Nur wenige in Hamburg eingesetzte Beamte konnten am nächsten Tag den Dienst nicht fortführen
Ganz so schlimm, wie es in der Öffentlichkeit dargestellt wurde, hat es die Polizei beim G20-Gipfel in Hamburg offenbar nicht getroffen. Nur 21 der 743 von allen Polizeibehörden im Zuge des Einsatzes zum G20-Gipfel in Hamburg als verletzt gemeldete Beamte konnten ihren Dienst am nächsten Tag nicht fortsetzen. Das hat eine Recherche eines Nachrichtenportals ergeben. Die Journalisten von Buzzfeeds News haben dafür bei den Polizeibehörden aller 16 Bundesländer und der Bundespolizei Anfragen zu den im Einsatz als verletzt gemeldeten Polizisten gestellt.
Und nicht alle Polizisten wurden durch G20-Gegner im Schanzenviertel verletzt. Mehrere Dutzend Beamte sind demnach auch wegen Dehydrierung als verletzt gemeldet worden, das brandenburgische Innenministerium etwa berichtet von Polizisten mit Kreislaufproblemen. Zudem hätten sich insgesamt 74 Beamte bereits vor den Auseinandersetzungen bei der »Welcome to Hell« Demonstration als verletzt gemeldet, gibt die Polizeieinsatzleitung auf Nachfrage an.
Die meisten verletzten Polizisten (95 Prozent) konnten demnach schon am nächsten Tag wieder am Einsatz teilnehmen, viele sogar eher. Nur 21 Polizisten waren demnach so stark beeinträchtigt, dass sie einen Tag oder länger dienstunfähig waren. Auf der Pressekonferenz der Polizei Hamburg hatte diese einen ganz anderen Eindruck erweckt und von 476 verletzten Polizisten gesprochen. Einsatzleiter Hartmut Dudde sprach von »Gesichtstreffern« und »Gehirnerschütterungen«.
Besonders viele verletzte Einsatzkräfte gab es der Anfrage zufolge bei der Polizei Hessen: 150. Sie hatte zunächst gemeldet, dass 130 davon durch Reizgas verletzt worden seien. Auf Nachfrage insistierte das hessische Innenministerium, sie seien nicht durch das eigene Reizgas verletzt worden, sondern durch »Reizgaseinwirkung seitens des Störerklientels«. Vermutlich sei dies aber einfach durch von »Autonomen zurückgeworfene Reizgasgeschosse« zustande gekommen, erklärt der von Buzzfeed befragte Polizeiwissenschaftler Rafael Behr von der Akademie der Polizei Hamburg. Die Beamten aus der Hansestadt waren übrigens die einzigen Polizisten, die keine Zahlen über verletzte Beamte vorlegten.
Keiner der eingesetzten Polizisten wurde nach Auskunft der Behörden der Länder schwer verletzt. Die Bundespolizei meldete zwei schwerverletzte Beamte. Kein Bundesland konnte Angaben zu durch eigene Maßnahmen – durch »friendly fire« - verletzte Polizeibeamte machen.
Schon in der Vergangenheit hatten sich Angaben der Polizei zu verletzten Polizisten oder Vorwürfe an Demonstranten im Nachhinein als übertrieben oder unzutreffend herausgestellt. Im Zuge der Proteste gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm 2007 etwa sprach die Polizei zunächst von Clowns, die Säure versprüht hatten – und 433 verletzten Polizisten. Später kam heraus: Nur 43 Polizeibeamte waren vorübergehend dienstunfähig, nur einer musste die Nacht über im Krankenhaus bleiben.
Zahlen über verletzte Demonstranten sind dagegen kaum zu ermitteln, weil diese nicht zentral gesammelt werden. »Viele« verletzte Demonstranten habe es gegeben, »einige davon schwer« sagt der Hamburger Ermittlungsausschuss – er unterstützt in Gewahrsam oder festgenommene Demonstranten.
Das Bundeswehrkrankenhaus hatte einer Buzzfeed-Anfrage zufolge während des G20-Gipfels etwa 100 Patienten pro Tag in der Notaufnahme – 25 Prozent mehr als sonst. Das Agaplesion Diakonie Klinikum in Eimsbüttel gibt an, zwischen Freitag voriger Woche und Sonntag 205 Demonstranten versorgt zu haben. Andere Krankenhäuser konnten keine genauen Angaben speziell zu versorgten G20-Demonstranten machen.