Bei Razzien wurden in der Nacht vom Dienstag auf Mittwoch insgesamt 12 Personen im Baskenland verhaftet. Wie stets ging das Vorgehen vom Nationalen Gerichtshof aus und wurde von der paramilitärischen Guardia Civil exekutiert. Schwerpunkt war Navarra, aber auch in der Provinz Araba und in Lapurdi (im französischen Baskenland), wurden zwei Personen in Baiona (franz. Bayonne) als angebliche Mitglieder der ETA verhaftet, weil sie verbotene Organisationen angeblich wieder aufbauen wollten. Wie im Friedensprozess 2006 drängt sich der Eindruck auf, dass die Friedensbemühungen erneut torpediert werden sollen, denn auch 2006 wurde kurz nach Verkündung der Waffenruhe durch die ETA der Batasuna-Sprecher verhaftet. Diesmal kommt die Aktion eine Woche nachdem die ETA erstmals einen "allgemeinen, dauerhaften Waffenstillstand" verkündet hat, der durch Vertreter der internationalen Kontaktgruppe "überprüfbar" ist.
Die Vorgänge gleichen sich und sogar die Akteure sind die gleichen. Es war
2006 der Sondergerichtshof in Madrid, der sofort nach der Waffenruhe den ersten
Torpedo auf den beginnenden Friedensprozess abgefeuert hatte und es war erneut
der Nationale Gerichtshof. Es war mit Ermittlungsrichter Fernando
Grande-Marlaska sogar die gleiche Person wie damals. Und erneut bemüht man den
abgegriffenen Begriff und spricht vom "ETA-Umfeld". Das wird stets
dann bemüht, wenn die Verhafteten nicht mit Aktivitäten der ETA in Verbindung
zu bringen sind, keine Waffen und Sprengstoff gefunden wird und die Menschen
schlicht für ein unabhängiges, vereintes und sozialistisches Baskenland
eintreten.
So wird nun wieder einmal behauptet, die Verhafteten hätten versucht, die in
Spanien verbotene Organisation "Ekin" (Aktion) wieder aufzubauen.
Auch das ist nicht neu, schon im vergangenen September reagierte Spanien auf die Friedensbemühungen
der baskischen Linken mit Verhaftungen und dem stereotypen Hinweis auf Ekin.
Über diese Organisation zwinge die ETA der linken Unabhängigkeitsbewegung den
Willen auf, begründete der spanische Innenminister Alfredo Pérez Rubalcaba das
Vorgehen. Schon hier wird klar, dass der Antrieb weniger juristischer sondern
mehr politischer Natur ist. Wie direkt der Nationale Gerichtshof an den
politischen Direktiven der Regierung hängt, wurde ohnehin erst kürzlich über die
Wikileaks-Dokumente belegt. Vier der Verhafteten sollen auch Mitglieder der
verbotenen Organisation "Askatasuna" (Freiheit) sein und hinter der
Webseite Apurtu.org
stehen. Über die Seiten und das Webfernsehen werden Informationen zu den
800 politischen Gefangenen verbreitet. Rubalcaba erklärte: "Die
Sicherheitskräfte werden nicht zulassen, dass illegale Organisationen wieder
auferstehen."
Beweise für die ETA-Verbindungen legten weder er noch der Ermittlungsrichter
Fernando Grande Marlaska vor. Offenbar sind die Vorwürfe dünn, denn die zwei im
französischen Baskenland (Iparralde) festgenommenen Personen wurden noch am
Dienstag wieder frei gelassen. Das hat offenbar in Spanien viele sehr geärgert.
Von einer Unschuldsvermutung entfernt, wonach es zur Ethik der Presse gehören
sollte, keine Vorverurteilungen auszusprechen, titelt die Zeitung El Mundo am
Mittwoch: "Frankreich
lässt festgenommene ETA-Mitglieder frei". Wieder einmal machen damit
spanische Medien wie El Mundo deutlich, dass es ihnen um eine ausgewogene
Berichterstattung zum Baskenland nicht geht. Ohnehin sind Ekin und Askatasuna
in Frankreich, wie Batasuna und alle anderen in Spanien verbotenen
Organisationen legal tätig. Anders als Madrid gerne behauptet, gibt es keine
Beweise dafür, dass diese Organisationen der baskischen Linken ein Teil der ETA
oder von ihr gesteuert werden.
Im Gegenteil zu dieser unbewiesenen These, dass die abertzale Linke ein Teil
der ETA sei, zeigen doch die letzten Monate eher deutlich, dass eher
andersherum ein Schuh daraus wird. Es war die baskische Linke, welche die ETA
zu einer neuen Waffenruhe gezwungen hat. Weil deren bewaffneter Kampf
inzwischen allgemein eher als kontraproduktiv für die Forderungen der Basken
angesehen wird, wurde sie dazu gebracht, im September zu
bestätigen, dass sie längst eine Waffenruhe einhielt. Seit der Offensive zum 50.
Jubiläum im August 2009 hat
die Organisation keine Anschläge mehr ausgeführt. Vor einer Woche verkündete
die ETA nun wie gefordert einen "allgemeinen und
dauerhaften Waffenstillstand", der von einer internationalen
Kontaktgruppe "überprüfbar" ist, damit die ihre Vermittlungs- und
Prüftätigkeit aufnehmen kann.
