In den Augen von Innenminister Holger Poppenhäger (SPD) schadet das geplante Rechtsrock-Konzert in Themar am Samstag dem Ansehen Thüringens. Das erklärte er in einer Mitteilung. Zuvor war der Landkreis Hildburghausen am Mittwoch vor dem Oberverwaltungsgericht gescheitert: Das Konzert muss als Versammlung behandelt werden und nicht als kommerzielle Musikveranstaltung. In der Politik sorgte dieses Urteil für überraschte Reaktionen.
Nach Ansicht von Innenminister Holger Poppenhäger (SPD) schadet das geplante Rechtsrockkonzert in Themar Thüringen. Wenn das Konzert am Wochenende stattfinde, sei dies ein Schaden für den weltoffenen Freistaat, der weit über die Landesgrenzen hinaus wirke. Solche Konzerte passen nicht zu Thüringen, so Poppenhäger. Dennoch seien Polizei und Justiz auf das kommende Wochenende und mögliche Eskalationen vorbereitet. Mit 5.000 Teilnehmern wird die Veranstaltung in Südthüringen den Angaben nach die größte dieser Art in Deutschland.
Landkreis Hildburghausen scheitert vor Gericht
Im Streit um das Rechtsrock-Konzert hatte der Landkreis Hildburghausen am Mittwoch eine juristische Niederlage erlitten. Das Thüringer Oberverwaltungsgericht (OVG) lehnte die Beschwerde des Landkreises gegen einen Beschluss des Meininger Verwaltungsgerichts ab, teilte das OVG am Mittwoch mit. Das hatte das geplante Konzert als Versammlung eingestuft und dem Anmelder damit Recht gegeben. Die Kreisbehörde dagegen wollte es anders als beantragt als Musikveranstaltung behandeln und hatte beim OVG Beschwerde eingelegt.
Zuvor hatte Vizelandrat Helge Hoffmann (CDU) den Thüringer Gesetzgeber
bereits aufgefordert, endlich für rechtliche Klarheit zu sorgen. Nach
wie vor sei unklar, wo die Grenze zwischen kommerzieller Veranstaltung
und einer Versammlung liege. Außerdem fühle sich der Landkreis alleine
gelassen von der Landesregierung.
Das Thüringer Innenministerium
hat die Vorwürfe des Hildburghäuser Landratsamtes als nicht
nachvollziehbar zurückgewiesen. Laut Innenministerium habe es zahlreiche
Beratungen mit dem Landratsamt, dem Bürgermeister der Gemeinde Themar,
der Polizei und dem Thüringer Landesverwaltungsamt zur Veranstaltung in
Thema gegeben, bei denen auch immer der Landrat und der Beigeordnete
Hoffmann anwesend waren. Die Beurteilung darüber, ob es sich um eine
kommerzielle Veranstaltung oder eine Versammlung handelt, liegt dem
Sprecher des Ministeriums zufolge jedoch letztlich nicht beim
Innenministerium sondern bei dem urteilenden Gericht. Und das habe bei
der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im
Versammlungsrecht nur einen engen Entscheidungsspielraum, falls sie ihre
Rechtsprechung nicht ändern wollen. "Hierzu könnten die sich häufenden
gewalttätigen Übergriffe oder auch der zunehmende kommerzielle Charakter
bei solchen Versammlungen Anlass geben", so der Innenminister weiter.
Politik von Urteil überrascht
In der Politik sorgte das Urteil zum Teil für überraschte Reaktionen. Die CDU- Landtagsfraktion geht davon aus, dass das Oberverwaltungsgericht sehr gründlich geprüft hat, ob es sich bei dem Rechtsrock-Konzert im rechtlichen Sinn um eine Versammlung handelt. Der justizpolitische Sprecher Manfred Scherer verwies dabei auf die hohen Hürden, die das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung zur Einschränkung der Versammlungsfreiheit formuliert hat. Für Versuche des Landesgesetzgebers, den Versammlungsbegriff enger zu fassen, sehe er daher letztlich keinen Spielraum. So verständlich der Wunsch sei, von derartigen Veranstaltungen verschont zu bleiben, so Scherer.
