Spionage unter Mitarbeitern: Volkswagen soll Militärdiktatur in Brasilien unterstützt haben

Erstveröffentlicht: 
24.07.2017

Abgaskrise, Kartellskandal, jetzt auch noch das: Volkswagen kooperierte in den Siebzigern laut einem Bericht mit der brasilianischen Militärdiktatur - und soll für sie Arbeiter ausspioniert haben.

 

Volkswagen hat sich während der Zeit der brasilianischen Militärdiktatur offenbar aktiv an politischer Verfolgung und Unterdrückung von Regimegegnern beteiligt. Die Konzerntochter Volkswagen do Brasil habe eigene Mitarbeiter und deren politische Gesinnung ausgespäht, berichteten "Süddeutsche Zeitung", NDR und SWR.

 

Informationen über Oppositionelle seien an die politische Polizei gelangt. VW-Mitarbeiter seien von ihr auf dem Firmengelände festgenommen worden. Der VW-Vorstand in Wolfsburg soll spätestens 1979 von Verhaftungen im brasilianischen Werk des Konzerns erfahren haben.

Die Medien berufen sich bei ihren Recherchen unter anderem auf interne VW-Unternehmenspapiere, Berichte des Auswärtigen Amtes und Akten der politischen Polizei der Militärdiktatur, die in dem Land von 1964 bis 1985 herrschte.

Volkswagen will sich dem Bericht zufolge vorerst nicht zu den Vorwürfen äußern und verweist auf ein Gutachten zur Rolle während der Militärdiktatur in Brasilien, das der Konzern bei dem Historiker Christopher Kopper in Auftrag gegeben hat. Kopper selbst sagte laut dem Bericht, es habe eine regelmäßige Zusammenarbeit zwischen dem Werksschutz von VW do Brasil und der Polizei gegeben. Und die Volkswagen AG habe "Verhaftungen zugelassen".

 

Kopper war im Herbst 2016 mit dem Gutachten beauftragt worden. Er soll "Licht in die dunklen Jahre der Militärdiktatur bringen sowie das Verhalten der damals Verantwortlichen in Brasilien und gegebenenfalls auch Deutschland aufklären lassen", teilte VW damals mit. Seine Ergebnisse werden bis Ende 2017 erwartet.

Ehemalige Volkswagen-Beschäftigte in Brasilien und Aktivisten hatten dem Konzern bereits 2015 vorgeworfen, während der Militärdiktatur die Verfolgung und Folterung von Regimegegnern erlaubt zu haben. Unter anderem sei zugelassen worden, dass mehrere Arbeiter einer Fabrik festgenommen und gefoltert wurden. Volkswagen-Mitarbeiter hätten auch schwarze Listen von Oppositionellen erstellt.

Die Bundesstaatsanwaltschaft in Brasilien ermittelt laut dem aktuellen Bericht nun darüber, welche Verantwortung Volkswagen do Brasil für "Menschenrechtsverletzungen innerhalb des Werksgeländes zur Zeit der Militärdiktatur" trägt.

Wie Volkswagen hatten sich in der Nachkriegszeit viele deutsche Firmen in Brasilien etabliert. Mercedes, VW, Mannesmann, Bayer, Siemens, Hoechst, BASF, Henkel. Degussa, Osram oder Merck - oder "alles, was Macht und Millionen repräsentiert in der deutschen Wirtschaft", wie es in einer Analyse des SPIEGEL 1987 heißt. VW do Brasil kostete den Wolfsburger Konzern zu Zeit der Diktatur allerdings auch Hunderte Millionen Mark Verlust - die große Zeit des Käfers war vorbei.

apr/AFP