Madrid lehnt aber bekanntlich einen Dialog und die Vermittlung ab und viel
spricht dafür, dass mit den Verhaftungen die ETA provoziert werden soll, was im
Friedensprozess 2006 schließlich gelang und zu dem Anschlag auf den
Flughafen in Madrid führte, womit der damalige Prozess beendet war. Dass
die spanische Regierung nun aber offen erklärt, die angekündigte Neugründung
einer Partei der baskischen Linken sogar zu verbieten, obwohl die sich von der
Gewalt distanziert und sich streng an das Parteiengesetz halten will, das
extra zum Verbot von Batasuna (Einheit) geschaffen wurde, liegt auch auf dieser
Linie. Trotz allem hält die baskische Linke das Batasuna-Gesetz für
undemokratisch. Heute wurden zudem neue Schritte gemacht, um das Parteiengesetz
zu verschärfen. Der Senat, so die rechtsradikale Zeitung ABC
(einst das Sprachrohr der Franco-Diktatur), "dreht die Schraube weiter
an" und hier sind sich die regierenden Sozialdemokraten, die sich
Sozialisten nennen, mit den Postfaschisten der Volkspartei (PP) als gute
spanische Nationalisten einig. Sie wollen mit allen Mitteln verhindern, dass zu
den Kommunalwahlen im Frühjahr eine Partei der baskischen Linken antreten kann.
Schließlich ist das zu den Europaparlamentswahlen im
Mai 2009 nicht gelungen, führte aber noch im März 2009 dazu, dass die spanische
Front erstmals im Baskenland
durch ihre Verbotsmanöver eine Sitzmehrheit im baskischen Parlament
erschwindeln konnten.
Dass sich unter den Verhafteten Iker Moreno befindet, der Sohn von Txelui
Moreno, weist auch auf politische Hintergründe hin. Das Führungsmitglied der
Gewerkschaft LAB tritt seit der Verhaftung der Batasuna-Führung 2007
als Sprecher der baskischen Linken auf. Bei der Durchsuchung wurde auch
Material seines Vaters beschlagnahmt. Weil darin immer wieder das einfache Wort
"Askatasuna" auftauchte, was in der baskischen Sprache Freiheit
heißt, glaubten die Guardia Civils, dass sie es mit Materialien der
Gefangenenhilfsorganisation zu tun haben. Das ist etwa so, wenn man beim Wort
"eta" glauben würde, es ginge stets um die Untergrundorganisation
dabei heißt das auf Baskisch auch schlicht "und". Doch auch die
Materialien des Vaters wurden ebenfalls von der Guardia Civil weggeschleppt.
Dass die ein völlig falsches Bild hat, wurde sogar vom Nationalen
Gerichtshof schon erkannt, der hatte im Fall der Journalisten der Tageszeitung Egunkaria
den Freispruch 2010 begründet, dass das Verbot der einzigen Tageszeitung in
baskischer Sprache 2003 auf der Basis der "verbreiteten und
falschen Vorstellung" basiert habe, alles im Umfeld der baskischen
Sprache und Kultur werde von der "ETA gesteuert und/oder gefördert".
Nun erklärte auch Moreno, das Vorgehen und die Verhaftungen hätten "weder
Hand noch Fuß". Er vermutet, dass sein Sohn für seine Tätigkeit bezahlen
muss. Die baskischen Parteien vermuten insgesamt, dass damit der
Friedensprozess torpediert werden soll. Er befürchtet, dass wie die Journalisten
nun auch sein Sohn und die übrigen Verhafteten die tagelange Folter
über sich ergehen lassen müssen. Die dabei erpressten Geständnisse sind
meist die einzigen "Beweise", die vor Gericht für die Vorwürfe
angeführt werden.
Für die baskische Linke erklärte Tasio Erkizia, man werde auch trotz dieser
Verhaftungen "diesen Prozess bis zur letzten Konsequenz"
vorantreiben, damit im "Baskenland
ein demokratisches Szenario entsteht", in dem sich alle politischen
Optionen entwickeln können. Spanien dagegen habe Angst vor einem solchen
Prozess. Erst am Sonntag hatten Batasuna, die sozialdemokratische Solidaritätspartei
(EA) und Alternatiba, eine Abspaltung der Vereinten Linken (IU), ein Abkommen
geschlossen. Sie wollen sich gemeinsam mit demokratischen Mitteln aus einer
linken Perspektive für eine "tief
greifende sozioökonomische Transformation" und die "baskische
Souveränität" einzusetzen, wovor Madrid offenbar Angst hat. Nun wurde der
Pakt, den Batasuna
schon mit EA geschlossen hatte, um eine weitere Partei erweitert. Der neue
Text heißt: "Das Baskenland von Links" (Euskal Herria ezkerretik).
Der frühere IU-Führer im Baskenland, Oskar Matute, erklärt in einem Interview, warum sich Alternatiba dem Bündnis angeschlossen hat. Es gehe darum, "gemeinsame Strategien zu entwickeln, um sich denen entgegen zu stellen, die leider alles dominieren, ob auf sozialer oder ökonomischer Ebene, die Rechten im Baskenland und in Spanien". Statt die Fehler und Schwächen anderer linker Kräfte herauszustellen, gehe es nun darum, "nach der Selbstkritik, das in den Vordergrund zu stellen, das uns eint".