EXKLUSIV: Nach Informationen von CORRECTIV verfügte der mutmaßliche Attentäter Nino K., der im September 2016 zwei Bomben in Dresden zur Explosion brachte, über zwei weitere Sprengsätze. Das geht aus Dokumenten des Oberlandesgerichts Dresden hervor.
Am 26. September 2016 um 21.15 Uhr explodierte eine Bombe vor der Fatih Camii Moschee im Dresdner Westen. Die Tür wurde durch die Detonation nach innen gedrückt, der Geistliche und seine Familie, die sich in der Moschee aufhielten, blieben unverletzt. Die Rohrbombe war mit Metallsplittern gefüllt. Sie seien geeignet gewesen, „schwerste und tödliche Verletzungen hervorzurufen“. Außerdem verfügte der mutmaßliche Attentäter über zwei weitere Bomben, wie es in einem bisher unveröffentlichten Dokument des Oberlandesgerichts Dresden (OLG) heißt, das CORRECTIV vorliegt.
Die an der Moschee angebrachte Videokamera filmte am Abend des Anschlags eine Gestalt, die unruhig vor der Moschee auf und ab ging, an ihrer Zigarette zog und sie dann achtlos wegwarf. Die Gestalt trug einen Motorradhelm und war nicht zu erkennen. Die Polizei hatte nach dieser Person wegen Tatverdachts gesucht. Sie geht inzwischen davon aus, dass unter dem Helm Nino K. steckte.
Eine Stunde später explodierte ein weiterer Sprengsatz auf dem Dach des ICC Kongresszentrum Dresden. Die Polizei räumte in unmittelbarer Umgebung daraufhin vorsichtshalber eine Hotelbar. Dieser zweite Sprengsatz sei mit Zeitschaltuhr und „entsprechenden Anzündhilfen zur Detonation“ ausgestattet gewesen, wie es im Beschluss steht, mit dem das OLG die Verlängerung der Untersuchungshaft gegen Nino K. am 15. Juni 2017 begründete.
Zwei weitere Bomben
In diesem Beschluss ist auch von den oben bereits erwähnten zwei weiteren Sprengsätzen die Rede, mit denen Nino K. offenbar weitere Attentate plante. Der erste wurde in K.s Wohnung gefunden, darauf fanden die Ermittler einen Fingerabdruck und DNA-Spuren von ihm. Den zweiten soll er „aus nicht bekannten Gründen an einem nicht bekannten Ort in die Elbe geworfen haben“. Vier Tage nach seiner Festnahme wurde dieser Sprengsatz flussabwärts gefunden. Auch auf dieser Bombe ließ sich DNA von K. nachweisen.
Die Ermittler verdächtigen Nino K., aus politischen Gründen gebombt zu haben: Er habe den Anschlag „als Zeichen gegen die aus seiner Sicht verfehlte Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik“ begangen. Nino K. wird nun versuchter Mord und das „Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion“ zur Last gelegt. Die Anklage steht nach Informationen von CORRECTIV kurz bevor.
Nino K. war zum Zeitpunkt der Tat 29 Jahre alt. Zuvor verhielt er sich weitgehend unauffällig und hatte keine Vorstrafen, sagt ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Dresden. Auch seine Nachbarn beschreiben ihn als unauffällig, er lebte zurückgezogen, arbeitete angeblich als Monteur.
Hassredner auf Pegidademo
Im Juli 2015 trat K. öffentlich auf, als Redner bei einer Pegida-Kundgebung in Dresden. Pegida-Anführer Lutz Bachmann kündigte ihn an: „Als Nächsten hab ich den Nino für Euch. Wo ist der Nino? Da ist der Nino. Riesen Applaus für unseren Nino.“ K. trat ans Mikrofon und presste in den zehn Minuten seiner Redezeit all seine Unzufriedenheit, seine Angst, seinen Hass in das Mikrofon. „Merkel muss weg“, riefen seine Zuhörer. Er sprach davon, dass der Islamismus „die größte Massenvernichtungswaffe“ sei. Brüllte: Wenn sich die Politik nicht ändere, dann könne es „in Deutschland und in Europa zum Bürgerkrieg“ kommen.
Nino K. hat sich gegenüber den Ermittlern bisher nicht geäußert. Man sei mit dem Generalbundesanwalt in Kontakt, sagte der Sprecher der Dresdner Staatsanwaltschaft, um zu überprüfen, ob Nino K. Komplizen hatte oder einer terroristischen Vereinigung angehörte. Derzeit gibt es nach Angaben der Staatsanwaltschaft aber keine Hinweise auf weitere Mittäter oder eine Organisation, in der K. aktiv war.