In der Nacht auf den 13. Februar verteilten Antifaschist_Innen in Speyer 1 000 Flugblätter zu den "Dresdener Aktionswochen". Das Flugblatt zu den deutschen Opfermythen widerlegte zunächst die völlig überhöhte Opferzahl des Bombardements, thematisierte die Kriminalisierung des antifaschistischen Widerstandes und ging auf die Entwicklung des Neofaschismus' in Europa ein. Darüber hinaus wurde deutlich, was die Aktivist_Innen von dem jährlichen Geschichtsrevisionismus und den Opfermythen halten:
"Wir wissen aus der Geschichte, dass vor diesem Ereignis in Deutschland erst Bücher brannten, dann Synagogen und schließlich deutsche Bomben auf Gernika, Rotterdamm und Coventry fielen. Die Nazis haben sechs Millionen Juden/Jüdinnen, Behinderte, Migrant_Innen, Homosexuelle, Sinti und Roma und alle diejenigen, die nicht in ihr Weltbild gepasst haben verfolgt, gequält und brutal ermordet. Sie allein tragen die Verantwortung dafür, dass im zweiten Weltkrieg mindestens 60 000 000 (!) Menschen gestorben sind. Die Ereignisse vom 13. bis zum 15. Februar 1945 sind deshalb kein Grund aus den deutschen Tätern Opfer zu machen. Es ist heuchlerisch und zynisch, wenn die neuen Nazis das beklagen, was ihre geistigen Ziehväter angerichtet haben."
Weitere motivierte Antifaschist_Innen hingen in der Nacht vom 12. auf den 13. Februar zwei Transparente mit der Aufschrift "Speyer nazifrei" und "dt. Täter sind keine Opfer" an eine Brücke in Speyer.
Im Folgenden das Flugblatt:
Liebe Bürgerinnen und Bürger,
in den letzten Wochen verteilten Neofaschist_Innen in Speyer und Frankenthal Flugblätter, die sich thematisch mit dem Bombardement von Dresden vom 13. bis zum 15. Februar 1945 auseinandersetzen. Gleichzeitig werben sie für die geplanten Neonazi-Aufmärsche in diesem Jahr. Systematisch wird versucht, die deutsche Kriegsschuld und die Verbrechen der Nazis zu relativieren, indem aus den deutschen Täter_Innen Opfer gemacht werden. Eine Gegendarstellung.
Im Dritten Reich war Dresden im Februar 1945 die letzte intakte militärische Ausrüstungsstadt hinter der Ostfront. Dresden besaß Kasernenkomplexe, militärische Versorgungseinrichtungen, die Offizierschule des Heeres und war ein wichtiger Eisenbahnknoten der Rüstungsindustrie. Ab 1938 gaben in der Frauenkirche die Hitler-treuen und antisemitischen Deutschen Christ_Innen den Ton an.
Vom 13. bis zum 15. Februar wurde die Stadt von britischen und amerikanischen Bombern massiv angegriffen. "Die Autonomen Nationalisten Vorderpfalz" und weitere neofaschistische Gruppierungen behaupten, bei diesem Angriff wären 300 000 Menschen ums Leben gekommen. Dies behaupten auch zahlreiche Holocaustleugner_Innen und die Behörden im dritten Reich. Die tatsächliche Opferzahl war jedoch auf Grund von fehlenden oder gefälschten Angaben sehr schwierig zu bestimmen. Deshalb wurde 2004 eine Historiker_Innenkommission von der Stadt Dresden beauftragt, die zu folgendem Ergebnis kam: Es kamen zwischen 23 000 und 25 000 Menschen ums Leben. Andere Zahlen sind weder durch Dokumente, Erinnerungen und Statistiken, noch vom historischen Verlauf der Luftangriffe her belegbar.
