Am 07. Oktober 2010 begann vor dem Amtsgericht Trier Landgericht der Prozess gegen den Trierer NPD-Stadtrat Safet Babic, den JN-Aktivisten Martin Auler und das Koblenzer JU-Mitglied Karl Heuser. Allen drei wird vorgeworfen, in der Nacht vom 18. Mai 2009 drei Personen in Trier attackiert zu haben. Während zweien die Flucht gelang, wurde das dritte Opfer Krankenhausreif geschlagen.
Babic habe in der Nacht ein
Rollkommando zusammengestellt, um diejenigen zu ergreifen die zuvor
NPD-Wahlplakate abgerissen hatten.
Babic muss sich zudem noch
wegen einer Kranzniederlegung auf dem Trierer Hauptfriedhof am 8. Mai
2009 verantworten. Da diese nicht ordnungsgemäß angemeldet gewesen
sei, habe er gegen das Versammlungsgesetz verstoßen, so die
Staatsanwaltschaft.
Der Prozesstag begann mit einer etwa 15
Minutenlangen Kundgebung der NPD vor dem Gericht. Vor etwa 10-15
Kameraden und Kameradinnen und in radebrechendem Deutsch beschwerte
sich Babic darüber, dass der vorsitzende Richter - da im Vorstand
der Klaus Jensen Stiftung,
die sich u.a. im Bereich der Gewaltprävention engagiert - befangen
und so kein fairer Prozess möglich sei.
Als die Verhandlung
aufgrund der hohen Sicherheitsvorkehrungen und langwierigen
Einlasskontrollen endlich losging, musste sie auch direkt wieder
unterbrochen werden, da Babics Anwalt Eike Erdel einen
Befangenheitsantrag gegen den Richter stellte. Selbiger wurde, wie
vorauszusehen und trotz Babics großem Getöne im Vorhinein,
allerdings abgelehnt.
Die Angeklagten & ihre
Anwälte
Babic
Safet Babic wurde 1981 in Hanau geboren
und studiert seit 2001 Jura sowie seit einigen Jahren zudem
Politikwissenschaft an der Universität Trier. Laut eigener Aussage
ist er seit 1998 in der NPD bzw. deren Jugendorganisation Junge
Nationaldemokraten (JN) aktiv. Seine Einlassungen zur Person waren
vor allem von einer sättlich bekannten Querfrontrethorik -
"antiimperialistische Solidarität", "kein Hass gegen
Linke" - geprägt. Er sei unter anderem Kulturbeauftragter der
rheinland-pfälzsichen NPD und Mitglied der
NPD-Strategiekommission.
Sein Anwalt, Eike Erdel, ist sowohl
in Trier als auch in der rechten Szene kein Unbekannter. Einem
Artikel von Spiegel Online
zufolge, vertrat er Babic bereits 2004, als dieser erfolglos den AStA
verklagte. Darüber hinaus schreibt Erdel weiterhin für die rechte
Tageszeitung Junge Freiheit. Juristisch hat er sich, laut eigener
Homepage,
offenbar auf Kaffeefahrten spezialisiert.
Auler
Martin
Auler, geb. 1981 in Trier, ist ebenfalls kein unbeschriebenes Blatt
innerhalb der regionalen Neonaziszene. Seinen eigenen Worten zufolge,
ist er bereits seit seinem achtzehnten Lebensjahr Mitglied der NPD,
in letzter Zeit aber, wegen "persönlichen Problemen" mit
Landes- und Kreisverband, primär in der JN aktiv. Darüber hinaus
ist er vorbestraft aus seinen Zeiten als Mitglied der Hooliganggruppe
"Moselfront". Auch er studierte erfolglos an der
Universität Trier, in diesem Fall BWL und
Tourismusmanagment.
Heuser
Karl Konstantin Friedrich
Heuser, geb. 1985 in Koblenz, studiert seit 2006 Jura in Trier.
Hierüber habe er auch Safet Babic und Martin Auler kennengelernt. Er
selbst sei in der Jungen Union in Koblenz-Metternich aktiv. Bei
seiner Vorstellung versuchte er sich deutlich als "anständiger
Bürger" zu inszenieren und betonte wiederholt, er sei in
diversen Gemeinden als Kirchenmusiker aktiv.
Zu den beiden
Anwälten von Auler und Heuser ist nichts weiter bekannt.
Die
Vorwürfe
8. Mai
Bezüglich der Kranzniederlegung am 8.
Mai letzten Jahres, wies Babic jede Schuld von sich. Er habe zusammen
mit Gerd Sohn die Anmeldung beim Rathaus eingeworfen. Spätestens
hier fiel Babics Rededrang auf. Selbst bei simplen Fragen antwortete
er ausschweifend und erzählte von Gott und der Welt ohne wirklich
zum Punkt zu kommen. Ob dies Taktik war oder doch eher Babics
Aufregung sei dahingestellt. Dabei sagte der NPD-Stadtrat etwa, dass
es in Trier eigentlich "keine rechte Szene" gebe, sondern
nur ein paar "nationale Idealisten" und deren Umfeld.
18.
Mai
Hiernach wollte der Richter Karl Heuser zu den Vorfällen
vom 18. Mai befragen. Dieser jedoch verweigerte die Aussage,
allerdings mit dem Hinweis, sie eventuell zu einem späteren
Zeitpunkt nachzuholen.
