Das Thüringer Landeskriminalamt hatte offenbar kurz nach dem Untertauchen der Jenaer Terror-Zelle im Jahr 1998 die konkrete Möglichkeit für einen Zugriff auf die Gruppe. Nach Informationen des MDR THÜRINGEN lag für einen Zugriff in Chemnitz ein Einsatzplan des Thüringer Spezialeinsatzkommandos (SEK) der Polizei vor. Nach MDR-Recherchen hatten Zielfahnder des Landeskriminalamtes die drei zwischen 1998 und 1999 in Chemnitz aufgespürt. Das SEK wurde daraufhin in Alarmbereitschaft versetzt. Kurz bevor die SEK-Beamten in Richtung Sachsen aufbrechen wollten, wurde der Einsatz abgebrochen. Auch die Zielfahnder sollen auf Weisung des LKA wieder zurückgeholt worden sein.
Beamte beschwerten sich beim Chef
Aus LKA-Kreisen wurde dem MDR THÜRINGEN bestätigt, dass es danach
massive Beschwerden der damals beteiligten Beamten gegenüber der
Amtsleitung gab. Daraufhin soll es ein Gespräch zwischen hohen
Vertretern des Thüringer Innenministeriums und den betroffenen
Polizisten gegeben haben. Ob die Beamten dabei über den Grund des
Abbruchs informiert wurden, ist nicht bekannt.
Der frühere
Verfassungsschutzpräsident Helmut Roewer hatte dem MDR THÜRINGEN gesagt,
dass er vom damaligen Innenminister Richard Dewes den Auftrag erhalten
habe, eine Zielfahndung nach den drei flüchtigen Bombenbauern
einzuleiten. Offen ist, ob zwischen diesem Auftrag an den Geheimdienst
und dem Abbruch der Polizei-Aktion ein Zusammenhang besteht.
LKA: Keine Zugriffspläne
Das Thüringer Landeskriminalamt teilte mit, die Zielfahnder hätten in den Jahren 1999 und 2000 zu keinem Zeitpunkt Kenntnis von dem konkreten Aufenthaltsort der Neonazis gehabt. Deshalb sei auch kein Einsatz eines Spezialeinsatzkommandos für eine Festnahme in Chemnitz geplant gewesen. In einer zweiten Mitteilung ließ das LKA rund eine Stunde später wissen, diese Aussage gelte auch für das Jahr 1998.
Dewes: "Werde keine Stellungnahme abgeben"
Ex-Innenminister Richard Dewes (SPD) sagte auf Anfrage des MDR
THÜRINGEN: "Ich werde keine Stellungnahme dazu abgeben." Als damaliger
Amtsträger habe er "rechtliche Regeln" zu beachten. Diese Fragen müssten
an die Landesregierung gerichtet werden. Dewes kündigte an,
"uneingeschränkt" mit der "Schäfer-Kommission" zusammenzuarbeiten, wenn
das gewünscht sei. Die Kommission unter Leitung des ehemaligen
Bundesrichters Gerhard Schäfer soll die Arbeit von Verfassungsschutz und
anderer Ermittlungsbehörden im Zusammenhang mit dem Untertauchen der
mutmaßlichen rechtsextremen Bombenbauer untersuchen.
Die drei
Rechtsextremisten - zwei Männer und eine Frau aus Jena - waren Ende der
1990er-Jahre ins Visier der Polizei geraten, weil sie im Verdacht
standen, Bombenanschläge vorzubereiten. 1998 tauchten sie unter. Die
beiden Männer nahmen sich der Polizei zufolge am 4. November nach einem
Banküberfall in Eisenach das Leben, ihre Komplizin Beate Z. stellte sich
einige Tage später. Sie sitzt in Untersuchungshaft. Gegen die
36-Jährige wird unter anderem wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in
einer terroristischen Vereinigung ermittelt. Das Trio steht im Verdacht,
in den vergangenen Jahren zehn Menschen ermordet zu haben.