Reichsflugscheiben aus zweiter Hand

Erstveröffentlicht: 
16.09.2010

16.09.2010 / Inland


Reichsflugscheiben aus zweiter Hand

 

Autonome Antifa Freiburg outet Moderator des größten extrem rechten Internetforums

 

Von Peter Sonntag 

 

Eine Freiburger Antifagruppe erhebt schwere Vorwürfe gegen einen 36-jährigen Gebrauchtwagenhändler aus München. Der soll langjähriger Moderator im Naziforum »Thiazi«, einer der größten Internetplattformen der rechten Szene, sein.

 

Würden sie von diesem Mann einen Gebrauchtwagen kaufen? Das Foto, das für den Familientag im Autohaus Morigl wirbt, zeigt einen nicht unsympathisch wirkenden Mann mit kurzen Haaren und einer dicken Hornbrille. Sein Arbeitgeber in München-Germering dürfte vom Doppelleben seines Angestellten nichts wissen. Bislang.

 

Denn dass P. H. seit 2006 Moderator im Internet-Naziforum »Thiazi« ist, wusste er bislang gut zu verbergen. Jetzt machte die Autonome Antifa Freiburg (AAF) nach gründlicher Recherche ihre Informationen öffentlich. Unter dem Pseudonym »Feldherr« spiele H. in dem Forum eine aktive Rolle als Moderator, heißt es in dem Dossier der AAF, das seit heute auch im Internet zu lesen ist.

 

Ein anderes Bild zeigt H. am Steuer eines Autos. Um den Hals trägt er eine »Schwarze Sonne«, ein aus im Kreis angeordneten Siegrunen bestehendes zwölfarmiges Hakenkreuz. Die Sonne gilt als Erkennungszeichen der Neonazis und als Symbol sowohl für neuheidnische Religion als auch für die Mystik der SS.

 

Bereits seit Oktober 2004 ist der 36-Jährige im Naziforum angemeldet, zeigt ein kurzer Blick auf die Homepage. Der »Feldherr« moderiert die Bereiche »Wissenswertes« und »Geschichte«, mit ihren rund ein Dutzend Unterbereichen. Dort debattierten Nazis über ihre Essgewohnheiten, Verschwörungstheorien, Tagespolitik und Geschichtsthemen.

 

Als H. sich erstmals dort anmeldete, hieß das Forum noch »Skadi«, war eine internationale, überwiegend englischsprachige Plattform für Alt- und Neonazis, Rassekundler und Anhänger nordischer Mythen aller Brauntöne. Der deutschsprachige Bereich spaltete sich im Jahr 2007 ab und wurde das Thiazi-Forum. Schon bei Skadi habe sich H. als Anhänger von Verschwörungstheorien profiliert, heißt es im Dossier. Der »Feldherr« glaubt an die »Reichsflugscheibe«, ein mythisches Fluggerät, das unter den Namen Vril, V 7 oder Rundflugzeug immer wieder in Debatten auftaucht. Es gilt als Beweis für geheime »Hochtechnologien« der Nazis. Auch »Neu Schwabenland«, jener geheime Ort, an dem das Nazireich tief im Eis der Antarktis nach Ansicht einiger putziger Zeitgenossen überlebt haben soll, ist für H. Realität. Nur ein Spinner ist der »Feldherr« aber nicht, sondern eher ein strammer und ideologisch gefestigter Neonazi, der doch nicht recht ins gängige Bild vom Nazi passen will.

 

Nach einem kurzen Intermezzo in der Hooliganszene in seinem Geburtsort Weißenfels verhalte sich H. unauffällig, sagt die AAF. Seine rechte Tätigkeit beschränke sich auf das Virtuelle. Er sei nicht als Mitglied einer Kameradschaft oder bei rechten Aufmärschen aufgefallen. Das aber habe auch gute Gründe. »Je höher man bei Thiazi aufsteigt, desto mehr führen die Leute ein Doppelleben.« Umso mehr hätten sie auch zu befürchten, wenn ihre Identität bekannt wird, sagte ein Sprecher der AAF gegenüber ND. Deshalb wähle die Gruppe auch diese Strategie des »Outens«, um langfristig das Forum als Tummelort für Nazis unattraktiver zu machen.

 

Die rund 20 Moderatoren des stramm hierarchisch organisierten Thiazi-Forums sind weitgehend unbekannt. Im Sommer outete die AAF eine Thiazi-Moderatorin, die ihre Tätigkeit daraufhin einstellte – wie auch ein anderer Moderator. Thiazi-Nutzer heißen »Hans_Rudel«, »Sturmgeschütz« oder »deutscheMutter«. Hakenkreuze, Bilder von SS- und Nazigrößen sind allgegenwärtig. In Diskussionen wird der Holocaust geleugnet und zur Gewalt gegen alles »Undeutsche« aufgerufen – bis hin zur Vergasung von Juden. Da Thiazi auf einem Server in den USA liegt, ist dem mit hiesigen Gesetzen nicht beizukommen. Loyale Moderatoren seien Bedingung für den reibungslosen Betrieb des Forums, schreibt die AAF. Ein wenig dürfte ihr aktuelles Dossier das nun gestört haben.

 

Das vollständige Dossier unter: linksunten.indymedia.org/de/node/2542