Mit diesen überhöhten Opferzahlen wird nun jedes Jahr Geschichtsverfälschung und -umdeutung betrieben. Selbstverständlich sind zivile Opfer immer zu bedauern und sicherlich lässt sich darüber streiten, ob die Flächenbombardements die beste Lösung zur Brechung des militärischen und zivilen Widerstandes der Bevölkerung in Dresden waren. Wir wissen jedoch aus der Geschichte, dass vor diesem Ereignis in Deutschland erst Bücher brannten, dann Synagogen und schließlich deutsche Bomben auf Gernika, Rotterdamm und Coventry fielen. Die Nazis haben sechs Millionen Juden/Jüdinnen, Behinderte, Migrant_Innen, Homosexuelle, Sinti und Roma und alle diejenigen, die nicht in ihr Weltbild gepasst haben verfolgt, gequält und brutal ermordet. Sie allein tragen die Verantwortung dafür, dass im zweiten Weltkrieg mindestens 60 000 000 (!) Menschen gestorben sind. Die Ereignisse vom 13. bis zum 15. Februar 1945 sind deshalb kein Grund aus den deutschen Täter_Innen Opfer zu machen. Es ist heuchlerisch und zynisch, wenn die neuen Nazis das beklagen, was ihre geistigen Ziehväter angerichtet haben.
Dennoch finden seit dem Jahr 2000 jährlich von Neofaschist_Innen organisierte "Trauermärsche" statt, was der rechten Szene enormen Auftrieb verleiht. In manchen Jahren demonstrierten knapp 6 500 Neofaschist_Innen in Dresden. Die "Trauermärsche" waren zeitweise somit die größten Aufmärsche von Neonazis in Europa – und das in Deutschland. Seit 2010 wird dieser Aufmarsch durch vielfältige Blockadeaktionen von mehr als 20 000 Menschen verhindert. Viele dieser Menschen und allen voran das Bündnis "Dresden Nazifrei" werden seitdem mit Hausdurchsuchungen, Gerichtsverfahren und weiteren Repressionsmethoden von Seiten des Staates kriminalisiert und eingeschüchtert.
Europaweit sind die Rechten wieder auf dem Vormarsch. In den Niederlanden gehören die Rechtspopulist_Innen zu den vier größten Parteien. In Belgien geht die zweitgrößte Fraktion im flämischen Parlament aus einer Partei hervor, die zuvor wegen ihrer rassistischen Veranlagung aufgelöst wurde. In Norwegen erreichte die von einem Hitler-Vehrerer gegründete Partei 2009 23% der Wählerstimmen. In Lettland regieren die Rassist_Innen mit, in Ungarn liegen sie nur knapp hinter den Sozialdemokraten. In Schweden haben die "Schwedendemokraten" 20 Sitze im neuen Parlament besetzt. Die 1988 gegründete Partei hat Verbindungen zu neonazistischen Organisationen.
In Deutschland töteten die Neofaschist_Innen ab 1990 bis zu 181 Menschen. Es gibt Berichte über Dörfer in Ostdeutschland, in denen Wegweiser zum Geburtsort von Adolf Hitler zeigen, Schießübungen im Wald getätigt werden, jedes Jahr Adolf Hitlers Geburtstag gefeiert wird und Andersdenkende mit Brandanschlägen eingeschüchtert werden. Gleichzeitig wird der Widerstand gegen die Faschist_Innen durch die Extremismusthese mit deren Handeln und Denken gleichgesetzt. Die Chronik des Verfassungsschutzes zeigt, dass einerseits Führungskader wie Hubert Schrübbers in die Verbrechen des dritten Reiches involviert waren, andererseits die rechte Szene sogar mit Geldern dieser fragwürdigen Behörde ausgestattet wurde. Die NSU ist nur die Spitze des Eisbergs.
Kann man tatenlos zusehen, wenn die Feind_Innen der Demokratie deren Freiheiten ausnutzen? Sollte der/die BürgerIn nicht aktiv werden, wo sich der Staat neutral verhält. Und sollte der/die Bürger/in nicht gerade dann aktiv werden, wenn man staatlichen Behörden längst nicht mehr vertrauen kann oder gerade Verteidiger_Innen der Demokratie von diesen auf die Anklagebank gesetzt werden? Zur Demokratie gehört auch dazu, dass die Bürger_Innen geschriebenes Recht immer wieder in Frage stellen. Wir fordern deshalb die Bürger_Innen zum aktiven Widerstand gegen die Faschist_Innen auf! Hierbei reicht symbolischer Protest nicht aus. Ein konsequenter Antifaschismus verlangt direkte Aktionen, die jegliches Handeln der Rassist_Innen unterbinden.
"Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist.
Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Sozialdemokrat.
Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Gewerkschafter.
Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte." Martin Niemöller
Melden Sie Naziaktivitäten an die lokalen Antifagruppen!
Nazis blockieren - in der Vorderpfalz, in Dresden und überall!
Antifaschist_Innen aus der Umgebung