker Krankenversicherung aufgenommen werden.

 

Doch da seine Fiktionsbescheinigung zum 31. September auslief, fuhr Banga am 15. September mit 3 seiner Unterstützer_innen nach Bad Salzungen zur Ausländerbehörde. Herr Müller stellte ihm aufgrund einer übersehenen Ausweisung im Jahr 2006 einen Ersatzausweis mit einer Aufenthaltserlaubnis nach §25 Abs. 5 aus, für die er trotz Bangas schwerer Sehbehinderung eine Wohnsitzauflage für das Land Thüringen verfügte. Mit seinem Anwalt für Ausländerrecht legte Banga einen Widerspruch gegen diese Auflage ein, wodurch er durch die aufschiebende Wirkung weiterhin legal in Berlin wohnen bleiben konnte. Nur konnte Banga keine Leistungen nach dem SGB XII mehr beantragen, sondern war zur Sicherung seines Lebensunterhalts und seiner medizinischen Versorgung wieder auf Asylbewerberleistungen angewiesen. Doch das Sozialamt Marzahn-Hellersdorf ließ sich Zeit. Am 16. November entschied das Sozialgericht Berlin in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren, dass Marzahn-Hellersdorf zuständig sei. Doch Herr Deift von der Rechtsabteilung des Sozialamts legte Beschwerde ein und versteift sich seitdem darauf, dass Banga unrechtmäßig in Berlin sei und nicht Marzahn-Hellersdorf, sondern der Wartburgkreis Thüringen zuständig sei. Nach einem Beschluss des Landessozialgerichts am 20. Dezember 2011 wurden die kurzzeitig gewährten Leistungen wieder aufgehoben. Banga sollte nach Thüringen zurückkehren und bekommt seit Januar 2012 keine Leistungen mehr. Seine Anwältin für Sozialrecht eröffnete indessen ein weiteres einstweiliges Rechtsschutzverfahren und eine Klage beim Sozialgericht Berlin.

 

Auch in Bezug auf seine Krankenversicherung schwebt Banga in einem Zuständigkeitsloch. Weil das Sozialamt Marzahn-Hellersdorf auch die bereits zugesagten Beiträge von Oktober bis Dezember 2011 bis dato nicht an die TK überwiesen hatte, soll sein Leistungsanspruch nun ab dem 9. März 2012 ruhen. Damit ist seine medizinische Versorgung wieder äußerst prekär. Dass Banga von einer Sozialstation versorgt werden muss und regelmäßig zu Nachsorgeuntersuchungen in der Augenklinik der Charite vorbeikommen und darüberhinaus mindestes 1 – 2 Mal im Quartal zu einer Kontrolluntersuchung seiner Diabetisärztin und seines Augenarztes muss, scheint beiden sich um die Zuständigkeit zankenden Sozialämtern, als auch den Richtern des Sozial- und Landessozialgerichts Berlin vollkommen egal zu sein.

 

Wir fordern die Streichung der Wohnsitzauflage aus Bangas Ersatzausweis und darüberhinaus die Erstellung eines Reiseersatzausweises für „Ausländer“!

 

Wir fordern, dass das Sozialamt Marzahn-Hellersdorf endlich seine Zuständigkeit einsieht, Banga seine zustehenden Leistungen in vollem Umfang auszahlt und endlich die ausstehenden Krankenkassenbeiträge bezahlt!

 

Wir fordern, dass das Versorgungsamt Wartburgkreis Banga sein zustehendes und rechtswidrig unterschlagenes Blindengeld in voller Höhe ausbezahlt!

 

FREEDOM OF MOVEMENT IS EVERYBODY'S RIGHT!

 

Für Solidaritätsbekundungen sind hier die Hauptverantwortlichen der Misere aufgelistet:

 

Herr Müller – Ausländerbehörde Wartburgkreis
Telefon: 03695 615934, Telefax: 03695 615997, email: ordnung@wartburgkreis.de

 

Herr Blaufuß – Versorgungsamt Wartburgkreis
Telefon: 03695 617521, Telefax: 03695 617599
email: versorgungsamt@wartburgkreis.de

 

Herr Deift – Rechtsstelle des Sozialamts Marzahn-Hellersdorf
Telefon: 030 90293 4390, Telefax: 030 90293 4415
email: Alexander.Deift@BA-MH.Verwalt-Berlin.de

 


 

Eine längere, detailliertere Version von Bangas Geschichte findet ihr hier: