Keine Wahl für Faschisten! Gemeinsam und organisiert gegen den NPD-Landtagswahlkampf und gesellschaftlichen Rechtsruck!

Keine Wahl für Faschisten!

Es ist wieder soweit. Am 27. März 2011 finden die Wahlen zum baden-württembergischen Landtag statt. Der Fokus der Öffentlichkeit wird im Rahmen des Wahlkampfes in erster Linie auf den Auseinandersetzungen zwischen den größeren bürgerlichen Parteien liegen. Im Windschatten einer gesellschaftlichen Rechtsentwicklung formiert sich auf Landesebene jedoch zugleich nahezu unbemerkt die faschistische NPD. Mit dem folgenden Text wollen wir die NPD als organisierte Hauptkraft der Nazibewegung, ihre Rolle im aktuellen Rechtsruck und die Notwendigkeit eines breiten antifaschistischen Widerstandes dagegen etwas näher beleuchten.


Mehr als nur ein kleines Problem... 

Die NPD wird im März auf den Kandidatenlisten von 68 baden-württembergischen Wahlkreisen vertreten sein. Lediglich in zwei Wahlkreisen in Freiburg und Heidelberg schafften sie es nicht auf die für den Wahlantritt benötigte Anzahl von Unterstützerunterschriften zu kommen.

Insgesamt über 10.000 dieser Unterschriften, die im Vorhinein der Wahl in den Wahlkreisen Baden-Württembergs gesammelt werden mussten, gaben der faschistischen Partei erst die Möglichkeit so breit aufgestellt anzutreten.

Ihr Ziel ist die Etablierung einer überregionalen Basisverankerung zur stetigen Ausweitung und Intensivierung der Propagandaarbeit. Ihre Erfolge und Misserfolge bei der Unterschriftensammlung können mit als Gradmesser für die organisatorische Stärke ihrer regionalen Strukturen und die Verankerung faschistischer Denkmuster in der Bevölkerung der jeweiligen Region herangezogen werden.

Schnell wurde dabei deutlich, dass neben Schwerpunkten wie Villingen-Schwenningen oder Heilbronn auch Regionen um Stuttgart wie der Rems-Murr-Kreis oder Böblingen/Sindelfingen zu wichtigen Einflusssphären der Nazipartei gehören.

 

So sitzt der 33-jährige NPD-Landessprecher Janus Nowak seit September 2009 für die NPD im Böblinger Kreisrat und versucht dort in regelmäßigen Abständen durch kleinere Unterbrechungen des Parlamentsalltages und selbstüberzeugte Pressemitteilungen, auf sich und seine ideologische Herkunft aufmerksam zu machen. Im Sommer 2010 erntete er für die Relativierung des millionenfachen antisemitischen Massenmordes der deutschen Faschisten eine Bewährungsstrafe wegen Volksverhetzung. In Anbetracht seiner, zu jenem Zeitpunkt immer noch ausstehenden, Bewährungsstrafe wegen Wahlbetrugs und seiner, selbst vom Richter erkannten, „Überzeugungstäterschaft“, ein unverständlich mildes Urteil. Seiner parlamentarischen „Arbeit“ kann der Nazifunktionär, der in der Vergangenheit bereits mit einem brutalen Angriff auf einen Rentner auf sich aufmerksam gemacht hat, jedenfalls weiterhin problemlos nachgehen.

In Schorndorf-Weiler im Rems-Murr Kreis hat sich die Nazipartei schon vor über vier Jahren  niedergelassen. Das ehemalige Gasthaus „Linde“ dient hier nun als internes Zentrum für Feste, als Materiallager und als Anlaufpunkt für regionale Faschisten. In der Region Rems-Murr, die schon vor Jahren, insbesondere durch die Studie „Rechstextremismus und sein Umfeld “

(Rechtsextremismus und sein Umfeld - eine Regionalstudie erhoben von der Universität Tübingen im Auftrag des Viak Rems-Murr im Juni 2007 ), für ihre Rechtslastigkeit überregional bekannt wurde, baut diese Struktur der Partei auf besonders fruchtbarem Boden.

Nicht zuletzt durch körperliche Übergriffe fallen militante Faschisten aus der Partei und ihrem Umfeld in der Gegend auf. Ob nun in Stuttgart selber, in Ludwigsburg, Sachsenheim, Schorndorf-Weiler, Neuhausen auf den Fildern, oder in Leonberg - allein im vergangenem Jahr lassen sich genügend Beispiele für regionale Nazigewalt finden. Organisierte oder spontane Angriffe auf MigrantInnen, Linke und Alternative in der Region sind keine Seltenheit, sondern Ausdruck einer, noch relativ desorganisierten, faschistischen Straßenbewegung.

 

Die faschistische Bewegung wird in vielen Teilen des Bundesgebietes langsam aber sicher stärker. In verschiedenen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens und mit unterschiedlichem Erfolg versuchen die Faschisten ihre Einflusssphären zu erweitern. An der Spitze dieser Entwicklung steht die NPD - ganz egal, ob es um kulturelle Belange, Versuche zur  Neubesetzung der sozialen Frage, oder etwa um Stadtteilarbeit geht. Auch wenn es immer wieder zu Differenzen und heftigen Streitigkeiten mit anderen rechten Strömungen, insbesondere den selbsternannten „Freien Nationalisten“, kommt, kann das faschistische Lager nicht mehr ohne die Partei oder ihre noch radikaler auftretende Jugendorganisation JN auskommen. Jüngster Schritt der NPD auf dem Weg zur faschistischen Alleinvertretung war der Versuch der Einverleibung der Altnazi-Partei „Deutsche Volksunion“ (DVU) im November 2010, der inzwischen allerdings wegen Widerstand aus der DVU juristisch wieder rückgängig gemacht werden musste.

Es ist in Anbetracht alldessen offensichtlich, dass die NPD als Leit- und Ordnungsstruktur der faschistischen Rechten zentraler Angriffspunkt antifaschistischer Arbeit sein muss.

 

Alles was rechts ist ?! 

Bei Betrachtung des gesellschaftlichen Ganzen wird  deutlich, dass rassistische und sozialdarwinistische Argumentationsmuster längst nicht nur in der faschistischen Rechten mit begeisteter Konsequenz dargeboten, diskutiert und gefeiert werden.

Ein Blick in die Leitorgane der bürgerlichen Presse genügt, um sich ein intensiv geschürtes rechtes Klima vor Augen zu führen.

In verschiedenen Verknüpfungen werden unaufhörlich Bilder von „integrationsunwilligen Ausländern“, einer „islamistischen Bedrohung“, von „arbeitslosen Sozialschmarotzern“ und einer  ominösen Terrorgefahr in die Öffentlichkeit geschleudert. Einzelne, in das Zentrum der Pressewelt gepushte, Selbstdarsteller wie Thilo Sarrazin stellen sich an die Spitze dieses reaktionären Roll-Backs und präsentieren sich als erlösende Tabubrecher, die nur das aussprächen, was der angesprochene deutsche „Normalbürger“ sowieso schon gedacht habe. Wie selbstverständlich werden die  Argumentationsstränge eines kulturalistischen Rassismus („die passen nicht zu uns“) und eines verwertungsfixierten Sozialdarwinismus („die bringen uns nichts“) zu Grundlagen öffentlicher Debatten erklärt. Kein Wunder also, dass der gesellschaftliche Umgang mit diskriminerendem Gedankengut, das den Menschen verschiedene Wertigkeiten zuschreibt, immer gewöhnlichere Züge annimmt.

Ein derartiger Aufschwung rechter Deutungsmuster vollzieht sich nicht allein in der Bundesrepublik, sondern zeigt sich noch viel deutlicher in anderen europäischen Ländern wie den Niederlanden, Frankreich, der Schweiz, oder Ungarn.

Rechte Strukturen, die auf rassistischen und autoritären Gesellschaftsvorstellungen bauen, finden derzeit im gesamteuropäischen Kontext erschreckend viel Gehör. Die schrittweise Annäherung von bürgerlichen Politikern an ihre Positionen passiert nicht zufällig, sondern ist herrschaftssicherndes Programm.

Die sich zuspitzenden sozialen Missstände des kriselnden Kapitalismus sollen letztendlich durch „fremde Elemente“ und angebliche „Schmarotzer“ erklärt werden. Anstatt der ungerechten Eigentumsverhältnisse des auf Profit und Verwertung basierenden Gesellschaftssystems, müssen so  wiedereinmal die sozial Schwächsten als Sündenböcke und zur Legitimierung der herrschenden Verhältnisse, ihre Köpfe hinhalten. Als simple Lösungen werden stärkere soziale Kontrolle und Auslese, sowie die Rückbesinnung auf reaktionäre Werte und Normen propagiert. Ungleichheit und Unterordnung sollen also nicht nur erhalten, sondern verschärft werden. 

Die so aufdringlich inszenierte „Integrationsdebatte“ ist das perfekte Beispiel für eine Welle rechter Erklärungsmuster, die eigentlich nichts erklären. Anstatt die Wurzeln gesellschaflticher Probleme,  wie etwa das katastrophale Bildungssystem, die Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse, oder den fortschreitenden staatlichen Sozialabbau ins Visier zu nehmen, werden Bilder der Fremdheit  gemalt, die jede tiefergehende Auseinandersetzung mit den Problemen des Zusammenlebens der Menschen innerhalb dieser Gesellschaft verhindern sollen.

 

Ein gefährlicher Sumpf... 

Wie reihen sich die Faschisten in diesem Zusammenhang ein? Zuerst einmal finden sie natürlich ein Klima vor, das der Verbreitung rassistischer und nationalistischer Ideologie sehr zuträglich ist. Sie präsentieren sich dabei als die konsequenten Vordenker der aktuellen Stimmungen und machen ganz direkt deutlich, wohin die Reise weiter gehen soll. Mit einem, wenn überhaupt, nur dürftig kaschierten Bezug auf den deutschen Faschismus, der konsequenten Durchsetzung von menschenverachtendem Gedankengut und ständigen Versuchen der Machtdemonstration auf der Straße, heben sie sich dabei deutlich von anderen rechten Vorkämpfern ab. Die Faschisten stehen in einem für sie relativ günstigen Verhältnis zum aktuellen Rechtsruck. Sie versuchen offensichtliche Vorlagen, wie etwa die Auseinandersetzung um Thilo Sarrazin zu nutzen, um sich vor nun größerem Publikum als einzig konsequente Alternative zu präsentieren. Die bürgerlichen Hetzer sind dabei zwar um eine gewisse Distanz zu ihnen bemüht, können die rassistischen und autoritären Grundannahmen der Faschisten letztendlich jedoch nicht völlig verwerfen.

NPD und Co. bewegen sich aktuell also auf einem ihnen schon lange bekannten Boden und sind auf diesem nun nicht mehr die einzigen Tabubrecher. Noch schaffen sie es nicht, dieses neue Potenzial aufzugreifen und zu verwerten - wie sich das in Zukunft weiterentwickelt ist schwer abzusehen.

 

Get up! Stand up! 

Die aktiven Faschisten müssen erster Angriffspunkt eines jeden Antifaschismus sein, da sie eine ständige konfrontative und unmittelbare Bedrohung für Linke, MigrantInnen, Jüdinnen und Juden, Homosexuelle, Menschen mit Behinderung und sonstige politische Feinde darstellen.

Antifaschistische Politik muss in ihren Ansprüchen und Perspektiven jedoch noch weiter reichen:

Die Gefahr einer faschistischen Gesellschaftsordnung hat sich seit 1945 nicht einfach erledigt. Der Faschismus an der Macht war immer schon eine systemsichernde Reaktion von Teilen der herrschenden Klasse auf tiefgreifende wirtschaftliche und politische Krisen des Kapitalismus. Die Sicherung und Verschärfung von Ausbeutungsverhältnissen, das konsequente Bekämpfen von linken Bewegungen und das aggressive Vorgehen gegen imperialistische Konkurrenz sind zentrale Wesensmerkmale des Faschismus. Auch wenn ein faschistisches System hier aktuell nicht in Aussicht steht, so kann dessen prinzipielle Bedeutung für die Herrschenden noch lange nicht ausgeschlossen werden. Das heißt: Solange diese Gesellschaftsordnung Bestand hat, ist auch die Gefahr des Faschismus gegeben. Der langfristige Aufbau eines kontinuierlichen antifaschistischen Widerstandes hat also, neben der konkreten Notwendigkeit, eine prinzipielle und perspektivische Bedeutung für alle fortschrittlichen Kräfte der Gesellschaft.

