Deutsche Schnüffel-Software Staatstrojaner im Außendienst?

Erstveröffentlicht: 
13.11.2011

Auf deutsche Initiative tauscht sich eine europäische Arbeitsgruppe seit dem Jahr 2008 über Spähsoftware aus. Der Bundestag wurde darüber nicht informiert.

 

BERLIN taz | Zur Entwicklung und Anwendung der umstrittenen Staatstrojaner stimmten sich deutsche Behörden bereits seit 2008 eng mit anderen europäischen Ländern ab. Dabei spielte Deutschland offenbar eine führende Rolle. Das gab die Bundesregierung in einer jetzt veröffentlichten Antwort auf eine Frage des Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko (Linksfraktion) bekannt.

Demnach entstand bereits im Juli 2008 eine informelle europäische Arbeitsgruppe "auf Anregung des Bundeskriminalamtes", wie es in der Antwort heißt. In der inzwischen in "Remote Forensic Software User Group" umbenannten Gruppe tauschten sich deutsche Behörden seit September 2008 zweimal jährlich mit Sicherheitsbehörden aus Belgien, den Niederlanden und der Schweiz aus.

Als "Remote Forensic Software" (RFS) bezeichnen Sicherheitsbehörden staatliche Spähprogramme zur Ausforschung von Computern und Internetkommunikation. Das letzte dieser Treffen soll im April stattgefunden haben. Ein nächstes Treffen der Gruppe ist für Januar 2012 in Belgien geplant.

Konkreter Inhalt der Treffen, heißt es in der Antwort an Hunko, sei etwa der "Sachstands- und Erfahrungsaustausch im Zusammenhang mit der Entwicklung und dem Einsatz der RFS". Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte gegenüber der taz: "Bei den Treffen werden keine konkreten Einsätze abgesprochen oder Amts- oder Rechtshilfeersuchen vorbereitet."

Erst vor wenigen Wochen hatte der Chaos Computer Club (CCC) öffentlich gemacht, dass der Freistaat Bayern Staatstrojaner eingesetzt hatte, die teils grundrechtswidrige Funktionen beinhalteten. So ließen sich mit der Software laut CCC etwa Funktionen nachladen, mit denen Bildschirmfotos erstellt, Dateien von fern gelöscht oder Räume akustisch überwacht werden konnten.

Den Staatstrojaner hatte ursprünglich die hessische Privatfirma "DigiTask" entwickelt. An den Firmennamen angelehnt, nannte sich die europäische Gruppe ursprünglich auch "DigiTask User Group". Nachdem die bedenklichen Fähigkeiten der Software bekannt wurden, hatten die Innenminister von Bund und Ländern beschlossen, den Staatstrojaner künftig vom Bundeskriminalamt entwickeln zu lassen.

 

"Es ist beunruhigend, dass die immer zahlreicher werdenden Details zur polizeilichen Nutzung digitaler Spähwerkzeuge erst durch zähe Recherchen öffentlich werden", sagt der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko. So sei die Existenz der Arbeitsgruppe deutschen Parlamentariern bislang unbekannt gewesen.