Ein Jahr "arabischer Aufstand" - Bullen und Militär stürmen den Tahrir

25. Januar 2012 - Coming Soon

Vor genau einem Jahr begann der arabische Aufstand.

Auslöser war die Selbstverbrennung des tunesichen Gemüsehändlers Mohamed Bouazizi am 17. Dezember 2010 in Sidi Bouzid. Was wie eine der seit Jahrzehnten immer wieder aufflackernden Revolten im Magreb begann, veränderte in den folgenden Monaten komplett die politische Landkarte der arabischen Welt.

 

Ben Ali und Mubarak sind ebenso Geschichte wie der Gadaffi Clan, Assad II steht trotz täglicher Massaker an Demonstranten mit dem Rücken an der Wand. In Bahrain flammen die Protesten auch nach der militärischen Intervention des Golfkooperationsrates immer wieder aufs neue auf.
Selbst Saleh musste sich beugen und seinen Rücktritt erklären. Gegen die Deals, die ihm Straffreiheit garantieren und Teile der alten Cliquen weiterhin an der Macht beteiligen, demonstrieren nach wie vor jede Woche Hunderttausende, auch wenn die westlichen Medien darüber praktisch nicht berichten.

 

Die Militärjunta in Ägypten begeht den Jahrestag auf ihre Weise.

 

Schwarze Rauchschwaden steigen über dem Tahrir auf, Soldaten und Militärpolizisten haben die Zelte der Protestierenden in Brand gesetzt. Wer es nicht geschafft hat, sich rechtzeitig vor der Soldateska in Sicherheit zu bringen wird niedergenüppelt. Minutenlang schlagen Bullen und Soldaten auf wehrlos am Boden liegende Menschen ein, von denen man nicht weiß, ob sie schon bewußtlos oder gar tot sind.

Die Auseinandersetzungen begannen gestern (Freitag) Nachmittag gegen 16.00 Ortszeit vor dem Sitz des Ministerpräsidenten. Ausgehend von den Protesten im November, an denen sich erneut Hunderttausende beteiligt hatten und in deren Verlauf dutzende Menschen von den „Sicherheitskräften“ umgebracht wurden, hatte sich ein kleines Protestlager vor dem Gebäude etabliert.
In den letzten Wochen war die Lage rund um dieses Protestcamp ruhig geblieben.
Der aktuelle Ministerpräsident Ganzouri, der in den 90igern auch schon Ministerpräsident unter Mubarak war, ist von der Militärjunta ernannt worden. Dagegen richtete sich das Protestcamp, dass die Forderungen nach einem vollständigen Rückzug des Militärats aus der Politik repräsentierte.

Am Freitagnachmittag kehrte ein Demonstrant, einige Stunden, nachdem er das Camp verlassen hatte, zurück, und berichtete von seiner Festnahme. Er war brutal misshandelt und mit Elektroschocks gefoltert worden. In der Folge brachen heftige Kämpfe vor dem Sitz des Ministerpräsidenten aus.
Unterstützer eilten herbei, als sich die Nachrichten von den Zusammenstössen mit den „Sicherheitskräften“ verbreiteten Die Menge kämpfte mit Steinen und Mollis gegen die Soldaten und Bullen, die mit ihren Fahrzeugen in die Menge rasten und die Demonstranten von den Dächern des Regierungsgebäudes aus mit Steinen bewarfen. Auch wurde erneut mit scharfer Munition geschossen.

Auch auf dem nahe gelegenden Tahrir Platz versammelten sich ebenfalls Demonstranten, eine neue Zeltstadt war im entstehen. Die gestrigen Kämpfe zogen sich über Stunden hin, zwei Regierungsgebäude wurden dabei in Brand gesetzt.
Bisher gibt es (bestätigt) neun tote Demonstranten, hunderte sind verletzt, viele wurden festgenommen.

Heute nun also hat die Militärjunta auf dem Tahrir ihre Macht demonstriert. Aktivisten berichten von Soldaten und Militärbullen, die mit Victoryzeichen posierten. Die Einschätzung der Gefährten aus Kairo auf ihrem blog egypt spring ist entsprechend düster: “ the movement is isolated, the new old rulers are ready to attack and destroy it. It seems they finally feel safe enough to take revenge.“
Der Aktivist Hani Schukralla analysiert: „Der Oberste Militärrat ertränkt Ägyptens Revolution im Blut. Es zeichnet sich eine Allianz der Konterrevolutionäre ab: Militär, Polizei, Islamisten und die Überbleibsel des Regimes von Husni Mubarak.“

Der Ministerpräsident schob unterdessen die Schuld für die erneute Eskalation auf „vom Ausland gesteuerte Feinde der ägyptischen Revolution“, während heute die zweite Runde der landesweiten Wahlen angelaufen ist.
Im Moment (Samstagnachmittag) herrscht eine gespenstische Ruhe am Tahrir. Das Militär kontrolliert alle Zufahrtsstrassen, es wurde Stacheldraht ausgerollt.

 

Schwere Zeiten für unsere ägyptischen Gefährten, bei denen in diesen Stunden unsere Herzen und Gedanken sind.

 

Einen ersten Bericht aus Kairo in englisch findet ihr auf http://egyptianspring.blogsport.de/

 

Einen ausführlichen Bericht von al jezeera von heute Mittag unter http://www.youtube.com/watch?v=N0I6o69WWEk

 

 

Erstellt von recherchegruppe aufstand http://uprising.blogsport.de/