Nach Ansicht der justizpolitischen Sprecherin der SPD, Dorothea Marx,
kann sich der Thüringer Gesetzgeber nicht über die Rechtsprechung
stellen. Wenn das Oberverwaltungsgericht zu dem Schluss komme, dass
dieses Rechtsrock-Festival einen Versammlungscharakter hat, müsse man
das akzeptieren, so Marx. Die SPD-Politikerin kündigte an, das die SPD
den Verlauf genau beobachten werde. Auch SPD-Vertreter seien vor Ort, um
Gesicht zu zeigen. Themar werde nicht allein gelassen.
Die
Linke-Abgeordnete Sabine Berninger ist vom Urteil des Thüringer
Oberverwaltungsgerichts zum Rechtsrockkonzert in Themar überrascht. Nach
dem Beschluss des Meininger Verwaltungsgerichtes habe sie auf das
Urteil der Weimarer Richter gehofft. Aus ihrer Sicht ist es
unverständlich, dass eine Veranstaltung, die überwiegend kommerziell
ist, als politische Versammlung eingestuft wird. Diese Einordnung habe
sie schon bei den Meininger Richtern überrascht. Ob an dieser Stelle der
Gesetzgeber gefragt ist, um zu klären, wo die Grenze zwischen
Versammlung und kommerzieller Veranstaltung liegt, könne erst nach der
Veröffentlichung des schriftlichen Urteils beantwortet werden. Das soll
nach Angaben des Gerichts spätestens am Donnerstag vorliegen.
Madeleine
Henfling von den Grünen findet das Urteil zu Themar schwierig. Aber sie
verstehe, dass das Versammlungsgesetz vom Oberverwaltungsgericht
grundsätzlich liberal ausgelegt und die Versammlung ermöglicht wurde.
Ihrer Ansicht nach ist aber bei einem Ticketpreis von 35 Euro auch
durchaus das Argument der Kommerzialität gegeben. Da gibt es laut
Henfling in der Rechtssprechung bisher keine Klarheit. Aber die werde
gebraucht. Henfling hofft, dass im Innenausschuss im Zuge der Diskussion
zum Thüringer Versammlungsgesetz zeitnah darüber beraten wird. Ihrer
Ansicht nach wird mit dem Einnehmen von Eintrittsgeldern auch der Zugang
zur Versammlung eingeschränkt. Über diesen Punkt sollte daher
gesprochen werden, auch wenn es nicht einfach sei, da eine Regelung zu
finden. Die Grünen-Politikern ist eher skeptisch. Schließlich gebe es
bei jeder Versammlung eine Einzelfallentscheidung. Pauschale
Entscheidungen seien nicht machbar. Und genau das sei der Knackpunkt, so
Henfling.
Gegen das Rechtsrock-Konzert sind bislang neun Gegendemonstrationen angemeldet worden - etwa von Privatpersonen, der Kirchengemeinde und einem Bündnis für Demokratie und Weltoffenheit. Themar selbst hat nur knapp 3.000 Einwohner. Die Thüringer Polizei bereitet sich auf einen Großeinsatz vor. Die drei Hundertschaften des Freistaates sollen bei der Veranstaltung komplett im Einsatz sein. Zusätzlich wurden mehrere Hundert Polizisten aus anderen Bundesländern angefragt. Dem Innenministerium zufolge werden Beamte aus Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen erwartet. Zudem würden an den Amtsgerichten Sonneberg und Meiningen Bereitschaftsdienste eingerichtet, insbesondere für Haftentscheidungen. Der Thüringer Verfassungsschutz erwartet zu dem Rechtsrock-Konzert am Samstag mehr als 5.000 Rechtsextreme.