Kasek: Hamburg war eine Eskalation mit Ansage

Alles zum G20-Gipfel 2017 auf Indymedia linksunten
Erstveröffentlicht: 
10.07.2017

Der Landesvorstandssprecher der sächsischen Grünen polarisiert häufiger im Netz. Seit dem Wochenende sorgt er wieder für böse Reaktionen, denn er war während der jüngsten Krawalle in Hamburg und hat sein eigene Meinung von den Geschehnissen.

 

Leipzig. „Die Eskalation bei der Demo ging von der Polizei aus“, hieß es am Wochenende in einem Tweet aus Hamburg. „Das war völlig überzogen.“ Kurz darauf tauchte der Verfasser dieser Zeilen im Netz im Bild auf. Es zeigt ihn bei der Demonstration „Welcome to Hell“ in Hamburg, die als Auslöser für die schlimmsten Hamburger Krawalle seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs gilt: Auf dem Foto ist der Rechtsanwalt Jürgen Kasek vor einer Kette aus hochgerüsteten Hamburger Polizisten zu sehen, die ihm den Weg versperren. Kasek verteidigt in Leipzig linke Straftäter und ist Landesvorstandssprecher der sächsischen Grünen.

 

Anders als bei der Leipziger Landtagsabgeordneten Juliane Nagel (Linke), die ebenfalls nicht mit Vorwürfen an die Adresse der in Hamburg eingesetzten Polizisten geizt (die LVZ berichtete), ist der Entrüstungssturm gegenüber dem Grünen groß. „Und so etwas ist Anwalt“ heißt es im Netz. Oder: „Entzug der Anwalt-Lizenz, sofort.“ Sogar Leipzigs Stadtsprecher Matthias Hasberg mischt mit und macht Kasek lächerlich. Er kommentiert ein Video, in dem Chaoten in Hamburg aufgebrochene Läden plündern, mit der Bemerkung: „Weit und breit keine Polizei – fühlten sich wohl deswegen provoziert. Die sehen aber nur zufällig so aus wie die Jungs, mit denen Jürgen Kasek gestern noch demonstriert hat.“

 

Der grüne Landesvorstandssprecher ist inzwischen wieder in Sachsen. Er sei nicht als Demonstrant, sondern nur als „Beobachter“ in Hamburg gewesen und habe bei der „Welcome to Hell“-Demonstration „hinter einer Polizeikette“ gestanden, teilte er mit. „Die Gewalt in Hamburg war völlig indiskutabel, dafür gibt es keine Rechtfertigung“, betont er gegenüber der LVZ – bekräftigt aber gleichzeitig seine Kritik am Einsatzkonzept der Polizei. „Sie wollte den schwarzen Block isolieren, festsetzen und die Personalien feststellen“, so Kasek. „Vermutlich um ihn dann für die kommenden Tage in Gewahrsam zu nehmen.“ Obwohl viele Vermummte der Aufforderung der Polizei nachgekommen seien und ihre Vermummung abgenommen hätten, sei die Polizei „plötzlich massiv mit Wasserwerfern und Pfefferspray“ vorgegangen. „Das war unverantwortlich und hat auch Unbeteiligte verletzt.“

 

Für den Grünen sind die Ereignisse in Hamburg nach wie vor eine „Eskalation mit Ansage – von beiden Seiten“. Kasek: „Teile des Protests haben offensichtlich billigend in Kauf genommen, Chaoten mit martialischen Ansagen anzulocken. Die Polizei erklärte im Vorfeld, sie rechne mit 8000 Chaoten und werde mit allen Mitteln durchgreifen. Dann kamen nur 1500 und die Polizeiführung war überfordert. Das verstehe ich nicht.“

 

Im Schanzenviertel habe die Polizei vier Stunden tatenlos zugeschaut, wie Barrikaden brannten und Geschäfte geplündert wurden. „In Hamburg hat sich die staatliche Ordnung in Rekordgeschwindigkeit aufgelöst“, meint Kasek. „Der Staat ist als Garant der Freiheit nicht mehr in Erscheinung getreten.“ Außerdem hätten sich nur sehr wenige Akteure auf den Straßen deutlich von den kriminellen Chaoten abgegrenzt. „Für viele hatte das Geschehen einen Art Eventcharakter, andere ließen klammheimliche Solidarität spüren und wieder andere haben ihre Ablehnung nicht deutlich gemacht.“

 

Als Ursache dafür hat der Grüne „Kapitalismuskritik“ ausgemacht, die er für „notwendig“ hält. „Man wollte verhindern, dass es schöne Bilder von diesem Gipfel gibt und auf die Gewalt aufmerksam machen, die vom Kapitalismus ausgeht“, so Kasek. „Ungleichheit, Armut, Krieg.“ Eine friedliche Form der Kapitalismuskritik halte er für angebracht.

 

Kasek glaubt nicht, dass sich der harte Kern der Chaoten mit Gesprächen überzeugen lässt. „Die sind komplett außerhalb der Gesellschaft“, sagt er. Verhindert werden könne nur, dass sich noch mehr Menschen radikalisieren.

 

Von Andreas Tappert