Weitaus redseliger zeigte sich dagegen
Martin Auler. Am Abend des 18. habe ihn Heuser angerufen und erzählt,
er habe beobachtet, wie einige Personen NPD-Plakate abgerissen
hätten. Auler habe daraufhin Babic angerufen und dieser habe gesagt,
er wolle mit Heuser zur Polizei, um dort Anzeige gegen die
Plakatabreißer zu erstatten. Auler sagte, er sei an dem Angriff
nicht beteiligt gewesen. Stattdessen habe er sich die ganze Zeit am
Plakatlager der NPD in der Geberstraße in Trier-Süd befunden.
Dorthin sei dann Babic gekommen, habe sich das Auto Aulers
ausgeliehen und sei zusammen mit den anderen Anwesenden, an die er
sich aber nicht erinnern könne, wieder weg gefahren. Später sei
Babic dann zu Fuß zu der Garage zurück gekehrt und hab ihm davon
erzählt, dass sie auf dem Weg zur Polizei in der Südallee mehrere
Verdächtige gesehen hätten und von ihrem angeblichen Festnahmerecht
Gebrauch machen wollten. Dies sei aber "ausgeartet", was
Babic zu tiefst bedauern würde, wofür dieser aber keine Schuld bei
sich sehen würde. Sodann seien er und Babic zusammen zu Aulers Wagen
gegangen, dort dann aber von der Polizei festgenommen worden.
Babic
selbst stimmte Aulers Schilderungen zu. Heuser habe ihn abgeholt, um
zusammen zur Polizei zu fahren und Anzeige zu erstatten. Auf dem Weg
zur Wache, hätten sie dann aber drei, "verdächtige"
Personen - "junge Leute", "im dem Stil, wie Autonome
angezogen sind" - an der Kreuzung Weberbach-Südallee gesehen.
Heuser habe in diesen, die von ihm beobachteten Plakatabreißer
wiederzuerkennen gemeint. Obwohl die Polizeistation zu diesem
Zeitpunkt nur wenige Meter entfernt ist, seien sie zuerst zum
Plakatlager gefahren, da er befürchtet habe, die Polizei könne zu
langsam sein und den dreien die Flucht gelingen. Dort habe er sich
dann Aulers Fahrzeug geliehen und sei mit den anderen Anwesenden - zu
denen er aber keine Angaben machen wollte -, sowie dem Wagen von
Heuser den drei "Verdächtigen" hinterher gefahren. Einzig
Auler sei beim Lager zurückgeblieben.
Sie seien dann an den
"Verdächtigen" vorbeigefahren und hätten in einer nahen
Seitenstraße geparkt. Dort habe er sich wieder bei Heuser erkundigt,
ob dies die von ihm beobachteten Plakatabreißer gewesen seien, was
bejaht worden sei. Er habe sodann entschieden, dass sie vom
Jedermann-Festnahmerecht (§ 127 Abs. 1 StPO) Gebrauch machen dürften
und hätten auf die drei Personen gewartet.
Zwischenzeitlich
hätten sich aber einige der Anwesenden vermummt, worüber er "selber
erschrocken" gewesen sei. Er selbst habe sich noch in der
Seitenstraße befunden, sodass er die sich nun entfaltende Situation
angeblich nicht sehen konnte. Erst als er die Hilferufe des späteren
Opfers vernommen habe, sei er nach vorne und um die Ecke gelaufen und
hätte "Hey! Schluss!" gerufen. Er habe dann das Opfer
zusammengekauert in der Ecke sitzen gesehen und sei bewusst mit "zwei
Armlängen Abstand" an ihm vorbeigelaufen. Heuser - der mit der
Rechtsszene in Trier nichts zu tun habe - habe sich dabei immer
hinter ihm befunden, folglich also, genauso wie er, nicht in der
Gruppe die das Opfer körperlich angriff.
Er sei sauer über
die "Undiszipliniertheit" der Leute und das Ganze insgesamt
eine "Mistaktion" gewesen. Vor allem habe er sich aber um
"weitere Eskalationen" in der Innenstadt gesorgt,
schließlich hätten "die Linken" ja Verstärkung rufen
können. Mit den Worten "Was ich definitiv sage ist, dass ich
den Mann nicht geschlagen oder getreten habe", endete der erste
Prozesstag am frühen Nachmittag.
Zwischenfazit
Insgesamt
wurde deutlich, dass zumindest die Aussagen von Auler und Babic
abgesprochen sein dürften. Insbesondere Aulers Einlassungen wirkten
wie auswendig gelernt. Die Strategie der Neonazis dürfte klar sein:
Auler spielt den Ahnungslosen, der mit der ganzen Sache nichts zu tun
habe. Babic hingegen inszeniert sich als rechtschaffender Bürger,
der bloß einige Kriminelle zur Rede stellen wollte und dem dann die
Situation unglücklicherweise aus den Händen geglitten sei. Mehr
noch, er stellt sich als guter Samariter dar, der erst die weitere
Misshandlung des Opfers gestoppt habe. Beide verurteilten zudem
mehrfach Gewalt, jedoch nicht ohne auf die angebliche
Gewaltbereitschaft der linken Szene in Trier hinzuweisen. Offenbar
soll so auf jedenfall eine Verurteilung Aulers verhindert werden,
sowie alle weiteren Beteiligten - an die sich Auler angeblich nicht
erinnern kann und zu denen Babic nichts sagen will - gedeckt
werden.
Bei ihren Aussagen verhedderten sie sich allerdings in
(kleinere) Widersprüche - Babic schilderte etwa in der Tatnacht
gegenüber der Polizei einen anderen Hergang - oder machten nur sehr
ungenaue Angaben - Babic sprach etwa immer unbestimmt von "später"
oder "weiter hinten" und kam bei Nachfragen nach genauen
Zeit- und Raumangaben sichtlich ins Schleudern.