Eine Straßensperre auf der Rigaer Straße in Friedrichshain – das kennt man bisher nur von Randalen der linksautonomen Szene im Samariterkiez. Doch für die Barriere, die am 1. August dort errichtet wird, ist allein das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg verantwortlich. Wegen „umfangreicher Bauvorhaben“ werde ein Abschnitt der Rigaer Straße auf einer Länge von 79 Metern komplett für den Verkehr gesperrt, heißt es, also auch für Radfahrer und Fußgänger. Für 19 Monate wird die Vollsperrung errichtet.
Stadtrat Andy Hehmke (SPD), zuständig für das Ordnungsamt im Bezirk, sagt: „Wir wollten so eine Situation vermeiden, die Straße komplett zu sperren. Doch die Verkehrssicherheit für Fußgänger, speziell für Kinder, ist anders nicht gegeben.“
Hassobjekt der linken Szene
Für die ungewöhnliche Maßnahme gibt es aber noch einen anderen wichtigen Grund. Nach Informationen der Berliner Zeitung soll die Berliner Polizei „erhebliche Sicherheitsbedenken“ gehabt und eine komplette Sperrung des Bauabschnitts gefordert haben. Die Behörden rechnen mit massiven Protesten und gewaltsamen Angriffen der autonomen Szene gegen eines der beiden Bauvorhaben auf dem Grundstück Nummer 70-73.
Dort errichtet der Bauunternehmer Christoph Gröner (CG-Gruppe) das Wohnviertel Carré Sama Riga. 133 Mietwohnungen und Gewerberäume sowie eine Tiefgarage mit 80 Plätzen baut die CG-Gruppe bis 2019. Die Mietpreise sollen nach Angaben des Investors zwischen 11 und 13 Euro kalt liegen. Etwa 34 Millionen Euro investiert das Unternehmen in das Projekt in „einer der gefragtesten Kiez-Lagen von Berlin“, wirbt die CG- Gruppe. Auf der anderen Straßenseite baut Kondor Wessels drei Stadthäuser mit einem Einkaufsmarkt im Erdgeschoss.
In dem Kiez mit seinen einst besetzten Häusern ist Gröners Bauvorhaben ein Hassobjekt der linken Szene und für viele ein Beispiel für Gentrifizierung. Es gab Demos gegen das Vorhaben. „Keine Rendite mit der Miete“ stand auf Plakaten. Der Bezirk hatte das Bauprojekt abgelehnt, erst nach Widerspruch beim Senat bekam Gröner die Erlaubnis. Am Holzzaun, der das über 5000 Quadratmeter große Grundstück sichert, waren Parolen gesprüht, auf Plakaten stand: „CG Gruppe informiert: Wir scheißen auf den Kiez. Es zählt nur der Profit“.
Offenbar rechnet die Polizei damit, dass sich diese Proteste verschärfen, wenn der Investor mit dem Bau beginnt. Allein in diesem Jahr registrierte die Polizei in der Rigaer Straße mehr als hundert Straftaten, darunter Sachbeschädigungen und Verstöße gegen das Versammlungsgesetz. Laut Polizei handele es sich fast ausschließlich um politisch motivierte Straftaten aus dem linken Spektrum. Innensenator Andreas Geisel (SPD) beobachtet ein verstärktes Anwachsen linksextremistischer Gewalt. Die Polizei hat ihre Einsätze rund um die Rigaer Straße verstärkt.
Bauunternehmer Gröner hatte sich im Juni in einem Offenen Brief an den Senat über Bedrohungen und Angriffe von Linksradikalen beklagt, ebenso über die ablehnende Haltung der Bezirkspolitiker, „die sich gegen geltende Gesetze und Vorschriften positionieren“.
Gefahr für Polizisten
Unter diesen Voraussetzungen hatte die Polizei „erhebliche Bedenken“, die Straße während des Baus auf einem schmalen Durchgang für Fußgänger freizuhalten. Polizisten könnten darin in eine Falle gelockt werden, lautet eine interne Einschätzung. Etwa, wenn Gegner die Baustelle attackierten und herbeigerufene Polizisten von beiden Seiten der „tunnelähnlichen Gasse“ entlang der Baustelle angegriffen würden. Die Polizei kommentiert den Vorgang nicht.
Stadtrat Hehmke sagt, die Vollsperrung führe jetzt zu Unverständnis bei den Bewohnern und dem Vorwurf, der Bezirk würde dem Investor einen Vorteil verschaffen, weil sein Bauvorhaben durch die Vollsperrung schneller vorankomme. Hehmke betont, die Verkehrssicherheit stehe an oberster Stelle, es handele sich um eine Verwaltungsentscheidung, nicht um eine politische.
Auch Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) kritisiert die Vollsperrung. Das Viertel werde „hermetisch abgeriegelt“, sagte sie der Berliner Zeitung. Sie plädiert für eine „bewohnerfreundliche Lösung“ und wolle prüfen lassen, dass wenigstens Radfahrer und Fußgänger die Straße weiter nutzen können.