Antifademoprozess: Exekutives Justizspektakel im Freiburger Amtsgericht

[Freiburg, 04.10.2010] Kundgebung gegen Antifa-Demo-Prozess

Am 4.Oktober 2010 wurde vor dem Amtsgericht Freiburg vier Linken der Prozess gemacht. Ihnen wurde vorgeworfen sich bei der verhinderten Antifa-Demo am 14.11.2009 in Freiburg vermummt zu haben. Zwei Verfahren, darunter eins wegen zuzüglichem Landfriedensbruch, wurden gegen die Zahlung einer Geldauflage eingestellt. Zwei AktivistInnen wurden zu jeweils 10 Tagessätzen a 10€ verurteilt. Am Rande des Prozesses wurde erneut ein solidarischer Prozessbeobachter festgenommen und auf dem Revier ED-behandelt. Von einem weiteren Teilnehmer einer Soli-Kundgebung wurden die Personalien festgestellt, weil angeblich ein Anfangsverdacht wegen Beleidigung vorlag. Vor und in dem Gerichtssal wurde der Prozess mit Zwischenrufen, Kaffee und einem Redebeitrag begleitet.

BZ-Bericht

 

Der Prozess begann mit der Festnahme eines Beobachters, der für die Angeklagten noch einen juristischen Text besorgen wollte. Dieser wurde einer erkennungsdienstlichen Behandlung unterzogen und dann wieder freigelassen. Die Richterin Stückrath verlegte - evtl. inspiriert durch die mediale Kritik an der politischen Polizei und dem folgenden Rüffel der Richterin Lempfert vor zwei Wochen - den Prozessbeginn bis zur Freilassung.

Um 9 Uhr begann dann der Prozess. Nach den Formalitäten wurde Harry Hochuli vernommen. Mit multimedialer Unterstützung ("Das ist die entscheidende Szene!" Staatsanwalt Rink, als man im Video absolut nichts erkennen kann) unterhielt der wie immer selbstbewusst gekleidete Polizeioberrat uns fast drei Stunden lang mit seinen gut erzählten Geschichten über Feldherren, Surreales, Eskalationen durch grüne Lokalpolitiker und Ziethens Geisteszustand.

Entgegen den "sehr künstlerisch gestalteten Plakaten, sowas würde man ja nicht so oft sehen" fiel ihm unangenehm auf, "dass im Vorfeld Leute, die gar nicht nach Freiburg gehören, bewaffnet und vermummt rumgelaufen sein", und dass "an dem Tag sehr viele Vögel durchgeflogen sind, Tauben. ... Man kann nicht sagen, wieviele Teile geworfen wurden und was Tauben waren. "

"Warum [die Demo in den Stühlinger wollte], isch klar: dort wohnt in der Wentzingerstraße ein als Rechter enttarnter Bürger." Soviel Einsicht begrüssen wir, aber dass die Demo einfach loslaufen wollte, "wie es früher war," ging ihm dann doch zu weit. "Ich habe das ausgeschlossen."
Mit Bezug auf das Pro-Vermummungsurteil aus Hannover stellte der Bullenoberrat klar, "dass bei uns, so die Linie der Polizeidirektion, diese Urteile nicht gelten. Weil wir keine so ausgeprägte rechte Szene haben." Aber relativ sei alles: Auf die Frage, ob es Nazi-Vorkommnisse bei Demos gab sagt Hochuli: "Ja, da gab es einige."

 

Als positives Fazit hielt er fest: "Jetzt hatten wir am 14.11. die Möglichkeit, mehr Leute einer Personalienfeststellung zu unterziehen, als das sonst der Fall ist."

Während der Vernehmung wurde noch kurzerhand das erste Verfahren eingestellt. "150€? Da kann ich mitgehen!", so Staatsanwalt Rink.

Danach wurden drei Freiburger Streifenpolizisten vernommen. Idealtypisch hier die Vernehmung des zweiten:

  • Guten Tag. Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat. Ihre Personalien?
  • Plotzek, Marko, 28 Jahre alt, verheiratet, zu laden über das Revier Nord, Freiburg
  • Es geht um den Angeklagten. Können sie etwas zu ihm berichten?
  • Nein. Hm, nein, ja, lediglich. Wir wurden an dem Tag aufgefordert, Personalien festzustellen. Das haben wir getan und diese dann dem Kollegen, der g'rad' raus ist, übergeben.
  • Noch Fragen an den Zeugen?
  • Kopfschütteln
  • Danke fürs kommen. Ich unterschreibe noch ihre Ladung.

Nach diesen drei völlig überflüssigen Zeugen wurde dann auch das zweite Verfahren, diesmal gegen die Zahlung von 500€ eingestellt, nicht ohne die obligatorische Pause für die "demokratische und autonome" Entscheidungsfindung einzufügen (sehr oldschool Frau Stückrath).

Im Plädoyer des Staatsanwalts wurde mal wieder festgestellt, "dass es sich beim Vermummungsverbot um eine politisch recht umstrittene Sache handelt", auch seien die verbliebenen zwei Angeklagten "kein klassischer schwarzer Block", sondern "die Vermummung war etwas individueller".

 

Trotzdem forderte Herr Rink jeweils 50 Tagessätze a 10 €. Die Angeklagten plädierten auf Freispruch.

Das Urteil lautete schließlich auf jeweils 10 Tagessätze a 10€ plus Gerichtskosten, denn letztlich sei die Strafvorschrift vertretbar. Die Menschen sollten offen ihre Meinung kundtun - unmaskiert, nicht feige.

Frau Stückrath sieht eine wenigstens "diffuse Bedrohung" durch Nazis. Aber das Vorgehen der Polizei in der Vergangenheit zeige doch, dass die Polizei wehrhaft und gegen Nazis auch hilfsbereit sei. Insbesondere wenn man den Herrn Harry Hochuli hier vier Stunden sähe, der nett sei, mit dem man reden könne - "es gibt da mit Sicherheit auch andere Beamte" - verstehe sie nicht, wieso nicht alle friedlich demonstrieren. Und die Leute, die einkaufen wollen, einkaufen, und die Ladenbesitzer ihre Geschäfte öffnen können.

Weiterhin strafmildernd sei, dass aufgrund der massenhaften Verteilung der Masken durch die DemoveranstalterInnen und den gleichzeitig stattfindenden Verhandlungen auf Augenhöhe mit der Polizei ein Gefühl der Legitimität eingetreten sei.

Aber: "Habe ich das Recht, mich zu vermummen, wenn ich sonst von gefährlichen Leuten fotografiert werde? Die Antwort ist ganz klar: nein." Trotz alledem...