Wurzener Demo-Anmelder zählt zum Kern der Hamburger Autonomen

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Erstveröffentlicht: 
26.07.2017
Welcome-to-Hell-Veranstalter Andreas Blechschmidt: „Gewalt als politisches Mittel schließe ich nicht aus“

Von Haig Latchinian

 

Wurzen. Wer steckt hinter den Anmeldern der für die am 2. September geplante bundesweite Demonstration „Gegen Rassismus in Wurzen und Sachsen“? Die Behörden sprechen derzeit nur vom Bündnis „Irgendwo in Deutschland“. Offiziell. Intern überschlagen sich die Mails. Kein Wunder: Laut LVZ-Recherchen ist Andreas Blechschmidt der Anmelder der angekündigten Demonstration in Wurzen – jener Vorkämpfer der Hamburger Autonomen, der im Rahmen von G 20 auch den umstrittenen Aufzug „Welcome to Hell“ angemeldet hat.


Cornelia Hanspach, Sprecherin der Stadtverwaltung Wurzen, wollte das weder bestätigen noch dementieren. Nur so viel: „Sollte das stimmen, bezweifle ich, ob eine solche Veranstaltung dann tatsächlich noch vom Versammlungsrecht gedeckt ist.“ Demokratie, so Hanspach, sei ein hohes Gut. Sie dürfe aber nicht missbraucht werden. „Wenn die Demokratie keine Handhabe hat, die Bürger vor möglichem Krawall zu schützen, muss man fragen, was sie noch wert ist.“

 

Laut Marco Haase vom Hamburger Landesamt für Verfassungsschutz gilt Blechschmidt als Protagonist der Autonomen Szene. Seit Besetzung der „Roten Flora“, eines ehemaligen Theaters im Hamburger Schanzenviertel, sei er an verschiedenen Aktivitäten maßgeblich beteiligt. Er trete sowohl als Sprecher in der Öffentlichkeit sowie als Anmelder zahlreicher Veranstaltungen in Erscheinung. „Gewalt als politisches Mittel schließe ich nicht aus“, wird er in einem Interview mit dem Hamburger Abendblatt vom 17. September 2009 zitiert.

 

Die selbe Zeitung gibt ihn am 5. April 2011 mit den Worten wieder: „Gewalt ist selbstverständlich kein Selbstzweck, wir streben ja auch Zustände an, in denen es gewaltfreie Verhältnisse gibt. Aber leider sind diese Ziele nun einmal nicht gewaltfrei zu erreichen.“ Im Vorfeld der Welcome-to-Hell-Demo sagte Blechschmidt der „Zeit“, dass klar sei, „dass wir nicht die katholische Pfadfinderjugend versammeln. Es geht uns um eine kämpferische Demo“. Und: Militanz sei eine bewusste Regelübertretung. Sowie: „Sich im Vorfeld von Gewalt zu distanzieren bedeutet für uns, in die ideologische Falle der Gegenseite zu laufen.“

 

Der Grimmaer Volkmar Wölk, Mitglied der Landes-Arbeitsgemeinschaft Antifaschistische Politik der Linken, warnt davor, die geplante Demonstration im Vorfeld zu kriminalisieren. Gerade weil die Ereignisse in Hamburg sehr differenziert betracht werden müssten, so Wölk, sollte man den Anmeldern nicht reflexartig unterstellen, in Wurzen auf Gewalt aus zu sein: „Die Welcome-to-Hell-Demo ist für mich Beleg für staatliche Grundrechtsverletzung und unprovozierte Polizeigewalt.“ Die Demo habe, und das sei ein Einzelfall, keinerlei Auflagen bekommen: „Daher sind alle davon ausgegangen, dass die Demo erst gar nicht los laufen wird können. So ist es ja dann auch gekommen. Nach 300 Metern war Schluss. Zur Einschüchterung der Teilnehmer wurden Aktivisten niedergeknüppelt, Fluchtmöglichkeiten waren verbaut, Wasserwerfer kamen zum Einsatz.“ Nein, die Geschehnisse rund um G 20 seien für ihn kein Grund, dem Aufruf zur Demo nach Wurzen nicht zu folgen, so Wölk.

 

Andreas Blechschmidt, Anmelder des Wurzener Aufzugs, war am Dienstag für die LVZ nicht zu erreichen. Bereits in den nächsten Tagen wird er in Wurzen erwartet, um mit den Behörden über die geplante Demo zu sprechen. Die Stadtverwaltung, so Cornelia Hanspach, wolle keine Panik schüren. Schon am Dienstag sei sie fieberhaft bemüht gewesen, Kontakt zu den Anmeldern aufzunehmen: „Wir wollen ihnen klar machen, dass sich Wurzen in den vergangenen 20 Jahren weiter entwickelt hat und das Stigma der rechten Hochburg nicht mehr zieht.“