Ad hoc news zu Sabine Rasch

Erstveröffentlicht: 
26.06.2010

Freiburger Nazigegner enttarnen Doppelleben einer Rechtsextremen - Gegen «Antifa»-Aktivisten wird inzwischen selbst ermittelt

 

Die 50-jährige Geschäftsfrau Martina Kreisch wirft so leicht nichts um. Doch was sie nun über das Internet erfuhr, hat sie doch schockiert: Eine gute Mannheimer Bekannte, Sabine R., soll eine getarnte Rechtsextremistin sein. «Die Vorwürfe gegen sie kann ich einfach nicht glauben», sagt Martina Kreisch, die sich seit Jahren mit Sabine R. in der Mannheimer Initiative «Löwen-Stark» für sozial benachteiligte Jugendliche einsetzt. Doch kursieren im Internet nicht nur Fotos, die Sabine R. auf Neonazi-Demonstrationen zeigen. Auch einschlägige Zitate der zehnfachen Mutter sind dort zu lesen. Auf dem Internet-Forum «Thiazi.net», einem der bedeutendsten deutschen Foren der rechtsextremistischen Szene, tritt sie als Wortführerin auf.

Die spektakuläre Enttarnung von Sabine R. ist eine der jüngsten Aktionen der Antifa Freiburg (AAF). Die beim Landesverfassungsschutz als linksautonom geltende Gruppe führt ihren Kampf gegen die extreme Rechte nicht nur auf der Straße, sondern auch mit dem Computer: Sie spüren führende Mitglieder der rechten Szene auf und stellen sie mit Namen, Foto und Adresse im Netz an den Pranger. Im aktuellen Fall ermittelt die Staatsanwaltschaft nun nicht nur gegen Sabine R. - weswegen ist derzeit nicht zu erfahren - sondern auch gegen die unbekannten Autoren wegen Verletzung von Persönlichkeitsrechten und des Datenschutzgesetzes.

Mit ihrer Internet-Recherche haben die Aktivisten schon diverse Konzerte von Neonazis verhindert und rechtsextreme Umtriebe vermeintlicher «Normal-Bürger» aufgedeckt. Im vergangenen Herbst hat die AAF die Polizei sogar auf die Spur eines mutmaßlichen Bombenbauers aus dem Schwarzwald mit Verbindungen zur NPD gebracht. Tatsächlich fanden die Beamten entsprechende chemische Stoffe sowie Anleitungen zum Bombenbau bei dem Mann.

Weil die Freiburger sich gegen Angriffe von Rechts schützen müssen, nennen sie weder echte Namen noch die Zahl ihrer Mitglieder. «Sie können mich Nikola nennen», sagt ein Aktivist der AAF. Wie er berichtet, waren im Fall Sabine R. keine illegalen Hacker-Aktivitäten nötig. «Wir haben etwa Bilder auf der persönlichen Internet-Seite der Frau mit dem uns vorliegendem Material verglichen.» Dabei habe sich gezeigt, dass es sich bei «Enibas» - der Moderatorin des Nazi-Netzwerks «Thiazi» - um die 50-jährige Sabine R. handelt. Schon der Name «Enibas», rückwärts geschrieben für Sabine, war ein Indiz. Die Großfamilie der 50-Jährigen war zuvor von zwei Fernsehsendern portraitiert worden - ohne dass den Journalisten damals etwas auffiel.

Unter ihrem Pseudonym soll sie im Internet etwa geschrieben haben: «'Wir müssen nun schmiegsam und anpassungsfähig sein' - wie es unser Führer so ergreifend sagte.» Auch berichtete «Enibas» angeblich, wie sie mit ihren Kindern Nazi-Flaggen näht und im Elternbeirat an den Schulen unauffällig agitiere.

Das kann der Vorsitzende des Mannheimer Gesamtelternbeirats, Matthias Mackert, nicht bestätigen. «Ich habe an allen Schulen recherchiert. Zurzeit zumindest ist die Frau nicht engagiert», sagt er. Gleichwohl hält er die Vorwürfe gegen die Frau für gerechtfertigt. Die im Internet veröffentlichten Fotos von den NPD-Demonstrationen zeigten tatsächlich Sabine R. aus Mannheim. Mackert lebt in der Nachbarschaft und kennt sie vom Sehen.

Wie es von der AAF heißt, enttarnen sie nur einflussreiche Rechtsextremisten. «Mitläufer, wie der Mann von Enibas, interessieren uns weniger», sagt Nikola. «Immerhin geht von führenden Nazis eine erhebliche Gefahr für Menschen unterschiedlicher Gesinnung aus», sagt der Mann, der auch nicht sein Alter nennen möchte. Daher sei es wichtig, dass Menschen, die tagtäglich mit gut getarnten Rechtsextremisten zu tun hätten, wüssten, wer ihnen gegenübersitzt.

Bei den Behörden gibt es offensichtlich keine klare Linie im Umgang mit den Freiburger Aktivisten. Denn neben den Ermittlungen gegen Unbekannt hat erst vor wenigen Wochen Innenminister Heribert Rech (CDU), bestätigt, dass Internet-Veröffentlichungen der AAF die Polizei auf eine heiße Spur gebracht hätten. Damals ging es um die Unterbindung eines Nazi-Konzerts im Enzkreis.

Beim baden-württembergischen Landesamt für Verfassungsschutz verfolgt man indes, dass die AAF mit ihrer gezielten Enttarnung nicht nur Persönlichkeitsrechte verletzt, sondern vermutlich auch weitere illegale Methoden verwendet, wie etwa Hacking. Dies sei aber schwierig aufzudecken oder nachzuweisen. «Die Antifa legt beim Outing einen gewissen Ehrgeiz zutage», sagt ein Sprecher. Als Quelle würden die Ergebnisse zwar nicht genutzt, «die Information mag aber interessant sein».

Das LKA hingegen bekennt, «unabhängig von der politischen Motivation» sei es gut, wenn es Hinweise zu Straftaten gebe. Zwar müsse man auch mögliche Straftaten der AAF verfolgen, sagt LKA-Sprecher Ulrich Heffner. Auf der anderen Seite könne man die Aktivitäten der AAF gegen Rechtsextreme aber auch im Sinne einer wehrhaften Demokratie deuten.

ddp/swo/fgr