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                    09.07.2010        
        BERLIN (Eigener Bericht) - Schwere Vorwürfe gegen die 
deutsche Polizei erhebt die Menschenrechtsorganisation Amnesty 
International (AI). Wie es in einem aktuellen Bericht heißt, den AI am 
gestrigen Donnerstag veröffentlicht hat, kommt es in der Bundesrepublik 
immer wieder zu "mutmaßlicher Misshandlung und unverhältnismäßiger 
Gewaltanwendung durch Polizeibeamte". Den offiziellen Ermittlungen in 
diesen Fällen verleiht die Menschenrechtsorganisation das Prädikat 
"mangelhaft"; häufig kämen die Täter ohne Konsequenzen davon. AI warnt 
explizit vor einem sich inzwischen abzeichnenden "Klima der 
Straflosigkeit". Die Vorwürfe wiegen umso schwerer, als die 
Bundesregierung die Polizei in wachsendem Maße im Ausland einsetzt. 
Dabei geht es nicht nur um Ausbildungsaktivitäten; Polizisten werden 
auch für repressive Aufgaben genutzt, um die deutschen Streitkräfte in 
besetzten Staaten zu entlasten. Kritiker heben hervor, dass die Polizei 
bei Einsätzen im Ausland noch geringerer Kontrolle unterliegt als im 
Inland.
Misshandlungen
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International 
(AI) erhebt schwere Vorwürfe gegen die deutsche Polizei. In einem am 
gestrigen Donnerstag veröffentlichten Bericht dokumentiert AI 18 
exemplarische Fälle aus den vergangenen fünf Jahren, in denen 
"ernstzunehmende Vorwürfe von mutmaßlicher Misshandlung und 
unverhältnismäßiger Gewaltanwendung durch Polizeibeamte in Deutschland" 
bekannt wurden. Darunter finden sich mehrere Fälle, in denen Personen am
 Rande von Demonstrationen niedergeknüppelt wurden, aber auch Todesfälle
 in Polizeigewahrsam, etwa der Tod eines Mannes aus Sierra Leone in 
einer Polizeizelle in Dessau (Sachsen-Anhalt), der bis heute nicht 
aufgeklärt ist.[1] Zu den Opfern von Polizeigewalt, die der AI-Bericht 
erwähnt, zählt auch eine AI-Mitarbeiterin, die, als unbeteiligte 
Beobachterin, am Rande einer Demonstration von Polizisten zu Boden 
geschlagen wurde und einen Rippenbruch davontrug. AI befürchtet 
außerdem, "dass in einigen der Organisation zur Kenntnis gebrachten 
Fällen rassistische Diskriminierung eine Rolle spielte". So berichtet 
eine Deutsche afrikanischer Abstammung davon, wie sie von Polizisten 
misshandelt wurde; einer der beteiligten Beamten habe ihr nach ihrer 
Beschwerde darüber gesagt, sie solle "die Hautfarbe wechseln".[2]
Ermittlungen: "Mangelhaft"
AI kritisiert in dem Bericht darüber hinaus, "dass die
 Ermittlungen bei Anzeigen gegen Polizisten mangelhaft waren". So seien 
"in der Mehrzahl der Fälle die Ermittlungen ohne Anklageerhebung von der
 Staatsanwaltschaft eingestellt" worden. Gelegentlich konnten die Täter 
nicht festgestellt werden, weil die Uniformierung eine zweifelsfreie 
Identifizierung unmöglich machte. Korpsgeist spielt offenbar eine 
bedeutende Rolle. So sagten alle 12 Polizisten, die bei der Attacke auf 
die AI-Mitarbeiterin anwesend waren, aus, sie hätten den Übergriff nicht
 bemerkt; die Staatsanwaltschaft urteilte, dies sei "zwar äußerst 
unwahrscheinlich, jedoch nicht unmöglich". AI resümiert, "dass das 
gegenwärtige System", in dem "die Polizei unter Aufsicht der 
Staatsanwaltschaft die Ermittlungen führt", "keine umgehenden, 
unparteiischen, unabhängigen und umfassenden Untersuchungen aller 
mutmaßlichen Menschenrechtsverletzungen durch die Polizei gewährleisten 
kann". Abschließend heißt es in dem Bericht: "Die Organisation 
befürchtet, dass dies ein Klima der Straflosigkeit zur Folge haben 
kann".[3]
Auslandsinterventionen
Die Vorwürfe wiegen umso schwerer, als die 
Bundesregierung die deutsche Polizei in wachsendem Maße im Ausland 
einsetzt. Dies gilt nicht nur für sämtliche Grenznachbarn der 
Bundesrepublik, mit denen Berlin bilaterale Abkommen geschlossen hat, 
die der deutschen Polizei grenzüberschreitende Operationen gestatten.[4]
 Auch bei deutschen Interventionen in aller Welt werden in zunehmendem 
Maße Polizisten eingesetzt. Über die Ursache erklärte 
Bundesinnenminister Thomas de Maizière im letzten Jahr, "militärisches 
Eingreifen und ziviler Aufbau" in den besetzten Ländern müssten "Hand in
 Hand gehen", um die betroffenen Staaten "nachhaltig zu 
stabilisieren".[5] Zu den "wichtigsten Elementen" gehöre "die 
Durchführung internationaler Polizeimissionen". Dabei geht es besonders 
um Zweierlei: Während in einigen Ländern die deutsche Polizei repressive
 Tätigkeiten übernimmt, wird sie in anderen eingesetzt, um die dortigen 
Repressionsbehörden aufzubauen oder an deutschen Mustern zu orientieren.
