Das Bundespresseamt entschied kurz vor Start des G20-Gipfels, 32 Medienvertretern aufgrund von "Sicherheitsbedenken" die bereits gewährten Akkreditierungen wieder zu entziehen. Datenschützer sind empört über den Umgang mit der schwarzen Liste.
Neun Pressevertreter mussten am Wochenende beim Medienzentrum für den heftig umkämpften G20-Gipfel draußen bleiben und waren teils vergeblich extra nach Hamburg gereist. Dazu gehören etwa Fotografen für die Bildagentur Action Press, für "Spiegel Online" und den "Weser-Kurier". Wie Kollegen etwa vom ARD-Hauptstadtstudio oder der "taz" meldeten, kontrollierten Bereitschaftspolizisten am Samstag die bereits erhaltenen Akkreditierungsausweise genau und glichen sie mit Namen auf einer zweiseitigen Liste ab.
Im Nachgang ungültig
"Wer drauf steht, bekommt Akkreditierung entzogen", hieß es zu entsprechenden Fotos. Es sei nicht schwer gewesen, die alphabetisch sortierten Namen auf den DIN-A4-Blättern abzulesen oder gar aus der Nähe zu filmen. Jeder Beamte an den Kontrollpunkten habe sein eigenes Exemplar in Händen gehalten.
Dass das Bundeskriminalamt (BKA) vor Veranstaltungen mit Staatschefs oder Ministern eine Sicherheitsüberprüfung durchführt und Journalisten, die eine Akkreditierung erbeten, in einen solchen Abgleich mit speziellen Datenbanken einwilligen müssen, ist ein gängiges Verfahren. Unüblich ist dagegen, dass bereits erteilte Genehmigungen für eine Berichterstattung im Nachgang wieder für ungültig erklärt werden.
Fehlende verfassungsrechtliche Grundlage
Datenschützer haben seit langem Bedenken wegen der mit solchen Sicherheitsüberprüfungen verknüpften "Durchleuchtungsteppiche". Sie zweifeln schon die Freiwilligkeit der Einwilligungserklärung für die Checks an, denen sich etwa auch Mitarbeiter von Dienstleistungsunternehmen in den Bereichen Catering oder Security unterziehen müssen, und warnen vor unzulässigen Grundrechtseingriffen. Etwas Vergleichbares zu dem bei den Gipfelkontrollen durchgeführten Verfahren habe er aber während seiner zehnjährigen Tätigkeit im Amt nie erlebt, erklärte der Ex-Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar gegenüber der ARD.
"Dem gesamten Akkreditierungsverfahren fehlt die verfassungsrechtlich gebotene Grundlage, wo es um die Sicherheitsüberprüfung von Journalisten geht", konstatierte er. Die ungeschützte Weitergabe und Verwendung der schwarzen Listen wertet er als "schweren Datenschutzverstoß". Ein Sprecher der Bundesdatenschutzbehörde, die inzwischen Schaars Nachfolgerin Andrea Voßhoff leitet, bezeichnete den Umgang mit den Selektionsanweisungen ebenfalls als "datenschutzrechtlich bedenklich" und verwies auf eine bereits laufende Prüfung des Verfahrens.
Geheimdienstinformationen als Auslöser?
Der Hamburgische Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar befürchtete eine Diskriminierung der Betroffenen: Die Verantwortlichen seien verpflichtet gewesen, "technische und organisatorische Maßnahmen zu ergreifen", um deren Stigmatisierung zu verhindern. Zudem stand für Beobachter der Verdacht im Raum, dass die kurzfristigen Sicherheitserkenntnisse und der damit verbundene Ausschluss der Medienvertreter dem BKA vom türkischen Geheimdienst zugespielt worden waren, nachdem zwei der betroffenen Bildjournalisten im Oktober im Rahmen ihrer Berichterstattung über Gefechte um die syrische Grenzstadt Kobane festgenommen worden waren.
Auch Politiker zeigten sich verstört angesichts der Vorgänge. "Der nachträgliche Entzug von Akkreditierungen beim G20-Gipfel ist ein ungeheuerlicher Vorgang, der die Pressefreiheit massiv einschränkt", monierte die Medienexpertin der Grünen im Bundestag, Tabea Rößner. Eine der offenen Fragen sei, "wieso sich die Einschätzung der Sachlage der Akkreditierung so plötzlich geändert hat und ob Geheimdiensterkenntnisse eine Rolle spielten". In einem Rechtsstaat dürfe es keine Willkür geben und Journalisten nicht "völlig intransparent von ihrer Arbeit abgehalten werden". FDP-Vize Wolfgang Kubicki liebäugelte damit, nach der Bundestagswahl einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Thema voranzubringen.
Recht auf Auskunft
Regierungssprecher Steffen Seibert erläuterte nach der heftigen Kritik am Dienstagnachmittag, dass "zwischen Ablauf des Akkreditierungsverfahrens und Beginn des Gipfels" hinsichtlich 32 Medienvertretern Sicherheitsbedenken aufgekommen seien. Diese "resultierten ausschließlich aus eigenen Erkenntnissen deutscher Behörden", betonte er. Die Hinweise habe das Bundespresseamt ernst nehmen müssen und entschieden, "auf Anraten und in Absprache mit dem Bundeskriminalamt diesen Personen die Akkreditierung zu entziehen". Neun Medienvertretern seien daraufhin die Ausweise abgenommen worden, die übrigen 23 auf der Liste "im Weiteren nicht mehr am Medienzentrum erschienen".
Auf Detailnachfragen von heise online zu den üblichen Vorkehrungen bei Sicherheitsüberprüfungen äußerte sich das Presseamt genauso wenig wie das BKA. Dieses teilte über Twitter noch mit, dass "jeder das Recht hat zu erfahren, welche Daten in polizeilichen Datenbanken über ihn gespeichert sind". Die Polizeibehörde verwies dabei auf ein entsprechendes Auskunftsverfahren, das den Betroffenen vor Ort angesichts einer gewissen Dauer und einzuhaltender Formalien aber nicht mehr geholfen hätte. Auf der schwarzen Liste sollen zudem rund 80 Namen gestanden haben, etwa von Servicemitarbeitern. Wie viele von diesen abgewiesen wurden, ist bislang unbekannt.
[Update 12.07.2017 – 10:20 Uhr] Das BKA hat inzwischen zu den Vorgängen Stellung genommen: Für einige Journalisten lagen demnach schon zum Zeitpunkt der Akkreditierung "Staatsschutzerkenntnisse ausschließlich deutscher Sicherheitsbehörden vor". Man habe sich trotzdem zusammen mit dem Bundespresseamt zunächst entschieden, diese für den offiziellen Gipfelteil zuzulassen. "Gewichtige zusätzliche sicherheitsrelevante Erkenntnisse und die Gesamtbeurteilung der aktuellen Entwicklungen der Gipfelsituation" hätten am 6. und 7. Juli dann aber "zu einer Neubewertung mit dem Ergebnis" geführt, in 32 Fällen die Akkreditierung nachträglich zu entziehen. Um "die Sicherheit des Gipfels und seiner Teilnehmer" zu gewährleisten, sei der Listenabgleich erforderlich gewesen. "Öffentliche Ausführungen zu den Gründen, die dieser Entscheidung im Einzelfall zugrunde lagen", hält die Behörde "zum Schutz der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen" nicht für möglich. Wenn diese Journalisten weitere Informationen erfahren wollten, könnten sie sich aber an den BKA-Datenschutzbeauftragten wenden. (kbe)