Nach den Ausschreitungen in Wurzen geht die Kommune in die Offensive. Mit einem Tischgespräch in der Stadtkirche St. Wenceslai versucht die Stadtverwaltung, eine Verständigung zwischen Einheimischen und Asylbewerbern herbeizuführen. „Alle waren sich einig, dass Wurzen eine Stigmatisierung als rassistische Kommune nicht verdient hat“, sagte Stadtsprecherin Cornelia Hanspach.
Wurzen. Vier Tische – viele Meinungen. 28 Gäste nahmen die Einladung der Wurzener Stadtverwaltung an und trafen sich vergangene Woche in der Stadtkirche St. Wenceslai. „Die Stadtverwaltung wollte Nachbarn zusammenbringen. Nachbarn, die zum einen einheimisch sind und zum anderen Nachbarn, die als Flüchtlinge nach Wurzen kamen“, sagt Stadtsprecherin Cornelia Hanspach und ergänzt: „Auch wenn es noch nicht glückte, dass auch die anwohnenden Asylbewerber an diesem Treffen teilnehmen, wurde dieser erste Termin als sehr erfolgreich bewertet.“
Denn Ziel der Zusammenkunft war, sich offen auszusprechen. Vor dem Hintergrund der Ereignisse am Pfingstwochenende und dem Tage später erfolgten Zug eines alkoholisierten Mobs vor das Wohnhaus von Asylbewerbern hatten alle Teilnehmer die Chance, Fragen zu stellen, Sorgen zu äußern sowie Anregungen. „Keine Belehrung, kein vorweggenommenes Richtig oder Falsch, keine politische Korrektheit – Offenheit war wichtig“, betont Hanspach. „Am Tischgespräch sollte jeder sagen, wie er bestimmte Dinge wahrnimmt.“
Der Erfahrungshorizont der Bürgerinnen und Bürger war gefragt. Zwischen Nachbarinnen und Nachbarn der Wenceslaigasse und Färbergasse, Vertretern verschiedener Hilfevereine und Mitarbeitern der Verwaltungen der Kommunen des Wurzener Landes entwickelten sich sehr schnell intensive Diskussionen. Die entspannte Atmosphäre machte es möglich, sowohl Erfahrungen auszutauschen als auch zu überlegen, wie künftig Nachbarn einander noch besser kennen lernen. „Alle waren sich darin einig, es braucht mehr solcher Kommunikationsformate, die es gestatten, die unterschiedlichen Wahrnehmungen zu Problemlagen auszutauschen und möglichst rechtzeitig abzuklären“, so Hanspach. Dazu könne auch ein Fußballspiel oder der Familientreff im Rahmen des Wurzener Land–Festes geeignet sein. Auch solle den Asylbewerbern Hilfestellung gegebenen werden, die Angst vor der Teilnahme an solchen Veranstaltungen abzubauen. „Nur die direkte und fachlich unterstütze Kommunikation kann dabei helfen, dass in Respekt voreinander die Akzeptanz für die Lage der jeweils anderen wachsen kann.“
„Alle waren sich einig, dass Angst kein guter Ratgeber ist und dass Wurzen eine Stigmatisierung als rassistische Kommune nicht verdient hat“, so die Stadtsprecherin weiter. Dazu müssten aber auch alle am Imagewandel arbeiten. „Das zahlreiche Engagement der Bürgerinnen und Bürger für Wurzen und die Region muss sichtbar gemacht und erleichtert werden. Und es sollen auch die in Wurzen lebenden Geflüchteten eingeladen werden, sich für ihre aktuelle Heimat zu engagieren. Auf keiner Seite sollen sich Zukunftsängste und Tatenlosigkeit verstätigen.“
Mit diesem Treffen „Auf bessere Nachbarschaft“ wurde der erfolgreiche Start für weitere Treffen im Rahmen des Projektes „Meine Zukunft – Wurzener Land“ gegeben. Ein Projekt, welches durch das Sächsische Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz, Geschäftsbereich Gleichstellung und Integration, gefördert wird, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Wurzen und im Wurzener Land zu stärken.
Von Ines Alekowa