Dübener Bundespolizist: „Ich habe noch nie solche Brutalität erlebt“

Alles zum G20-Gipfel 2017 auf Indymedia linksunten
Erstveröffentlicht: 
12.07.2017
André Möbius (34) schildert die Krawalle in Hamburg / Zwei Beamte aus Nordsachsen schwer verletzt
Von Steffen Brost

 

Bad Düben/Dresden. Der Polizist André Möbius aus Kossa bei Bad Düben hat die Bilder aus Hamburg noch vor Augen. „Unsere Hundertschaft war im Bereich Sternschanze und Holstenstraße. Dort gab es Anschläge auf die Bahnanlagen. Immer wieder kamen Meldungen, dass sich Unbekannte auf den Gleisen befinden. Dann mussten erst die Stromanlagen abgeschaltet werden. Denn in Hamburg verläuft die Stromzufuhr der S-Bahnen direkt vom Gleis. Die Gefahr, einen Stromschlag zu bekommen, wäre viel zu groß gewesen“, berichtet der 34-Jährige.

 

Zahlreiche Schaulustige und auch Partygänger, die sich von der ernsten Lage in Hamburg nicht abschrecken ließen, erschwerten die Arbeit der Beamten. „Der schwarze Block der Randalierer und Chaoten mischte sich unter die Schaulustigen. Auch bei der Räumung von verschiedenen Camps kam es immer wieder zu unübersichtlichen Situationen, weil sich plötzlich vermummte Gestalten wenige Minuten später umgezogen hatten und dann als schier Unbeteiligte durch die Straße liefen“, erzählt Möbius.

 

Der Polizeihauptkommissar ist stellvertretender Chef einer Hundertschaft der Bundespolizeiabteilung in Bad Düben. 250 Polizisten der Dienststelle sicherten das Spitzentreffen der 20 wichtigsten Staats- und Regierungschefs am vergangenen Wochenende mit ab.

 

Die Polizisten berichten, dass sie von Demonstranten massiv mit Flaschen, Steinen und Böllern beworfen wurden. Für zwei von ihnen mit schweren Folgen. Ein Hundertschaftsführer bekam einen schweren Stein ins Gesicht, der nicht nur das Nasenbein, sondern auch das Jochbein zertrümmerte. Er wurde noch in Hamburg operiert und soll in den nächsten Tagen entlassen werden. Ein Beamter zog sich an beiden Handgelenken Brüche zu, als er Wurfgeschossen auswich, nach hinten fiel und sich abstützen wollte. Zwölf weitere Bad Dübener erlitten leichtere Verletzungen wie Knalltraumen, verursacht durch Böller. Ein Polizist wurde durch die Detonation eines Böllers vor seiner Brust so heftig getroffen, dass er kurzzeitig ohnmächtig wurde.

 

„Ich habe noch nie solche Brutalität erlebt. Auch meine Kollegen nicht. Tage danach ist das Thema immer noch aktuell. Alle reden darüber. Der sozialwissenschaftliche Dienst oder Pfarrer stehen zur Verfügung, um eventuelle posttraumatische Erscheinungen nachzubereiten“, so Möbius.

 

Bei den Chaostagen von Hamburg wurden auch 25 Fahrzeuge der Bad Dübener Abteilung schwer beschädigt. Sie hielten eine Vielzahl von Steinschlägen mit ihrer Spezialverglasung ab.

 

„Es gab da einen Vorfall, da stand plötzlich eine schwarz vermummte Person drei Meter vor unserem Fahrzeug und schmiss eine Gehwegplatte auf die Frontscheibe. Doch die prallte dank der Spezialscheibe einfach ab. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn wir eine herkömmliche Scheibe drin gehabt hätten“, so Möbius.

 

Für Polizeidirektor Jürgen Kollenrott, den Chef der Dübener Bundespolizisten, haben die Hamburger Ereignisse Ähnlichkeiten mit den Chaostagen 1995 in Hannover. „Ich war damals Hundertschaftsführer und sah mich gewalttätigen Plünderern ausgesetzt. Mich hat die aktuelle Situation wieder sehr betroffen gemacht, weil wir solch eine Lage bisher nur sehr selten hatten“, erklärt Kollenrott.

 

Neben den Einsatzkräften kamen in Hamburg auch die technische Einsatzeinheit sowie Versorgungsdienste aus Bad Düben zum Einsatz. „Bis zu 20 Beamte arbeiteten an Kontrollstellen im Sicherheitsbereich der Messe. Polizeianwärter kamen zudem in der Elbphilharmonie zum Einsatz. 13 Beschäftigte arbeiteten gemeinsam mit Kollegen aus Blumberg und Duderstadt an der Verpflegung. Dreimal am Tag bereiteten sie jeweils 1700 Mahlzeiten zu“, so Abteilungssprecher Michael Marx.

 

Jetzt werden alle gemachten Foto- und Filmaufnahmen gesichtet und für Fahndungszwecke ausgewertet. Außerdem sollen die Aufnahmen künftig zu Lehrzwecken genutzt werden.

 

In einem Mitarbeiterbrief sprach Kollenrott seinen Beamten Dank und Anerkennung aus. Außerdem schickte er Genesungswünsche an die verletzten Polizisten.

Alle rund 600 beim G-20-Gipfel in Hamburg eingesetzten sächsischen Polizisten werden mit Freizeit und Geld belohnt. Wie das Innenministerium gestern in Dresden mitteilte, erhalten sie einen Tag Sonderurlaub und 500 Euro. Neben Verkehrs- und Bereitschaftspolizisten waren rund um den Gipfel auch Spezialkräfte aus Sachsen im Einsatz.

 

„Unsere Polizistinnen und Polizisten haben in Hamburg über mehrere Tage bis an den Rand der Erschöpfung gearbeitet“, so Innenminister Markus Ulbig (CDU). 22 Kollegen seien verletzt worden. „Für diese Aufopferung im Dienste der Sicherheit gilt allen meine Anerkennung und mein Respekt.“ Das Geld werde mit einer der nächsten Gehaltszahlungen überwiesen. Der Urlaubstag stehe sofort zur Verfügung.