Initiative Sozialistisches Forum
Jour fixe
Herbst/Winter 2011/2012
Der Einleitungstext „Die Gewalt des Souveräns“ unter: www.isf-freiburg.org
Mittwoch, 19. Oktober
Die Sehnsucht nach dem Ganzen als Streben zum Tod
Der islamistische Schlachtruf „Ihr liebt das Leben – wir lieben den Tod“ ist paradigmatisch für das Verständnis vom Tode unter Bedingungen zerfallender Subjektivität im Spätkapitalismus. Die von der kapitalistischen Gesellschaft geschaffenen, aber nicht verwirklichten Glücksversprechen werden ideologisch eingestrichen und an ihre Stelle die Anerkennung des Elends gesetzt. Gemäß dieser Denkweise soll nicht die unmenschliche Gesellschaft in eine vernünftig eingerichtete verwandelt werden, sondern vielmehr noch die letzte Sehnsucht nach einem befreiten, erfüllten und glücklichen Leben ausgemerzt werden. Dieses Denken gründet in der Geschichte der deutschen Ideologie, die sich zwischenzeitlich globalisierte. In Deutschland formierten sich bürgerliche Subjekte historisch erstmals unter dem Banne des Todes zu einer mörderischen Volksgemeinschaft. Der ideelle Bereiter und Begleiter dieses Weges war der Philosoph Martin Heidegger. Seine, von den Nazifaschisten realisierte Sehnsucht galt, wie den heutigen Islamisten und regredierten Linken, dem so genannten Ganzen, daß er als das „Sein“ definierte. Dieses „Sein“, so unbestimmt und ungewiß er es ließ, charakterisierte er als eines zum Tode. Anhand derartiger Gedankengänge wird gezeigt werden, daß der Kampf gegen die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen und der gegen die Herrschaft von Menschen über Menschen unmöglich von einer Kritik der Ideologie des Todes getrennt werden kann. – Es spricht Martin Dornis (Leipzig); er studierte Philosophie, Ökonomie und Erziehungswissenschaften, arbeitet derzeit zur Kritik der Ideologie des Todes und zur Musikphilosophie Adornos und veröffentlichte Texte über Ideologiekritik, Antisemitismus, Krisentheorie und materialistische Gesellschaftskritik, zuletzt in dem von Alex Gruber und Philipp Lenhard herausgegebenen Buch „Gegenaufklärung. Der Beitrag der Postmoderne zur allgemeinen Barbarisierung der Verhältnisse“ (ça ira 2011). Um 20°° im Jos Fritz-Café, Wilhelmstraße 15 (Spechtpassage).