"Das Klima im Stadtteil ändert sich"

In der Katharinenstraße: unzugängliche Balkone
Erstveröffentlicht: 
18.08.2011

Luxussanierung statt günstiger Wohnungen: Im Wohnquartier rund um die Katharinenstraße findet gerade ein Verdrängungsprozess statt
Die Transparente sind nach Abmahnungen des Anwalts inzwischen verschwunden. "Miethaie zu Fischstäbchen" forderten noch vor kurzem die Mieter einer Wohnung in der Katharinenstraße 15. Das lässt auf kein gutes Verhältnis zwischen ihnen und ihrem Vermieter schließen. Was auf den ersten Blick nach einem privaten Kleinkrieg aussieht, lässt auf den zweiten die Sorge der Bewohner um Strukturveränderungen in ihrem Wohnquartier rund um Katharinen-, Rhein-, Albert- und Merianstraße erkennen.

 

Von unserer Mitarbeiterin Anita Rüffer


Die abgerundeten Balkons zur Straßenseite lassen noch den typischen Baustil der ehemaligen Franzosenwohnungen erkennen. Nach dem Abzug der französischen Armee wurden sie von der Freiburger Stadtbau verwaltet. Sie unterlagen zunächst der Sozialbindung, sollten also auch für einkommensschwächere Mieter erschwinglich bleiben. Der Reha-Verein etwa hatte in der Katharinenstraße Wohnungen für psychisch kranke Menschen angemietet. Im Erdgeschoss des Nachbarhauses lebt eine Familie mit vier Kindern aus dem Kosovo, die vor dem Bürgerkrieg geflohen war. Daneben bis vor kurzem eine Wohngemeinschaft von PH-Studierenden. Darüber in der 175-Quadratmeter-Wohnung eine Wohngemeinschaft von sechs Erwachsenen und einem Säugling.

Über "soziale Kälte und Kinderfeindlichkeit" beklagen sich Hauptmieter Uli Weyer und eine Reihe weiterer Hausbewohner, seit die Häuser Katharinenstraße 13 und 15 im Jahr 2006 von dem privaten Freiburger Investor Wolfgang Fehr aufgekauft wurden. Nicht nur die Mieten erhöhten sich für die WG von Ulrich Weyer nach dessen Angaben seit 2006 um 23 Prozent von 1000 auf 1230 Euro kalt. 50 Euro zusätzlich habe der nachträglich angebaute Balkon gekostet. Die wollten die Bewohner nicht zahlen. So bleibt der Zugang kurioserweise zugemauert. Die Nebenkostenabrechnungen findet Weyer "undurchschaubar" . Wobei er einräumt, dass in die energetische Sanierung einiges investiert worden sei. Dennoch fühlen sich die Mieter als "Melkkühe" , aus denen "so viel rausgeholt werden soll wie möglich" . Christina Müller-Schotte und Klaus Gayer, die seit zehn Jahren hier wohnen, vermissen eine angemessene Kommunikation zwischen Vermieter und seinen Mietern und sein Interesse daran, dass sich die Bewohner wohl fühlen.

Das sei bis zum Verkauf der Häuser der Fall gewesen: Man habe sich zum gemeinsamen Grillen im Garten getroffen, Kinder spielten auf den freien Flächen, die Nachbarschaft kümmerte sich um die Kinder der kosovarischen Familie, erteilte ihnen Nachhilfe, nahm sie mal mit ins Schwimmbad. "Seit die Wohnungen dem freien Markt überlassen wurden, findet ein Verdrängungsprozess statt. Das Klima im Stadtteil ändert sich" , beklagt Klaus Gayer.

Ein Quartier verändert sich, die Bewohner finden das nicht gut

Die PH-Studierenden seien inzwischen ausgezogen, die Wohnung "luxussaniert" worden. Der Reha-Verein, der einen gewerblichen Zeitmietvertrag hatte und problemlos gekündigt werden konnte, musste einer Praxisgemeinschaft von Psychologen weichen. Der Familie aus dem Kosovo wurde per Rechtsanwalt untersagt, Garten und das weitläufige Treppenhaus mitzunutzen. Als "Mobbing" empfanden das die Mitbewohner und protestierten dagegen. "Der will die Familie loswerden. Sie passt nicht ins Bild."

Ein "eigenartiges Rechtsverständnis" wirft der Rechtsanwalt des Vermieters den Bewohnern vor. Er fühlt sich an die Wagenburgler im Vauban erinnert. "Verträge sind einzuhalten." Die Wohnungen seien für viel Geld hergerichtet worden. Schon seien Streifen von Fahrrädern an der neuen Fassade. Der Flur werde unberechtigt genutzt. Eine Wohnungsbesichtigung sei kürzlich durch ein Trampelkonzert von oben gestört worden. Ulrich Weyer wird die Kündigung angedroht, falls eine Reihe von Auflagen nicht eingehalten werden. "Die Mieter zahlen für ihre hochpreisigen Wohnungen auch ihre Wohnruhe mit" , so der Anwalt.

Der Unternehmensberater Reinhard Novak ist ein solcher Mieter. Er hat in der Katharinenstraße 13 eine der edel sanierten Wohnungen (ebenfalls 175 Quadratmeter groß) gemietet und zahlt 1650 Euro monatlich. Er schätzt die Ausstattung und die Innenstadtnähe. Nicht aber die Ruhe, die neuerdings einkehrt. "Gerade die Durchmischung des Wohngebiets mit unterschiedlichen Bewohnergruppen hat mir gefallen." Auch Eva Güttler ist enttäuscht. "Tot und langweilig ist es geworden" . Sie hat von Sauer Wohnbau eine Eigentumswohnung in der Rheinstraße gekauft und gehört damit eigentlich zu denen, die zum Verdrängungsprozess beitragen. Wie in der Katharinenstraße sind Zäune gezogen worden, mit denen die vorher "parkähnlichen Flächen" gegen Kinder oder Hunde oder spontane Nachbarschaftstreffen abgeschottet werden. Ein Kinderspielplatz bleibe verwaist, weil er nur mit den Schlüsseln der Eigentümer zu betreten sei. "Alles ist so eingeschränkt. Die Kinder haben keinen Freiraum mehr."

"Ein Quartier verändert sich" , wirbt Sauer Wohnbau für seine Wohnungen in der Unterwiehre, wo im gleichen Stil einfache Mietwohnungen zu teuren Eigentumswohnungen werden. Das könne sich in einem schwierigen Quartier wie dem westlich der Merzhauser Straße sogar stabilisierend auswirken, sagt Baubürgermeister Martin Haag. "Wenn aber ganze Bewohnermilieus kollektiv verdrängt werden, kann das problematisch werden." Dass es im Quartier an der Katharinenstraße gärt, ist in seinem Dezernat bisher nicht bekannt. Ohnehin "können wir das nur begrenzt verhindern".