Heftige Kämpfe in Kairo, Suez, Alexandria...

recherchejournal zum aufstand

Nachdem am Freitag zehntausende Menschen auf dem Tahrir demonstriert hatten, waren einige hundert Aktivisten über Nacht geblieben und hatten erneut Zelte auf dem Platz aufgeschlagen (Genau dies hatten die „Sicherheitskräfte“ seit Wochen mit masssiven Kontrollen zu verhindern versucht).

Zu der Kundgebung am Freitag hatten sowohl die „islamischen Gruppen“ als auch einige liberale und linken Gruppen aufgerufen. Am Samstagmorgen wurden die Demonstranten auf dem Tahrir massiv angegriffen. Wie fast immer in letzter Zeit erfolgte die erste Angriffswelle durch bezahlte Schläger, dann rückten die „Sicherheitskräfte“ vor.

 

Als sich die Nachricht über den Angriff in Kairo verbreitete, eilten Tausende zur Unterstützung der Demonstranten herbei. Rund um den Platz wurden Barrikaden errichtet, es kam zu stundenlangen Strassenschlachten, bei denen ein Mensch erschossen wurde. Auch in anderen ägyptischen Städten kam es zu massiven Protesten, in Suez wurden zwei Demonstranten erschossen, als eine wütende Menge ein Gebäude des „Sicherheitsdienstes“ mit Steinen bewarf, in Alexandria zündeten Demonstranten ein Polizeigebäude an, hier griff ebenfalls das Militär ein.

 

Führende „islamische Anführer“, wie die Sprecher der Moslembrüder, haben die Menschen dazu aufgerufen, jetzt nicht zum Tahrir zu kommen, aber auch Repräsentanten der „Bewegung des 6. April“ haben erklärt, sie würden sich an den Auseinandersetzungen nicht beteiligen und riefen zu einer eigenen Kundgebung erst in der nächsten Woche auf. (Etliche Aktivisten der „Bewegung des 6. April“, die im Frühjahr eine wesentliche Rolle in Organisierung der Proteste gespielt hatte, kandidieren für die anstehenden Wahlen. Es gab auch schon in der Vergangenheit Berichte darüber, dass sie sich z.B. gegen die Streikwelle im Sommer dieses Jahres gestellt hatten.)

 

Die erneute Zuspitzung der Situation geschieht vor dem Hintergrund sich zuspitzender Konflikte zwischen den „islamischen Gruppen“ und dem Militärrat auf der einen und den unverändert miserabelen Lebensbedingungen der Mehrheit der Bevölkerung auf der anderen Seite.

 

Sah es lange so aus, als wenn das auch von den USA massiv unterstützte Agreement zwischen den Moslembrüdern und dem Militär die neue Machtachse in Ägypten repräsentiere, scheint diese Allianz gerade zu zerbrechen.
Das Militär hat überraschend erklärt, sich für unabsehbare Zeit eine Art Vetorecht für die „vitalen Interessen Ägyptens“ betreffende Entscheidungen vorzubehalten. Ebenso signalisierte das Militär, das es nicht bereit sei, bestimmte „westliche“ Standards in der zukünftigen Verfassung zur Disposition zustellen. Der Gestaltungsrahmen einer zukünftigen Regierung , die nach den Wahlen wohl von den „Islamisten“ gestellt werden dürfte, ist damit erheblich eingeengt.

 

Trotz der Abermilliarden, die von den „Ölstaaten“ und dem „Westen“ im Rahmen diverser Programme derzeit nach Ägypten gepumpt werden, hat sich die soziale Situation vieler Ägypter in den letzten Monaten eher verschlechtert. Nachwievor wird überall und immer wieder gestreikt, obwohl dies das Militär mit massiven Strafen bedroht.

Die Korruption hat nicht abgenommen, auf vielen Posten sitzen die alten Figuren, mittlerweile wurde sogar die alte Regierungspartei Mubaraks doch zu den Wahlen zugelassen. Zehntausende Ägypter wurden vor die Militärgerichte gezerrt und sitzen im Gefängnis, es häufen sich die Berichte darüber, dass nach wie vor auf den Polizeiwachen gefoltert wird.

 

Die Wut über all das scheint viele Menschen derzeit wieder auf die Strasse zu treiben. Einige Aktivisten sprechen bereits davon, dass sie sich in die Anfangsphase der „ägyptischen Revolution“ zurück versetzt fühlten. Was an dieser Einschätzung dran ist, werden die nächsten Wochen und Monate zeigen. Ebenso, was für eine Rolle die „islamischen Gruppen“ spielen werden, die nicht als einheitlicher Block zu betrachten sind.

 

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Informationen zu Ägypten in deutsch/ englisch auch auf http://egyptianspring.blogsport.de/