Zwickauer Terrorzelle: Auch im Saarland wollte niemand an Neonazis glauben

So sah es nach dem Anschlag auf die Wehrmachtsausstellung in Saarbrücken aus (Archivbild von 1999)
Erstveröffentlicht: 
03.12.2011

Die Thüringer Rechtsterroristen haben offenbar auch im Saarland mehrere Anschläge verübt. Wie bei den Morden der Gruppe wurde auch dort zunächst ein Opfer verdächtigt.

In den frühen Morgenstunden des 5. August 2007 roch Recep Ünsal Rauch. Der damals 35-Jährige rettete sich mit seiner schwangeren Frau und den Kindern mühsam über die Feuerleiter. Eindeutig Brandstiftung, schrieb die Polizei später in ihren Bericht.

 

Einen Täter fand sie nicht – aber an ein fremdenfeindliches Motiv wollten die Fahnder auch nicht glauben. Dabei brannten in derselben Nacht im saarländischen Stahlarbeiterstädtchen Völklingen noch zwei weitere Häuser von Migranten oder Ausländern.

 

Außerdem war bekannt, wie aktiv die rechte Szene in der Region war. Im Stadtrat von Völklingen sitzen bis heute zwei Mitglieder der NPD, darunter der Pressesprecher der Bundespartei, Frank Franz.

Die „Sturmdivision Saar“ aus dem Nachbarkreis Saarlouis schmiert oft Hakenkreuze an Wände, selbst von Kindergärten, die gewaltbereite Skinhead- und Kameradschaftsszene im kleinsten Flächenland Deutschlands wurde zu jener Zeit auf immerhin 170 Personen geschätzt.

 

Sprengsatz bei der Wehrmachtsausstellung

Dennoch wollten die Ermittler nicht genauer in die rechte Ecke schauen. Das war offenkundig ein schweres Versäumnis. Denn womöglich hatte die Zwickauer Terrorzelle ihre Finger bei den Brandanschlägen im Spiel.

Auch könnten sie 1999 in Saarbrücken einen Sprengsatz in der heftig diskutierten Wehrmachtsausstellung gezündet haben. Damals hatte ein Rundfunkmitarbeiter ausgesagt, nach dem Anschlag hätten sich zwei Männer und eine junge Frau mit dem Anschlag „gebrüstet“. Die Spur wurde offenbar nicht weiter verfolgt. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft aufs Neue.

 

Der Verdacht richtet sich aber vor allem auf die Zwickauer Gruppe, weil die Völklinger Selimiye-Moschee laut „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ eine jener Hass-DVDs erhalten hat, wie sie Beate Zschäpe nach dem Tod ihrer Komplizen an verschiedene Medien und Organisationen verschickte.

Das Bundeskriminalamt untersucht, ob die inhaftierte Terroristin die DVD tatsächlich selbst an die türkisch-islamische Gemeinde adressiert hat. Der Datenträger soll dem „Saarländischen Rundfunk“ zufolge nämlich denselben Inhalt zeigen wie die anderen Exemplare.

 

BKA schließt auch Trittbrettfahrer nicht aus

Es gibt also offenbar keine Hinweise auf Taten des Trios im Saarland, weder auf die Brandserie in Völklingen noch auf einen 1999 verübten Anschlag auf die Saarbrücker Wehrmachtsausstellung. Das BKA schließt daher einen Trittbrettfahrer nicht aus, der sich die Daten aus dem Internet heruntergeladen und verschickt hat. Das wäre allerdings auch kein Grund zur Entwarnung – im Gegenteil.

Zwischen 2006 und September 2011 wurden im gerade mal 40.000 Einwohner großen Völklingen, das schwer unter der Montankrise und Arbeitslosigkeit leidet, bei zehn Brandanschlägen 20 Migranten oder Ausländer verletzt, ohne dass die Polizei bisher einen Täter präsentieren konnte.

 

Recep Ünsal traf der Hass der Attentäter sogar zwei Mal. Seine Wohnung ging im September 2010 noch einmal in Flammen auf. Doch wieder urteilte die Polizei: „Kein Hinweis auf einen fremdenfeindlichen Hintergrund“. Ünsals Anwalt Thomas Lomberg kritisierte damals in der „Saarbrücker Zeitung“, es sei „sehr verwunderlich“, wie schnell solche Motive beiseite geschoben wurden.

 

Türkischstämmiger Mann unter Verdacht

Stattdessen geriet der türkischstämmige Mann selbst unter Verdacht. Ein Informant habe ausgesagt, Ünsal habe die Brände selbst in Auftrag gegeben, lautete die Begründung für eine Überwachungsaktion von Telefon und Konto, die nichts ergab.

Ähnlich erging es vielen Familien der Opfer, die offenbar vom Zwickauer Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) ermordet wurden. Auch hier vermuteten die Ermittler, dass die Männer wegen eigener krimineller Verwicklungen starben.

Dabei hatte der Verfassungsschutz geglaubt, dass die rechte Szene an der Saar schrumpfe. Die Ermittler gehen noch von 340 Angehörigen aus, vor vier Jahren seien es 470 gewesen. Zu Skinheads und Kameradschaften sollen etwa 100 Personen gehören, vor allem Männer. Doch die Verfassungsschützer berichten auch von einem subtileren Erscheinungsbild: Anzug und Krawatte statt Bomberjacke und Springerstiefel.

 

Terror-Trio entwirft Nazi-Monopoly

Das Thüringer Neonazi-Trio hat nach einem Zeitungsbericht vor seinem Abtauchen ein antisemitisches Monopoly-Spiel entworfen und herstellen lassen. Der Erlös aus dem Verkauf in der Neonazi-Szene sollte dem Lebensunterhalt der Terroristen in der Illegalität dienen, berichtet die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“, die sich dabei auf den Thüringer Verfassungsschutz beruft.

Die Einnahmen seien aber nicht angekommen, da ein Gesinnungsgenosse aus der Kameradschaft Jena sie nicht weitergeleitet habe. Der Verfassungsschutz habe das Spiel später erwerben lassen, um Informationen über die 1998 Untergetauchten zu bekommen.

Die mutmaßlichen Terroristen sollen sich in Telefonaten beschwert haben, dass kein Geld ankam. Als Verkäufer des Spiels gilt demnach der bislang nicht festgenommene Andre K., einer der engsten Vertrauten des Trios aus der Kameradschaft Jena.

Dem Bericht zufolge soll besonders die inhaftierte Überlebende des Trios, Beate Zschäpe, das mit nationalsozialistischen Symbolen gespickte Spiel gespielt haben. Der Verfassungsschutz habe es später als Anschauungsmaterial für rechtsextreme Propaganda verwendet. Eine Bestätigung der Behörde war am Samstag zunächst nicht zu erhalten.

 

Mit Material von dpa