Wieder ist ein grenzüberschreitender Spitzel-Stammtisch aufgeflogen: Seit 2007 treffen sich verdeckte Ermittler in der "International Working Group on Undercover Policing"
Bereits letztes Jahr haben mehrere parlamentarische Nachfragen ergeben, dass sich das Bundeskriminalamt seit zehn Jahren in einer "European Cooperation Group on Undercover Activities" (ECG) zum internationalen Einsatz und Austausch von verdeckten Ermittlern organisiert. Auch das Zollkriminalamt ist bei dem Spitzel-Stammtisch vertreten (Spitzel aller Länder [1]).
Die Existenz der Arbeitsgruppe war bis dahin nicht einmal Abgeordneten bekannt. Erst auf Nachfrage erklärte [2] die Bundesregierung, dass sie zur "Professionalisierung und Koordinierung der internationalen Zusammenarbeit" eingerichtet wurde. Als eines der "Hauptthemenfelder" gilt die Bekämpfung "politisch motivierter" Kriminalität (Mit falschen Papieren gegen "Euro-Anarchisten" [3]).
Der "European Cooperation Group on Undercover Activities" gehören fast alle EU-Mitgliedstaaten an, nach Auskunft der Bundesregierung ohne Griechenland, Irland, Luxemburg, Malta und Zypern. Doch auch Polizeien von Regierungen außerhalb der EU sind vertreten, darunter Albanien, Kroatien, Mazedonien, Norwegen, Russland, Schweiz, Serbien, Türkei und die Ukraine.
"Firmen aus dem Bereich der Sicherheitstechnik und -logistik"
Jetzt hat die Bundesregierung auf Nachfrage [4] die Existenz einer noch weiter gehenden Arbeitsgruppe zu verdeckten Ermittlungen bestätigt. Demnach trifft sich seit 2007 eine "International Working Group on Police Undercover Activities" (IWG), an der auch Polizeibehörden aus Australien, Kanada, Israel, Neuseeland, Südafrika und den USA teilnehmen. Aus Deutschland sind wieder das Bundeskriminalamt und das Zollkriminalamt beteiligt. Anders als bei dem europäischen Zusammenschluss war auch die Polizeiorganisation Interpol "bei einigen Sitzungen" zugegen.
Bezüglich der ECG hatte die Bundesregierung erklärt [5], dass auch Europol nicht beteiligt sei, ebenso seien keine "privatrechtliche Organisationen" eingebunden. Ganz anders bei dem internationalen Spitzelstammtisch mit Polizeien aus Übersee: Hier waren demnach auch "private Firmen aus dem Bereich der Sicherheitstechnik und -logistik eingeladen". Auch Forschungseinrichtungen haben sich demnach mit den Polizeien getroffen. Um welche Firmen bzw. Institute es sich handelt, bleibt zunächst offen. Unter Umständen könnte es dabei um Überwachungstechnologie gehen, wie sie aus Einsätzen aufgeflogener britischer oder österreichischer Spitzel bekannt wurde: Im Raum geführte Gespräche wurden durch die Führer der Spitzel mitgehört und aufgezeichnet (Munteres internationales Spitzeltreiben [6]). In der Antwort auf die schriftliche Frage wird auch von "Kriminaltechnik" berichtet, über die sich ausgetauscht worden sei.
Als Zweck der bislang sieben Sitzungen der IWG gibt die Bundesregierung einen "Erfahrungsaustausch in allen Angelegenheiten des verdeckten Einsatzes von Polizeibeamten" an, der anhand der "Darstellung von hervorhebenswerten Einzelsachverhalten" vorgenommen wurde. Mit dieser Formulierung hatte das Innenministerium bereits geleugnet, dass sich die heimlichen Arbeitsgruppen auch mit konkreten Auslandseinsätzen der Agenten befassen, etwa des britischen Ermittlers Mark Kennedy in Deutschland oder des Spätzle-Spitzels Simon Bromma [7] in Belgien. Dies dürfte jedoch eher eine Nebelkerze darstellen: Es kann durchaus angenommen werden, dass die Treffen der Anbahnung von Kontakten diente, die für konkrete Einsätze herangenommen wurden.
Sekretariat für "Tarnidentitäten"
Auf EU-Ebene setzen sich Deutschland und Großbritannien dafür ein, verdeckte Ermittlungen möglichst weiterhin unter größter Geheimhaltung der Klarnamen der Spitzel zu organisieren (Telekommunikationsüberwachung wird grenzenlos [8]). Auch lange nach Ende der Maßnahmen soll ihr Name selbst vor Gericht nicht genannt werden.
Um die nötige Heimlichtuerei grenzüberschreitend zu vereinfachen, hat die internationale Arbeitsgruppe ein "International Business Secretariat" (IBS) gegründet. Hier werden gewissermaßen die falschen Pässe gehandelt. Laut Bundesregierung beschäftigt sich das IBS mit "Fragestellungen aus dem Bereich der Legendierung", also den "Tarnidentitäten zu Einsatzzwecken".
Mit Arbeitsgruppen wie der "European Cooperation Group on Undercover Activities" und der "International Working Group on Undercover Policing" hat sich auf internationaler Ebene ein geheimes Polizeinetzwerk etabliert, das sich zunehmend als unkontrollierbar erweist. Auch zu Überwachungstechnologie ("Cross-Border Surveillance Working Group") oder dem Einsatz von Trojanern ("Remote Forensic Software User Group") existieren ähnliche Zusammenschlüsse, in denen teilweise das deutsche Bundeskriminalamt federführend ist (Internationaler Trojaner-Stammtisch [9]).
Dabei bedienen sich die heimlich agierenden Polizisten eines Tricks: Die ECG ist beispielsweise laut Bundesregierung "bei keiner nationalen oder zwischenstaatlichen Institution/Behörde angegliedert". Hierdurch ist sie weder der Europäischen Union noch einer anderen demokratisch legitimierten Institution rechenschaftspflichtig. Auch die Gründung der "International Working Group on Undercover Policing" dürfte ohne ein politisches Mandat erfolgt sein.
Matthias Monroy 01.02.2012
Links
[1] http://www.heise.de/tp/artikel/34/34733/1.html
[2] http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/057/1705736.pdf
[3] http://www.heise.de/tp/artikel/34/34241/1.html
[4] http://www.bundestag.de/dokumente/protokolle/plenarprotokolle/17154.pdf
[5] http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/053/1705370.pdf
[6] http://www.heise.de/tp/artikel/34/34998/1.html
[7] http://spitzelklage.blogsport.de
[8] http://www.heise.de/tp/artikel/36/36084/1.html
[9] http://www.heise.de/tp/artikel/35/35805/1.html