Möglicherweise geht der Angriff auf einen linken Türken in Dortmund auf das Konto von Erdogans Agenten
Am 28. Juni soll sich der Überfall auf Orhan Batasul in einem Dortmunder Park ereignet haben - als der 23-Jährige auf dem Weg in das Zentrum des linken türkischen Vereins Day-Ev war. Dort habe er sich mit anderen Menschen treffen und zu einer Veranstaltung nach Köln fahren wollen, schilderte er in einem Gespräch mit der »jungen Welt«. Orhan Batasul ist Mitglied der Jugendorganisation Dev-Genc (Revolutionäre Jugend). Aus Dev-Genc, die es seit den 60er Jahren gibt, gingen zahlreiche politische Gruppierungen in der Türkei hervor. Darunter auch die DHKP-C, die in der Türkei verboten ist und in Europa sowie den USA als Terrororganisation gilt.
Bei dem Überfall von zwei türkischstämmigen Männern, die laut Batasul »wie Rocker« ausgesehen hätten, sei der junge Mann mehrfach geschlagen und schließlich zu Boden gestoßen worden. Einer der Männer soll ein Messer gezogen und gedroht haben, ihn zu ermorden, falls er sich wehren sollte. Informationen hätten sie von ihm eingefordert - zu seinen Aktivitäten bei Dev-Genc, zu Strukturen und zu Personen die in der Gruppierung aktiv sind.
Als sie von ihm abließen, soll ein Satz gefallen sein, der aufhorchen lässt: Dies sei ihr zweiter Besuch gewesen, der dritte würde nicht so glimpflich ausgehen, erzählte Batasul. Bei dem ersten Besuch habe es sich um einen sogenannten »Anquatschversuch« durch Mitarbeiter des Verfassungsschutzes gehandelt, der zwei Monate vor dem Übergriff erfolgt sein soll.
Dieser Übergriff wirft viele Fragen auf. Orhan Batasul ist sich sicher, dass die Männer, die ihn überfielen, türkische Rechte, sogenannte »Graue Wölfe« sind. Woher wissen die Rechten vom Besuch des Verfassungsschutzes, woher kennen sie Personen und Strukturen von Dev-Genc?
Henning von Stolzenberg, der in der Roten Hilfe aktiv ist, unterstützt Orhan Batasul. Er und antifaschistische Gruppen wollen am Samstag in Dortmund mit einer Kundgebung auf den Vorfall aufmerksam machen. Von Stolzenberg gibt gegenüber »nd« zu, dass sich die Geschichte von Batasul »seltsam« anhört, verweist aber auch darauf, dass es zu den Arbeitsweisen von Geheimdiensten gehöre, undurchsichtig vorzugehen. Der Verdacht, um Orhan Batasul mundtot zu machen, könnten der deutsche Verfassungsschutz, der türkische MIT und türkische Rechte kooperiert haben, steht im Raum.
Eine nd-Anfrage beim Bundesamt für Verfassungsschutz bringt nicht mehr Licht ins Dunkle. Nach einigen Tagen meldet sich eine Frau vom Geheimdienst telefonisch. Ob Orhan Batasul angesprochen worden sei, dazu könne sie nichts sagen. Dazu gäbe es grundsätzlich keine Angaben. Dev-Genc sei allerdings die »Jugendorganisation der terroristischen DHKP-C«. Im Kampf gegen Extremismus, heißt es, arbeite der Verfassungsschutz natürlich auch mit den türkischen Behörden zusammen. Gegen DHKP-C, PKK und IS sei das zwingend erforderlich. Auf der anderen Seite würde die Spionageabwehr des Verfassungsschutzes sich auch sehr genau mit den geheimdienstlichen Tätigkeiten der Türkei in Deutschland befassen.
Ob der Verfassungsschutz dabei erfolgreich ist, darf bezweifelt werden. Die »Welt« berichtete Anfang der Woche, dass es Bestrebungen des türkischen Geheimdienstes gäbe, Mitarbeiter beim Verfassungsschutz zu installieren. Wie erfolgreich die türkischen Agenten damit sind, ist allerdings unklar.
Im Fall von Orhan Batasul hatte, wer auch immer hinter dem Überfall steckt, schon einen gewissen Erfolg. In seiner Familie gebe es Ärger, sagte Batasul, man wolle nicht, dass er sich öffentlich äußere und bei Dev-Genc aktiv sei. Bei Reisen in die Türkei fürchten seine Angehörigen Repressalien.
Die Dortmunder Staatsanwaltschaft ermittelt wegen gefährlicher Körperverletzung. Bei dem Verdacht, es mit ausländischen Spionen zu tun zu haben, müsste jedoch die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen übernehmen. Die Unterstützer von Orhan Batasul fürchten, dass der Fall bei Polizei und Staatsanwaltschaft nicht ernst genug genommen werde. Bei einer Befragung Orhans sei es mehr um seine Aktivitäten bei Dev-Genc als um den Überfall gegangen. Auch seien ihm relativ wahllos Bilder von türkischen Jugendlichen gezeigt worden, berichtet Orhan Batasuls Freund Abdullah Ates.