Im Kampf gegen Schwerverbrecher rüsten fünf ostdeutsche Bundesländer auf: Ab 2019 soll von Leipzig aus die Telekommunikation in einer gemeinsamen Zentrale überwacht werden.
Leipzig. Die Innenminister der fünf Bundesländer unterzeichneten gestern in Leipzig den entsprechenden Staatsvertrag für das Projekt mit dem sperrigen Namen Gemeinsames Kompetenz- und Dienstleistungszentrum (GKDZ) zur Telekommunikationsüberwachung. „Es geht nicht darum, den rechtstreuen Bürger auszuschnüffeln, sondern um die Verhütung und Aufdeckung von schweren Straftaten“, stellte Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) klar.
Konkret ist geplant, die bisherige Spezialistenarbeit aus den Landeskriminalämtern zu bündeln. Das heißt, zum Beispiel SMS-Nachrichten oder Telefonkontakte zu überwachen, aber auch Internetverbindungen. Davon hatte es im Jahr 2015 allein in Sachsen 363 Verfahren gegen rund 1000 Verdächtige gegeben.
Daneben ist auch das Auslesen von sogenannten Quellen-Codes geplant: Da unter anderem Dienste wie Whatsapp die Mitteilungen in Chats verschlüsseln, haben Ermittler bislang kaum Möglichkeiten, an die Ursprungsnachrichten zu gelangen. Um ein solches Vorgehen rechtlich abzusichern, muss allerdings noch der gesetzliche Rahmen geändert werden, was momentan diskutiert wird.
Gemeinsam handeln
„Das gemeinsame Handeln stärkt die innere Sicherheit in unseren Bundesländern“, erklärte Thüringens Innenminister Holger Poppenhäger (SPD) und wehrte sogleich Bedenken ab, dass möglicherweise Kompetenzen überschritten würden: „Es wird das gemacht, was unsere Polizei ohnehin auf einer weitaus schlechteren Basis in den Ländern macht.“
Denn die Innenminister sehen in dem GKDZ eine wesentliche Entlastung: Die Bundesländer müssen ihre Technik nicht mehr permanent nachrüsten, um auf dem neuesten Stand zu sein – sondern bündeln alles an einem Standort. „Die Innovationen in der Technik sind schnell verschlissen, schon nach drei Jahren veraltet. Als einzelnes Bundesland kann man das nicht mehr allein finanziell stemmen“, machte Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröder (SPD) klar. Zudem müsse man nicht mehr um die entsprechenden Spezialisten konkurrieren.
Probebetrieb ab 2019
Für das Abhörzentrum, das auf dem Gelände der Leipziger Bereitschaftspolizei entsteht, sind in den nächsten fünf Jahren insgesamt 15,8 Millionen Euro an Investitionen geplant, von denen Sachsen knapp 4,8 Millionen Euro und Thüringen rund 2,5 Millionen Euro übernehmen werden. Allein für 2018 stellen die fünf Bundesländer fast sechs Millionen Euro zur Verfügung: Auf Sachsen entfallen 1,5 Millionen Euro, Thüringen wird 835.000 Euro zahlen.
Für das Frühjahr 2019 ist der Probebetrieb avisiert, etwa ein halbes Jahr später soll offiziell gestartet werden. Laut einer Wirtschaftlichkeitsstudie werden durch den Zusammenschluss allein in den ersten fünf Jahren fast elf Millionen Euro eingespart, wovon etwa 2,9 Millionen auf Sachsen entfallen.
Notwendigkeit in Frage gestellt
Die Pläne reichen bis ins Jahr 2012 zurück, als eine erste Kooperation vereinbart worden war. Sachsen war dabei stets federführend. Allerdings kam es zu einigen Verzögerungen, da in manchen beteiligten Bundesländern durch Regierungswechsel die Notwendigkeit einer solchen Zentrale infrage gestellt wurde.
So hatte Thüringen sich zwischenzeitlich unter Rot-Rot-Grün komplett aus dem Gemeinschaftsprojekt zurückziehen wollen. Auch die rot-rote Koalition in Brandenburg war lange Zeit skeptisch. In Norddeutschland befindet sich ein ähnlicher Verbund mit Beteiligung von Mecklenburg-Vorpommern derzeit im Aufbau.
Kritik von Linken und Grünen
Kritik kam umgehend aus der sächsischen Landtagsopposition. Er habe „größte Skepsis gegen das als Gemeinsames Kompetenz- und Dienstleistungszentrum bezeichnete Abhörinstitut“, sagte der Linken-Innenexperte Enrico Stange.
Bislang sei – im Gegensatz zu anderen Bundesländern – eine offizielle Information des Landtags unterblieben wie auch der Bericht des Datenschutzbeauftragten vorenthalten werde. „Weil noch zu viele Fragen offen sind und der Zugriff auf die erhobenen Daten nicht sicher für die Geheimdienste verhindert ist, sehen wir hier die Gefahr der Aufweichung des Trennungsgebots“, erklärte Stange.
Auch die Grünen lehnen das GKDZ ab. „Durch die Bildung einer Anstalt öffentlichen Rechtes wird der technische Teil der Kommunikationsüberwachung weitgehend der parlamentarischen Kontrolle entzogen. In einem solch sensiblen Feld schwerer Grundrechtseingriffe ist dies nicht hinnehmbar“, kritisiert deren innenpolitischer Sprecher, Valentin Lippmann.
Andreas Debski