Kundgebungen von Nationalist_innen in Russland

"Russischer Marsch"

Kurz vor dem diesjährigen sogenannten „Russischen Marsch“ am 4. November und der Wahl zur Föderalen Duma im Dezember verstärken die Nationalist_innen ihre xenophoben Kampagnen. Am vergangenen Wochenende fanden landesweit Kundgebungen unter dem Motto „Khvatit kormit' Kavkaz“ (Schluß mit der Fütterung von Kaukasier_innen) statt. Außerdem mobilisiert „Russkij Obraz“ (Russische Idee, RO), die „Dvizhenie protiv nelegal'noi immigrazii“ (Bewegung gegen nicht-legale Einwanderung, DPNI) und andere Nationalist_innen zum Gedenken an einen in St. Petersburg getöteten Nazi. Im Zuge der Tötung ruft RO erneut zur Bewaffnung auf.

 

Eigentlich ist es nichts Neues, daß russische Nazis dazu aufrufen sich selbst zu bewaffnen. Insbesondere Autonome Nationalist_innen von RO und nationalistische Knastaktivist_innen von „Russkij Verdikt“ (Russisches Urteil, RV) forcieren spätestens seit dem Prozess gegen Nikita Tichonov und Evgenija Chasis, die wegen des Mordes an Stanislav Markelov und Anastasija Baburova zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt wurden, eine Kampagne zum massenhaften Ankauf von Waffen.

 

Die Mobilisierung und Kampagnenfähigkeit der Nazis scheint allerdings sehr gering zu sein. In mindestens vier Städten kamen insgesamt nur einige Hundert Nationalist_innen zu den Kundgebungen der seit Frühjahr 2011 laufenden anti-kaukasischen Kampagne gegen die Subventionierung der südlichen Republiken durch die russische Regierung. In Moskau waren es, wie der Kommersant' berichtet, gerade einmal 300 Menschen, die sich beteiligten. In St. Petersburg kamen lediglich 100 Nationalist_innen, die sich mit Transparenten auf Kadyrow und seine Geburtstagsshow bezogen (an der sich auch zahlreiche semi-prominente westliche Künstler_innen, wie Seal, Vanessa Mae, Hilary Swank usw. beteiligten) sowie an die Tötung eines Nazis und Fan von „Zenit“ erinnerten.

 

Das heißt, in den beiden größeren Städten waren lediglich 400 Nazis auf der Straße. In Moskau beteiligten sich die üblichen Organisationen. Die Gruppe „Russkoe Obshhestvennoe Dvizhenie“ (Russische gesellschaftliche Bewegung, ROD) war mit Vladimir Tor und Konstantin Krylov gleich mit zwei Vertreter_innen gekommen. Aleksandr Belov Potkin, der ehemalige Chef der verbotenen DPNI, sprach ebenfalls auf der Moskauer Kundgebung. Demushkin, der provokante Schwätzer und bekennende National-Sozialist, war nicht da. Gegen ihn wird aufgrund seiner Äußerungen zum Moskauer „Russischen Marsch“ und insbesondere der Ankündigung diesen auch mit Gewalt durchsetzen zu wollen wegen Volksverhetzung ermittelt.

 

Landesweit kamen weit weniger Nationalist_innen als in Moskau und St. Petersburg. Es waren lediglich etwas mehr als 100. In Novosibirsk sollen sich nach Angaben der Veranstalter_innen zwar 200 Nationalist_innen versammelt haben. Sova und andere berichten allerdings eher von 70 Teilnehmer_innen, die sich unter den Parolen „Khvatit kormit' Moskvu“ (Schluß mit der Fütterung von Moskau), „Pokazhem Moskve Sibir'“ (Zeigen wir Moskau Sibirien) und „Khvatit grabit Regiony“ (Schluß mit dem Diebstahl an den Regionen) versammelten. Erwähnenswert ist, daß sich an der Veranstaltung, wie „Sova“ berichtet, neben den üblichen Nationalist_innen auch Mitglieder_innen der vermeintlich sozialdemokratischen Partei „Spravedlivaja Rossija“ (Rechtschaffenes Russland) und des vermeintlich (links-) liberalen und breiten Oppositionsbündnisses „Solidarnost'“ (Solidarität) beteiligten. Vor allem „Solidarnost'“ scheint problemlos an den lokalpatriotischen Diskurs um die „Räuber_innen“ aus Moskau andocken zu können. Die Duma-Wahl schmiedet merkwürdige Bündnisse.

 

Die anti-kaukasische Kampagne läuft denkbar schlecht. Womöglich macht der multiethnische Staatspatriotismus und pan-eurasische Nationalismus des Vladimir Putin das übliche Mobilisierungspotenzial durch xenophobe Ausgrenzungen zunichte. Die staatliche Repression gegen Organisator_innen des „Russischen Marsches“ sorgt ebenfalls für Schwäche innerhalb des nationalistischen Spektrums. Die Freien und Autonomen Nationalist_innen, wie zum Beispiel RO oder Soprotivlenie, halten sich bisher aus der Mobilisierung zu den landesweiten „Russischen Märsche“ raus. Mal sehen, ob sich diese Zurückhaltung angesichts eines (weiteren) getöteten Nazis ändert.

 

Weitere Infos zum "Russischen Marsch" bei Analyse Kritik Aktion [berlin]