 

Um diesen Aufgaben gerecht zu werden, gilt es eine spektrenübergreifende antifaschistische Abwehrfront und gemeinsame Strategien gegen Rechts zu entwickeln. In der Praxis heißt das, auf verschiedenen Ebenen und für möglichst Viele verständlich, den Faschisten jeglichen Agitationsraum streitig zu machen, keinen ihrer Auftritte ungestört zuzulassen und ihre Positionen öffentlich zu delegitimieren.

 

Dabei können wir die uns umgebenden gesellschaftlichen Verhältnisse natürlich nicht aus den Augen lassen. Den zunehmenden rassistischen und sozialdarwinistischen Versuchen aus der vermeintlichen Mitte der Gesellschaft, die Ausgebeuteten dieses Systems zu spalten und gegeneinander aufzuhetzen, muss eine unzerreissbare Solidarität von unten entgegengesetzt werden. Nur im gemeinsamen und solidarischen Voranschreiten gegen bürgerliche Hetzer und Faschisten können wir die kollektive Abwehr der Angriffe von Rechts erlernen.

Um die Gefahr des Faschismus ein für allemal zu beseitigen, führt letztlich jedoch kein Weg daran vorbei, die sozialen Konflikte dieser Gesellschaftsordnung offenzulegen und mit der Perspektive einer solidarischen Gesellschaft jenseits von rechten Ideologien der Ungleichheit auszufechten.

Als AntifaschistInnen ist es unsere Aufgabe, die Ausgangsbedingungen hierfür zu sichern, die Angriffe von Rechts zurückzuschlagen und die reaktionäre Verschleierung der Verhältnisse zu bekämpfen.

 

Den Wahlkampf der NPD angreifen!

Für einen konsequenten Antifaschismus! 



 

Um aus Analysen auch eine konkrete Praxis erwachsen zu lassen und unseren Protest gegen Faschisten auf die Straße zu tragen, wird es zum NPD-Wahlkampf in nächster Zeit folgende Aktionen geben: 

 

19. März : Am Samstag den 19.3. wird es in Villingen-Schwenningen eine Baden-Württemberg weite Demo gegen den NPD-Wahlkampf geben. Gemeinsam wollen wir dort deutlich machen, dass der Kampf gegen die Faschisten nur überregional erfolgreich geführt werden kann.

Für eine gemeinsame Zugfahrt treffen wir uns um 10:00 Uhr am Gleis 4 am Stuttgarter HBF.

 

25. März: Am Freitag den 25.3. findet ab 18:30 Uhr in Schorndorf-Weiler die monatliche antifaschistische Mahnwache vor der Nazikneipe „Linde“ in Weiler statt. Die Linde dient während Wahlkampf als logistisches Propagandazentrum der NPD im gesamten Umkreis.

 Für eine gemeinsame Zugfahrt treffen wir uns um 17:30 Uhr an den S-Bahn Gleisen am Stuttgarter HBF.

 

26. März: Am Samstag den 26.3. findet anlässlich der Landtagswahl ab 12 Uhr eine antifaschistische und internationalistische Kundgebung am Stern-Center in Sindelfingen statt. Die dortige Gegend ist mit dem Kreistagssitz des NPD-Funktionärs Janus Nowak ein regionaler Schwerpunkt der Nazipartei.

Für eine gemeinsame Zugfahrt treffen wir uns um 10:45 Uhr an den S-Bahn Gleisen am Stuttgarter HBF.

 

 

...während der gesamten Wahlkampfzeit: Informiert euch über öffentliches Aufteten (Infotische etc.) der NPD und macht deutlich, was ihr von Faschisten und ihrer Propaganda haltet!

 

...und auch nach der Wahl: Organisiert euch gegen Nazis & Rassisten und kommt zum Antifaschistischen Aktionsbündnis Stuttgart und Region (AABS). Die Treffen finden jeden ersten Donnerstag im Monat um 19 Uhr im Linken Zentrum Lilo Herrmann statt.

 

Den Text gibt es als Printversion veröffentlicht in Broschürenform. Wenn ihr Interesse an Exemplaren habt, schickt uns eine Mail an: antifa-stuttgart [at] riseup.net