Ein rechtes Lied kostet 600 Euro

Erstveröffentlicht: 
09.09.2011

20-Jähriger verurteilt, weil er "Ein junges Volk steht auf" sang.

LAUFENBURG. Das Intonieren eines Liedes kostet einen 20 Jahre alten Schüler aus Laufenburg 600 Euro. Das Amtsgericht Bad Säckingen verhängte die Geldstrafe wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nach Paragraf 86a des Strafgesetzbuchs und setzte damit das Lied "Ein junges Volk steht auf" auf den Index verbotener Lieder. Bei der Strafzumessung wurde berücksichtigt, dass der junge Mann nicht vorbestraft ist.


Dass er das Lied bei einer Demonstration der rechten Szene in Witten (Westfalen) am 28. August vorigen Jahres gesungen habe, gab der Beschuldigte freimütig zu; zumal diese Tatsache durch eine polizeiliche Videoaufnahme belegt wurde. Der in der Gerichtsverhandlung abgespielte Filmausschnitt zeigte den Angeklagten zusammen mit rund 60 weiteren Chorknaben auf einer Kundgebung, wie er alle drei Strophen des Liedes zum Besten gibt. Ihm sei bekannt, dass das Lied in der Hitlerjugend seinen Ursprung habe, bekundete der Angeklagte, der nach eigener Aussage seit seinem 15. Lebensjahr politisch interessiert und aktiv sei. Sein politisches Netzwerk organisiere sich hauptsächlich übers Internet. Auf diesem Weg habe er auch von dem Treffen in Witten erfahren. Eigens dafür habe er die Reise dorthin unternommen. Er würde aber nie etwas Illegales tun, behauptete der Angeklagte vor Gericht. Darum habe er sich im Vorfeld über das Lied informiert. Von seinen Kameraden habe er die Information erhalten, dass das Lied keine strafrechtliche Relevanz habe.

Zu diesem Schluss kam auch sein Verteidiger. Rechtsanwalt Martin Kistler stützte sich mit seiner Einschätzung auf ein Gutachten des Instituts für Zeitgeschichte. Ob der Inhalt des Liedes als Propaganda für verbotene Organisationen gilt, werde dort lediglich mit "kann" beantwortet. Strafbar könne jedoch nur sein, was eindeutig verboten ist, so der Verteidiger, der darauf hinwies, dass moralische und juristische Bewertungen zu trennen seien. Meinungsfreiheit bedeute: Was nicht verboten ist, ist erlaubt. Und selbst wenn man davon ausginge, dass das Lied unter ein Verbot falle, sei der Straftatbestand subjektiv nicht erfüllt, da sein Mandant positiv der Meinung gewesen sei, nichts Verbotenes zu tun. Der Angeklagte sei daher freizusprechen.

Amtsgerichtsdirektorin Margarete Basler teilte jedoch die Sicht der Staatsanwaltschaft, dass der Angeklagte zumindest in Betracht hätte ziehen müssen, dass das umstrittene Lied verboten ist. Schließlich habe er gewusst, aus welcher Ecke es stamme. "Ein junges Volk steht auf" sei das zentrale Lied der Hitlerjugend gewesen, so die Richterin in ihrer Urteilsbegründung, und sei in eine Reihe zu stellen mit dem ebenfalls verbotenen "Horst-Wessel-Lied". Mit Liedgut dieser Art würden nationalsozialistische Tendenzen wiederbelebt. Schutzzweck des Paragrafen 86a sei es, entsprechende Entwicklungen zu verhindern, erklärte Basler.