Was wird nach den Krawallen aus der Roten Flora?

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Erstveröffentlicht: 
10.07.2017

Olaf Scholz will Maßnahmen gegen das Zentrum der Autonomen prüfen, Strafanzeige gegen Beuth? Für die Nachbarn ist das Maß voll.

 

Von Christoph Heinemann und Daniel Herder

 

Hamburg. Am Mittag danach bildet sich ein Pulk, die Anwohner wollen Antworten. "Ich bin angegriffen worden, wie könnt ihr das gutheißen?", schleudert ein Mann den Besetzern an der Roten Flora entgegen. Warum sie diesen Horror über das Schanzenviertel gebracht hätten, wollen die Nachbarn von den Linksextremen nach den Tagen des Krawalls zum G20-Gipfel wissen. Die Besetzer versuchen zu beschwichtigen, verweisen darauf, dass die Staats- und Regierungschefs doch die wahren Verbrecher seien. Aber das verfängt nicht.

 

Seit 28 Jahren ist die Rote Flora eine Kathedrale des linken Widerstands gegen Staatsgewalt. Seit dem Wochenende ist ihre Zukunft nun ungewiss.

 

Blechschmidt und Beuth sind verantwortlich

 

Die führenden Köpfe in der autonomen Trutzburg waren auch die Chefplaner des radikalen G20-Protests. An­dreas Blechschmidt, der die Rote Flora nach außen vertritt, lud Autonome aus dem europäischen Ausland ein und fungierte als Anmelder der Demonstration "Welcome to Hell".

 

Der Rechtsanwalt Andreas Beuth, der Rotfloristen seit Jahrzehnten vor Gericht vertritt, hatte noch angekündigt, man werde sich gegen jeden "Angriff" der Polizei wehren. Im Schummerlicht der Tagungsräume in dem besetzten Kulturzentrum wurden Pläne geschmiedet, Einsatzbesprechungen abgehalten, verletzte linksradikale Demonstranten versorgt.

 

Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) kündigt an, Maßnahmen gegen die Rote Flora zu prüfen: "Herr Blechschmidt und Herr Beuth haben zu verantworten, was da passiert ist", sagte Scholz dem Abendblatt im Bezug auf die Demonstration "Welcome to Hell". Bei einer Pressekonferenz zu der desaströsen Gewaltbilanz des G20-Gipfels schränkte der Bürgermeister aber ein, dass es "keinen Schnellschuss" geben werde.

 

Die Sicherheitsbehörden hegen keine Zweifel daran, dass die Rote Flora auch als Schaltzentrale für die gewaltsamen Krawalle diente. Ebenso einig sind sich Senat und Polizei aber auch darin: Ein hartes Vorgehen zum jetzigen Zeitpunkt – oder gar eine Räumung – würde weitere, brandgefährliche Proteste provozieren. Bisher weiß die Polizei nicht genau, woher die Straftäter kamen und zu wem sie gehörten, als sie vor der Flora wüteten oder durch die Elbvororte zogen und Autos anzündeten. Etliche extremistische Gruppen bundesweit und im Ausland hatten für den militanten Protest in Hamburg mobilisiert.

 

Krawalle in Kauf genommen

 

Die Rotfloristen könnten nach der Gewalt in der Schanze auch aus der eigenen Szene unter Druck geraten. "Es ist sicherlich nicht hilfreich für unsere Sache, dass die Gewaltorgie vom Freitagabend alle Inhalte übertönt und das vorherige brutale Verhalten der Polizei nachträglich legitim erscheinen lässt", sagt ein erfahrenes Mitglied einer linksradikalen Gruppe. Die Geister, die auch die Rote Flora vor dem Gipfel beschwor, sind außer Kontrolle geraten.

 

Die Führungsfiguren Blechschmidt und Beuth müssen sich rechtfertigen. Auch ihr Plan für den G20-Gipfel ist nicht aufgegangen. Blechschmidt versuchte zu Beginn der "Welcome to Hell"-Demo noch, zwischen Schwarzem Block und dem massiven Polizeiaufgebot zu vermitteln – der Anmelder sorgte mit seinem Einfluss dafür, dass ein großer Teil der militanten Autonomen die Vermummung zunächst abnahm und bis zum massiven Einschreiten der Polizei friedlich blieb.

 

Nach Abendblatt-Informationen hatte auch Andreas Beuth vor dem Gipfel wiederholt appelliert, bei den Demonstrationen zunächst friedlich bis zum Ende der Route zu marschieren. Im Gegenzug wurden Krawalle im Anschluss an die Züge in Kauf genommen. Seit Jahren ist vor allem Blechschmidt darum bemüht, die Rote Flora im Viertel zu verankern und den Ruf der Autonomen zu verbessern. Offenbar hielten sich bei der Demonstration aber vor allem ausländische Autonome nicht an seine Aufforderung, wie es von den Sicherheitsbehörden heißt.

Randale in Blankenese ja. Aber doch nicht im eigenen Viertel

 

Blechschmidt bemühte sich noch am späten Freitagabend, sich von den Krawallmachern zu distanzieren. In der Roten Flora würden nur noch Verletzte behandelt, man biete keinen Straftätern Unterschlupf. Am Sonnabend legte er nach, dass der Schwarze Block auch für die Rote Flora "eine Linie übertreten" habe. Ein für Sonntag verabredetes Interview mit dem Abendblatt sagte Blechschmidt kurzfristig ab.

 

Am Sonnabend trat Andreas Beuth dagegen vor die Kameras und sagte zu den Krawallen tatsächlich: "Wir als Autonome, und ich als Sprecher der Autonomen, haben gewisse Sympathien für solche Aktionen. Aber doch bitte nicht im eigenen Viertel, wo wir wohnen. Also, warum nicht in Pöseldorf oder Blankenese?"

 

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) prüft nun, ob sie aufgrund dieser Äußerung Strafanzeige gegen Beuth erstattet. "In Betracht kommen die Tatbestände Volksverhetzung oder Anstiftung zur Straftat", sagte der Hamburger GdP-Chef Gerhard Kirsch. Joachim Lenders von der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) forderte die Anwaltskammer auf zu prüfen, ob Beuth angesichts seiner Aussagen die Lizenz entzogen werden müsse.

Vollversammlungen der Roten Flora verbieten

 

Die Stadt müsse auch dringend weitere Konsequenzen in Erwägung ziehen: "Es ist an der Zeit, etwa Vollversammlungen in der Roten Flora zu verbieten oder den Herren Beuth und Blechschmidt den Zugang zum Gebäude zu verwehren." Die Möglichkeiten dazu habe die städtische Lawaetz-Stiftung, der das Gebäude Rote Flora seit dem Jahr 2014 gehört.

 

Die Diskussion vor der Roten Flora endete am Sonntag ergebnislos. Nun könnte es vom Willen der Anwohner abhängen, was aus der Roten Flora wird. "Ich wünsche mir, dass wir darüber intensiv mit den Menschen im Stadtteil sprechen", sagt Bürgermeister Scholz.