von Susan Bonath - www.susanbonathkunst.de.tl
Magdeburg. Schätzungsweise mehr als 900 Neonazis marschierten am Sonnabend, dem Vortag des 66. Jahrestages der Bombardierung Magdeburgs, in der Landehauptstadt von Sachsen-Anhalt auf. Schock für Bahnreisende: Hauptbahnhof und Rechtsextreme standen unter massivem Polizeischutz. Pfeffersprayeinsatz gegen und Einkesselungen und Sicherheitsverwahrungen von Antifaschisten sorgten unter anderem für deren ungehinderten Aufmarsch.
Schreckerlebnis am Magdeburger Hauptbahnhof um die Mittagszeit des 15. Januars: An allen drei Ein- beziehungsweise Ausgängen standen Polizeibeamte in voller Kampfmontur Spalier. Jeder, der passieren wollte, musste sich hindurchschieben, wurde begutachtet. „Mich haben sie angehalten und aufgefordert, meine Tasche zu entleeren", berichtete ein Fahrgast, der aus Schönebeck angereist war, um an der „Meile der Demokratie" teilzunehmen.
Direkt vor dem Haupteingang des Bahnhofs hatte sich zu dieser Zeit bereits eine Gruppe von zirka 250 Neonazis versammelt. Aus den Lautsprechern klang Marschmusik. Schwarze Fahnen überall. Wer raus wollte, musste da durch.
Laut Augenzeugen sei die Gruppe später auf „bestimmt fast 1.000" angewachsen. Andere sprachen von zirka 900. „Einen solchen Anblick habe ich in Magdeburg noch nicht erlebt", berichteten Zugreisende später fassungslos.
Die von Beobachtern geschätzten Zahlenangaben wollte die Magdeburger Polizei bislang allerdings nicht bestätigen.
Indes hatte die Stadt Magdeburg unter Mitwirkung verschiedenster Gruppierungen - von der Magdeburger Montagsdemo über die evangelische Kirche bis hin zur CDU - zur Teilnahme an der „Meile der Demokratie" aufgerufen. Vom Hundertwasserhaus bin hin zum Alten Markt hatten Organisationen ihre Infostände entlang des Breiten Weges errichtet. „Ich finde es gut, dass mehr Leute aus der bürgerlichen Mitte als in den vergangenen Jahren hier sind", so lautete die erfreuliche Nachricht einer Beobachterin.
Doch die weniger erfreuliche Nachricht hieß: Blockadeversuche, zu denen autonome Antifaschisten aus Magdeburg aufgerufen hatten, sind ins Leere gelaufen. Zum einen, so vermuteten später Teilnehmer, sei die Gruppe einfach zu klein gewesen. „Gegen die Masse der Nazis hätten wir so kaum etwas ausrichten können." Zum anderen sei aber auch die Polizei sehr aggressiv und teilweise „wirklich unverhältnismäßig" gegen Gegendemonstranten und Blockierer vorgegangen. „Ersten wurden wir gleich zu Beginn eingekesselt, wobei auch Pfefferspray zum Einsatz kam, zweitens haben die bestimmt 20 Personen schon vorab festgenommen und sicherheitsverwahrt." Daniel A. (22, Name geändert) war einer der Betroffenen. „Die haben mich und mehrere andere beschuldigt, mit (handelsüblichen) Wasserbomben geworfen zu haben. Darum wurden wir zirka zwei Stunden lang festgehalten. So richtig mit Handschellen und so", resümierte er.
Breitere Mobilisierung nötig
Einige Blockierer schafften es schließlich trotz massiver polizeilicher Straßensperren, in den Magdeburger Stadtteil Buckau in die Nähe des Ortes der Abschlusskundgebung der Neonazis vorzudringen. Doch auch dort habe sie „aufdringliche Polizeipräsenz" erwartet.
„Zirka 100 Leute wurden, kurz bevor sie den Ort, an dem wir blockieren wollten, erreichten, in einem Park eingekesselt und festgehalten. Letztendlich waren wir am Ende höchsten zehn Leute, die es bis auf die Straße geschafft haben", so Psychologiestudentin N., die eine unter ihnen war. Ein 45-jähriger Blockierer schüttelte später den Kopf über die „Zahlenspielereien" der Polizei: „Als wir schließlich mit den paar Hanseln da saßen, hörte ich, wie ein Beamter durchfunkte, dass man Verstärkung wegen einer großen Blockade brauche. Da dachte ich: Stimmt was mit meinen Augen nicht? Denn von einer großen Blockade war ja nichts zu sehen."
Auch zu diesen Zahlenangaben wollte die Polizei im Nachhinein keine Auskunft erteilen.
Als der rechte Aufmarsch schließlich in Hörweite gewesen sei, habe die Polizei die Demonstranten „nicht gerade zimperlich" verjagt. „Die Beamten haben uns hochgescheucht, angeschrieen und in Richtung Park gedrängt", so eine weitere 42-jährige Blockade-Teilnehmerin. Doch das sei ihnen nicht schnell genug gegangen. „Man nötigte uns, einen schlammigen Abhang hinunter zu laufen. Dieser war ziemlich steil. Als auch das ihnen zu lange dauert, wurden einige von uns geschubst." Schließlich habe eine Anwohnerin die Demonstranten in Schutz genommen. „Diese machte die Beamten darauf aufmerksam, dass der Ort zu ihrem Privatgrundstück gehört. Sie bat sie, uns in Ruhe zu lassen."
„Das Fazit ist", lobte K. von der Friedensinitiative „OFFENeHEIDe", die mit einem Stand an der Meile teilnahm, zunächst, „es waren merklich mehr Leute als im Vorjahr anwesend. Und vor allem auch ein breiteres Spektrum." Doch seien ihm erhebliche Mängel mit Hinblick auf die erfolgreichen Blockaden im vergangenen Jahr in Dresden deutlich geworden: „Wir müssen uns noch besser organisieren und wirksamer mobilisieren. Alle wissen von den Aktionen in Dresden. Aber kaum einer weiß von Magdeburg." Kritik übte K. auch an der städtischen Vorgehensweise: „Wenn sie wirklich gegen den Naziaufmarsch sind, dann sollten sie eine noch größere Öffentlichkeitsarbeit nicht scheuen und zusätzlich wirkungsvollere Aktionen planen und mittragen."