Auch repressiv
Die deutschen Polizeiinterventionen nehmen 
systematisch zu. Kamen im Jahr 1989 erstmals 51 Beamte des 
Bundesgrenzschutzes (heute: Bundespolizei) im Rahmen einer 
UN-Intervention zum Einsatz - in Namibia -, beschlossen die 
Innenminister der deutschen Bundesländer im November 1994, dass auch 
Beamte der regulären Länderpolizeien an Auslandseinsätzen teilnehmen 
dürfen. 1999 wurden erstmals deutsche Polizisten im Ausland - im Kosovo -
 mit der "Wahrnehmung aller präventiven und repressiven Polizeiaufgaben"
 betraut.[6] Insgesamt hat sich die Bundesrepublik - Stand August 2009 -
 mit mehr als 5.660 Polizisten an internationalen Polizeieinsätzen 
beteiligt.[7] Heute sind mehr als 270 Beamte regelmäßig in Einsätzen in 
gut zehn Staaten auf drei Kontinenten präsent. Auslandsinterventionen 
der Polizei haben gegenüber Interventionen der Bundeswehr aus Sicht der 
Bundesregierung den Vorteil, dass sie nicht vom Parlament beschlossen 
werden müssen und die Bundeswehr von einfachen Besatzungsaufgaben 
entlasten. Damit ermöglichen sie Berlin eine deutliche Flexibilisierung 
der Besatzungspolitik.
Nicht aufgeklärt
Kritiker heben hervor, dass die Polizei bei den 
boomenden Einsätzen im Ausland noch geringerer Kontrolle unterliegt als 
im Inland. So monieren Bundestagsabgeordnete der Fraktion Die Linke, 
dass die Bundesregierung selbst auf Anfrage "keine Angaben zu 
sicherheitsrelevanten Vorfällen" macht, denen deutsche Polizisten im 
Ausland ausgesetzt waren.[8] Vor nur wenigen Jahren waren deutsche 
Polizeibehörden im Zusammenhang mit dem sogenannten Anti-Terror-Krieg in
 mehrere Folterskandale involviert, die bis heute nicht umfassend 
aufgeklärt worden sind (german-foreign-policy.com berichtete [9]). Der 
aktuelle AI-Bericht belegt beträchtliche Missstände bei der Polizei im 
Inland - und damit bei der personellen und organisatorischen Basis für 
die stetig zunehmenden Polizeiinterventionen in aller Welt.
[1] s. dazu Kein 
Rechtsstaat mehr
[2], [3] Amnesty International: Täter unbekannt. Mangelnde Aufklärung von mutmaßlichen Misshandlungen durch die Polizei in Deutschland, Juli 2010
[4] s. dazu Deutsche Polizei: Hoheitsbefugnisse in der Schweiz, Deutsche Polizei in Dänemark und Tschechien und Einsatzradius
[5] Deutsche Polizisten in internationalen Krisengebieten - Anerkennung und Dank für Geleistetes; Rede von Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière, Ahrensfelde 10.12.2009
[6], [7] Auslandseinsätze der deutschen Polizei. Informationsblatt Historie; www.bundespolizei.de August 2009
[8] Deutscher Bundestag, Drucksache 17/84, 27.11.2009
[9] s. dazu Die Folterer, Deutsch-syrischer Herbst, Geprüft und vernommen und Dieter Schenk: BKA - Polizeihilfe für Folterregime
[2], [3] Amnesty International: Täter unbekannt. Mangelnde Aufklärung von mutmaßlichen Misshandlungen durch die Polizei in Deutschland, Juli 2010
[4] s. dazu Deutsche Polizei: Hoheitsbefugnisse in der Schweiz, Deutsche Polizei in Dänemark und Tschechien und Einsatzradius
[5] Deutsche Polizisten in internationalen Krisengebieten - Anerkennung und Dank für Geleistetes; Rede von Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière, Ahrensfelde 10.12.2009
[6], [7] Auslandseinsätze der deutschen Polizei. Informationsblatt Historie; www.bundespolizei.de August 2009
[8] Deutscher Bundestag, Drucksache 17/84, 27.11.2009
[9] s. dazu Die Folterer, Deutsch-syrischer Herbst, Geprüft und vernommen und Dieter Schenk: BKA - Polizeihilfe für Folterregime
