Fünf Jahre NWDO-Verbot – ein lustloses Schaulaufen für Nazi-Devotionalien aus dem „antisem.it“-Versandhandel

The same procedure as last year?“ – „The same procedure as every year“ heißt es im Silvester-Klassiker „Dinner for One“. So ähnlich ist es auch bei den Veranstaltungen zum Jahrestag des Verbotes des Nationalen Widerstandes Dortmund (NWDO) am 23. August 2012. Der Unterschied ist nur, dass die NWDO-Veranstaltungen gefühlt immer lustloser werden. 70 Nazis fanden sich an der Katharinentreppe in der Dortmunder City ein – 250 AntifaschistInnen – aufgerufen von „BlockaDO“ – demonstrierten dagegen.

 

Von Marcus Arndt


Italienische Vergabestelle löschte die Dorstfelder Versandhandelsseite

 

Obwohl sie für sich reklamieren können, dass es sie noch gibt, den SPD-Politiker Ralf Jäger in seiner Funktion als NRW-Innenminister aber nicht mehr, ist die Kundgebung der Neonazis kein Triumphzug. Geradezu lustlos wirkt die Versammlung. Die immergleichen Reden, Anekdoten und Parolen. Der Applaus der Teilnehmenden nach den Wortbeiträgen der altbekannten Redner ist verhalten.

 

Fast scheint es so, dass solche Aktionen der Partei „Die Rechte“ nur noch dazu dienen, weitere Nazi-Devotionalien aus dem Versandhandel des Kundgebungsanmelders und „Die Rechte“-Ratsherren Michael Brück zu verkaufen. Doch der hat einen Dämpfer verpasst bekommen: Seine Internetseite mit dem geschmacklosen Namen „antisem.it-Versand“ wurde von den Behörden gelöscht.

 

Die italienische Vergabestelle für italienische Internetseite(IIT)  mit der Endung „.it“ löschte zum 20.08.2017 die Domain „www.antisem.it“. Unter dieser war der rechtsextremistische Online-Versandhandel des Dortmunder Neonazis Michael Brück im Internet erreichbar.

 

Der Name „Antisem“ ist von dem Neonazi natürlich nicht zufällig gewählt worden: Dieser ergibt zusammen mit der italienischen Endung .it das Wort „Antisemit“, ein Synonym u.a. für Judenhasser und entlarvt abermals die kranke Ideologie des erst kürzlich gewordenen Vater eines Sohnes Gewordenen.

 

„antisem.it-Versand steht in der Tradition des „Resistore“-Versandes

 

Es ist nicht der erste Versandhandel für Nazi-Devotionalien in Dortmund: Zusätzlich zu den Geschäften auf der Rheinischen Straße in den 2000er-Jahren hatte Dennis Giemsch, einer der führenden Köpfe des verbotenen NWDO und zweite Ratsherr der Partei „Die Rechte“, den Online-Shop „Resistore“ (Widerstand) auf die Beine gestellt. Dafür hatte er sogar im Jahr 2006 Fördergelder der Agentur für Arbeit und bekommen.

 

Hier bot Giemsch in seinem Online-Versand Plakate, T-Shirts, Aufkleber usw. mit rechtsextremen Parolen, aber auch Waffen und Stahlkugelmunition sowie Pfefferspray an. Neonazis aus der ganzen Welt konnten auf das Sortiment des geschäftstüchtigen Informatikers zurückgreifen.

 

Die Bundestagsabgeordnete der Partei „Die Linke“ Ulla Jelpke sagte damals in einer Stellungnahme für die Westfälischen Rundschau (WR): „Als Giemsch die Förderung beantragte, war er längst ein stadtbekannter Neonazi, der neonazistische Aufmärsche angemeldet sowie Flugblätter zu verantworten hatte”, so Jelpke. Er sei zudem schon bundesweit in den Medien als Führungsperson der „autonomen Nationalisten” bekannt gewesen. Daher sei es vollkommen unverständlich, warum Giemsch die Förderung erhalten habe.“


„Angesichts der Gewaltbereitschaft der Dortmunder Neonaziszene erscheint es besonders brisant, dass die Szene sich mit Unterstützung der öffentlichen Hand mit potenziell tödlichen Waffen ausstatten kann“, zitierte die WR die damalige Sprecherin der Antifa-Union Dortmund, Kerstin Wiedemann.

 

Nachdem der öffentliche Druck auf die Dortmunder Agentur für Arbeit immer größer wurde, forderten diese Monate später den Förderbetrag zurück. Die Behörde teilte damals dem WDR auf Anfrage mit, dass aus den Unterlagen zur Beantragung der Fördergelder der rechtsradikale Hintergrund nicht ersichtlich gewesen sei.

 

Verbot des NWDO bedeutete auch das Ende des „Resistore“-Naziversandes

 

Nach dem der ehemalige Innenminister Ralf Jäger (SPD) am 23.08.2012, neben anderen rechtsextremistischen Vereinigungen in NRW, auch den NWDO verbot, kam es auch zu einem Verbot des Neonazi-Versandhandels „Resistore“.

