Der Bundesjustizminister warnt in der Diskussion um den Leipziger Stadtteil Connewitz vor pauschaler Kritik und geht damit auf Distanz zu Thomas de Maizière. Heiko Maas schlägt eine Extremistendatei vor.
Leipzig. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) geht auf Distanz zu seinem Kabinettskollegen Thomas de Maizière (CDU). „In einem Rechtsstaat darf es niemals Vorverurteilung geben – das gilt auch im Fall von Leipzig-Connewitz. Etwaige Verbindungen zu Gewalttätern und Straftaten müssen immer belegt werden“, sagte Maas im Gespräch mit der LVZ.
In Richtung de Maizière fügte der SPD-Politiker hinzu: „Mit Blick auf linksalternative Zentren gehöre ich nicht zu denjenigen, die von Berlin aus Ratschläge erteilen. Die Behörden vor Ort kennen die betreffenden Einrichtungen einfach viel besser und müssen entscheiden, wann die Grenze der Strafbarkeit bei bestimmten Handlungen erreicht ist.“
Debatte um linksalternative Szene in Leipzig
Bundesinnenminister de Maizière hatte nach den Krawallen beim G-20-Gipfel in Hamburg unter anderem Schließungen von mutmaßlich linksextremen Einrichtungen ins Gespräch gebracht und dabei auch Leipzig genannt. Konkret hatte der CDU-Politiker gesagt: „So etwas wie die Rote Flora, besetzte Häuser in Berlin und so etwas, was es in Connewitz in Leipzig gibt, kann man nicht hinnehmen. Wenn das einmal eingerissen ist, ist das nicht so leicht wieder zu lösen.“ Wenn es eine Lehre aus Hamburg für den Kampf gegen Extremismus gebe, laute diese: „Nie irgendwelche logistischen Schlupflöcher, Ressourcen, Orte zulassen, aus denen so etwas wächst.“
Daraufhin war eine Debatte über den Umgang der Stadt Leipzig mit der linksalternativen Szene entstanden. Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) hatte Probleme mit Gewalt eingestanden, zugleich aber eine pauschale Verurteilung abgelehnt und verlangt, Leipziger Verbindungen zu den Hamburger Krawallen zu belegen. Ebenso hatte Jung die durch CDU und AfD geforderte Streichung von öffentlichen Geldern für einzelne Jugend- und Kulturhäuser abgelehnt.
Gegenüber der LVZ sagte Bundesjustizminister Maas dazu: „In einem Rechtsstaat Maßnahmen nur auf Verdacht zu ergreifen, ist zu Recht sehr schwierig. Es muss in jedem Fall ein konkreter Nachweis erfolgen. Wer öffentliche Gelder erhält, ist insofern letztlich eine Entscheidung der Verwaltung vor Ort. Wichtig ist ein differenzierter Blick.“ Klar sei allerdings, dass sich auch Unterstützer von „hemmungsloser Gewalt“ vor Gericht verantworten müssten, sagte Maas.
Maas für Extremistendatei
Gleichzeitig machte der Justizminister Vorschläge, wie Krawallmacher künftig von Demonstrationen ferngehalten werden könnten. „Man kann nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, sondern muss genau hinschauen, was präventiv und auch repressiv getan werden kann“, stellte Maas klar. Dazu gehöre für ihn in erster Linie eine sogenannte Extremistendatei, in der europaweit straffällig gewordene Gewalttäter erfasst werden.
In diesem Zusammenhang forderte er auch einen deutlich verbesserten Austausch von entsprechenden Daten innerhalb der Europäischen Union: „Das sollte eine Selbstverständlichkeit sein – ist in der EU mit ihren vielen Mitgliedern aber alles andere als leicht. Wir mahnen das immer wieder an. Ich wünsche mir, dass auch die Ereignisse in Hamburg allen die Dringlichkeit noch einmal vor Augen führen: Wir müssen an diesem Punkt endlich vorankommen.“
Fußfessel kein Allheilmittel
Da „brutale Krawalltouristen“ nicht an den Grenzen haltmachten, „müssen auch wir unsere Kooperation verstärken“, verlangte Maas. Nach seinen Vorstellungen sollen von Demonstrationen aber nicht nur verurteilte Täter abgehalten werden: „Wenn Sicherheitsbehörden eindeutige Erkenntnisse über bekannte Randalierer haben, gibt es durchaus auch rechtsstaatliche Möglichkeiten, diese von Demonstrationen oder anderen Veranstaltungen fernhalten zu können.“
Dagegen lehnte der Bundesjustizminister einen weiteren Vorschlag von Bundesinnenminister Thomas de Maizère ab: „Die Fußfessel wird leider viel zu oft als Allheilmittel angesehen. Ich befürchte, bei solchen Krawalltouristen wie in Hamburg hätte sie allein auch nicht geholfen.“
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Andreas Debski