Am Dienstag, den 17.2. wurden zwei linke AktivistInnen vor dem
Stuttgarter Amtsgericht zu einer Bewährungsstrafe und Arbeitsstunden
verurteilt. Ihnen wurde „gefährliche Körperverletzung an einem
Polizeibeamten und Beleidigung“ vorgeworfen.
Hintergrund war eine Demonstration am 5.Juli 2008 gegen den skandalösen
129b-Prozess der aktuell noch immer im Prozess-Bunker in Stuttgart
Stammheim stattfindet.
Über 400 Menschen aus verschiedenen politischen Spektren hatten damals gegen die Paragraphen 129a/b und für die Freiheit der 5 angeklagten türkischen Linken und aller anderen politischen Gefangenen demonstriert. Schon Stunden vor Beginn der eigentlichen Demonstration waren in der Stuttgarter Innenstadt vermeintliche TeilnehmerInnen kontrolliert und wegen Mitführens von Halstüchern oder Sonnenbrillen verhaftet worden.
Als die Demo dann startete, war sie von einem großen und aggressiven Polizeikessel umgeben. Während einer Zwischenkundgebung in der Nähe der größten Stuttgarter Einkaufstrasse, der Königstrasse, begann die Polizei mit Knüppeln auf die Demo einzuschlagen. Einer der Aktivisten soll sich mit seiner Fahnenstange zu Wehr gesetzt und die prügelnden Staatsdiener beleidigt haben. Während mehrere AktivistInnen in dieser Situation Platzwunden und zum Teil gebrochene Knochen erlitten, soll einer der Polizisten „eine Abschürfung am Handrücken“ davongetragen haben! Ein anderer durch die selbe Person „ehrverletzend“ beleidigt worden sein.
Vor Gericht spielte dabei keine Rolle, dass der angeblich so schwer verletzte Beamte, freimütig zugab, mit seinem Schlagstock direkt auf Hände und Köpfe gezielt zu haben. Auch fehlende Beweisfotos oder ein nicht vorhandenes Video, dass die Beleidigung zeigen sollte, wurden nicht zu Gunsten des Angeklagten gewährtet. In diesem Fall genügte die Aussage eines weiteren Polizisten der das Video angeblich gesehen und darauf den Angeklagten erkannt hat. Auf seine Initiative wurde dann offenbar auch das Verfahren gegen den Genossen eingeleitet, welches nun mit einer 5 monatigen Haftstrafe ausgesetzt auf 2 Jahre Bewährung, sowie 60 Arbeitsstunden, endete.
Beinahe noch absurder war die Anklage im zweiten Prozess des Tages, der sich gegen eine weitere linke Aktivistin richtete. Bei dem oben geschilderten Polizeiangriff hatte sie eine Platzwunde am Kopf erlitten. Sie soll eine Polizistin die ihr, nachdem sie mittlerweile blutüberströmt war, „erlaubt hat“ (sic!) den Kessel zu verlassen, beleidigt haben. In diesem Fall wurde das Verfahren allerdings gegen die Auflage Arbeitsstunden abzuleisten eingestellt.
Dass öffentliche Aufmerksamkeit für das abstruse 129b Verfahren, u.a. mit schizophrenem Hauptbelastungszeugen, und für die unmenschlichen Haftbedingungen durchaus unerwünscht ist, zeigten Justiz und Polizei seit Beginn des Stammheimer Prozesses. So wird durch peinlich genaue Leibesvisitationen, das Verbot Stift und Papier mit in den Gerichtssaal zu nehmen etc. systematisch versucht, eine solidarische Prozessbegleitung zu verhindern. Erst vor anderthalb Monaten griff die Polizei zudem den traditionellen Sylvesterspaziergang um den Stammheimer Knast mit dem in diesem Jahr neben den vielen sozialen Gefangenen eben auch die 5 türkischen Linken gegrüßt wurden, an. Hier wurden wiederum einige Menschen durch Polizeiknüppel und Hunde verletzt, eine Person musste stationär behandelt werden.
Was die ständigen Polizeiangriffe, Schikanen und die jetzigen Urteile zu bedeuten haben, erklärte die Baden-Württembergische Verfassungsschutzpräsidentin Beate Bube wohl unbeabsichtigt, nach der Demo am 5. Juli: Es stelle eine große Gefahr dar wenn „deutsche mit türkischen Linksextremisten“ zusammenarbeiten würden. Die andauernde Aktivität zu dem 129b-Verfahren zeigt aber, dass die staatlichen Einschüchterungsversuche die Solidaritätsbewegung bisher nicht eingeschränkt haben! Denn Solidarität kennt keine Grenzen!