 

Nur wenige Wochen nach dem Verbot registrierte Michael Brück die Domain „Antisem“ bei der italienischen Vergabestelle. Ab Dezember 2012 begannen die Aktiven um Giemsch und Brück den Online-Versand „antisem.it“ fleißig zu bewerben. Aufgrund des judenfeindlichen Namens, verbreitet sich die Nachricht innerhalb der rechten Szene damals rasant.

 

Neuer Name, alte Strukturen – und das nicht nur beim Versandhandel, sondern auch bei den Neonazis, welche größtenteils nach dem Vereinsverbot des Innenministers in die Partei „Die Rechte“ wechselten und somit unter dem Deckmantel und Schutz des Parteiengesetzes schlüpften.

 

Rechtsextremistische Propaganda in Form von T-Shirts, Aufklebern, und Flyers fanden sich binnen kürzester Zeit genauso wieder, wie auch die Steinschleudern, Stahlkugeln und Pfeffersprays.

 

„Heidenau-Rabatt“: Brück ist immer auf Provokation und Öffentlichkeit aus

 

Immer am Rande der Legalität, aber zumeist geschmacklos und auf Provokation aus, warb Brück mit seinem Versandhandel. So auch als Rechtsextreme in Heidenau gegen Flüchtlinge hetzten, Unterkünfte in verschiedenen Städten brannten und die sogenannten „besorgten Bürger“ auf die Straße gingen, bot der geschäftige Neonazi Stahlkugeln, Pfefferspray, Sturmhauben usw. alles zum sogenannten „Heidenau-Rabatt“ an. Zur Steinschleuder gab es als Rabatt 50 Stahlkugeln gratis dazu. Nach vorliegenden Informationen soll der geschäftige Brück kaum nachgekommen sein, die Bestellungen abzuarbeiten.

 

Dieses dürfte sich jetzt erstmal ändern, nachdem die italienische Vergabestelle die provokative Internetseite jetzt gesperrt und die Seite gelöscht hat. Zwar ist das rechtsextreme Onlineversandhaus weiterhin über eine andere – deutlich unattraktive – Webadresse erreichbar. Doch leichter macht es das Geschäft für Brück nicht. Zumal mittlerweile die meisten Aktiven mit T-Shirts und anderen Devotionalien ausgestattet sind.

 

So auch beim fünften Jahrestag des NWDO-Verbots, wo fast alle TeilnehmerInnen und Redner entsprechende Shirts aus dem Versand von Brück trugen. Selbst der frühere Dortmunder Feuerwehr-Chef hatte sich „zu Ehren des Tages“ in eines der gelben Motto-Shirts gezwängt, bevor er zum Mikro griff und auch erneut und bereitwillig Interviews für die Nachrichten-Agentur „ruply“ gab – sie gehört zu Putin Propaganda-Maschine „Russia Today“.

 

Demonstrationsgeschehen blieb friedlich und zum Glück ereignislos


Selbst als die Antifa-Demo von „BlockaDO“ auf dem Wilhelmplatz in Dorstfeld ankam, wirkten die Nazis fast schon lethargisch. Einige Fahnen an den Häusern, das mittlerweile obligatorische „HTLR“-Banner als Anspielung auf „Hitler“ am Haus. Die mittlerweile aus der City zurückgekehrten KundgebungsteilnehmerInnen verstärkten sich mit einigen KameradInnen, die als „Stallwache“ zu Hause geblieben waren.

 

Rund 90 Neonazis verfolgten, die die 250 AntifaschistInnen ihre Abschlusskundgebung abhielten. Sie machten deutlich, dass Dorstfeld nicht ein „Nazi-Kiez“ sei und sie die BürgerInnen nicht alleine lassen würden mit den Neonazis. Sie machten deutlich, dass sie jederzeit die Bevökerung unterstützen würden. Außerdem erinnerten sie an die Ausschreitungen vor 25 Jahren in Rostock-Lichtenhagen und Naziverbrechen in Dortmund während des Dritten Reiches.

 

Doch Provokationen durch die Neonazis blieben aus. Keine Wortgefechte, keine Störmanöver, keine Pyrotechnik. Nur die Fotografen der Neonazis waren fleißig im Einsatz, die GegendemonstrantInnen zu fotografieren, um diese Bilder dann erneut für „Outing“-Aktionen zu nutzen. Dies konnten sie – wie immer – fast ungehindert durch die Polizei tun. Ein entsprechendes Plakat mit dutzenden Namen und Gesichtern von AntifaschistInnen wurde erst in den vergangenen Tagen wieder illegal in der Stadt plakatiert.

 

„Früher war mehr Lametta“, scherzte ein gelangweilter Polizeibeamter – sichtlich froh darüber, dass es ein so ruhiger und ereignisloser Abend war. Es scheinen fast nur noch Rituale zu sein. Nur – anders als bei „Dinner for One“ – wesentlich lustloser.