Leipzig. Der Vorstoß von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), nach den Krawallen beim G-20-Gipfel in Hamburg auch in der linken Szene Sachsens härter durchzugreifen, hat eine heftige Kontroverse ausgelöst. De Maizière hatte davon gesprochen, dass „Einrichtungen geschlossen“ werden müssten und gesagt: „So etwas, was es in Connewitz in Leipzig gibt, kann man nicht hinnehmen. Wenn das einmal eingerissen ist, ist das nicht so leicht wieder zu lösen.“
Sachsens CDU-Fraktionschef Frank Kupfer mahnte gestern: „Wir müssen uns grundsätzlich sogenannte alternative Jugendzentren in Sachsen genauer anschauen. Egal ob in Leipzig, Dresden oder Chemnitz.“ Wenn sich unter dem Deckmantel Jugendhilfe Extremisten verstecken, müsse der Geldhahn zugedreht werden. Dagegen rügt der Fraktionschef der Linken im Landtag, Rico Gebhardt, der „Generalverdacht des Innenministers gegen soziokulturelle Zentren“ helfe nicht, er könne sogar schaden. „Denn diese Einrichtungen leisten Jugendarbeit und tragen dazu bei, junge Menschen vor dem Abgleiten in gewaltbejahende Gedankenwelten zu bewahren“. Auch sein SPD-Kollege Dirk Panter warnte, einen ganzen Stadtteil unter Generalverdacht zu stellen. Diese Szene „mit den Schwerkriminellen von Hamburg gleichzusetzen, ist ein Schlag ins Gesicht aller friedlichen Connewitzer und Leipziger“.
Für unverantwortlich hält Volkmar Zschocke de Maizières Äußerungen. „Es ist bezeichnend, dass die, die seit Jahren die Polizei, die Strafverfolgungsbehörden und die innere Sicherheit schwächen, jetzt am lautesten nach harter Strafverfolgung rufen“, sagte der Grünen-Fraktionschef. AfD-Generalsekretär Uwe Wurlitzer hingegen spottete: „Guten Morgen, liebe CDU! Bereits seit Jahren fordert die AfD, linksextremistische Bandentreffs in ganz Sachsen und in Connewitz im Besonderen zu zerschlagen.“ Passiert sei nichts.
Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) lehnt eine Schließung soziokultureller Einrichtungen ab. Diese leisteten in den Stadtteilen wertvolle Arbeit. Gleichzeitig forderte er „ein konsequentes Vorgehen der Polizei und des Verfassungsschutzes gegen kriminelle Strukturen“. Vor Kurzschluss-Reaktionen warnte auch der Chemnitzer Extremismusforscher Tom Mannewitz: „Das wäre eine Strategie, wie sie falscher nicht sein könnte.“ Einrichtungen wie Conne Island oder Werk 2 in Connewitz zu schließen und darauf zu hoffen, dass damit der Linksex-
tremismus
erledigt würde, das brächte gar nichts. „Im schlimmsten Falle käme es
sogar erst zu einer Radikalisierung“, so Mannewitz. Konsequente
Strafverfolgung und systematischere Extremismusprävention seien zwar
erforderlich, „aber mit übertriebener Repression schüttet man das Kind
mit dem Bade aus“.
Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hat sich gestern bei den Bürgern entschuldigt. In einer Erklärung sagte er, es sei nicht durchweg gelungen, die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten. Im Nachhinein sei klar, dass die Sicherheitsbemühungen nicht gereicht hätten, um einer neuen Dimension der Gewalt Herr zu werden.