Bei einem Moscheefest in Kassel verkleidete sich Oberbürgermeister Bertram Hilgen (SPD) prunkvoll als Sultan. Die Geste empfanden kurdische Jugendliche als Provokation - und sie sorgt für Protest bei der Linken.
Der amtierende Kasseler Oberbürgermeister thront auf einem vergoldeten Stuhl, vor der Brust einen Krummsäbel. Auf dem Kopf trägt Bertram Hilgen (SPD) einen Turban. Aufgenommen wurde das Bild bei einem Moschee-Fest der Mattenberger Ditib-Gemeinde in Kassel am 1. Mai, der Bürgermeister war dort zu Gast. Am Ende gelangte das Foto auf den Facebook-Account der kurdischen Jugendorganisation YXK Kassel - und von da aus zur örtlichen Linken.
Fahnen der "Grauen Wölfe" und des osmanischen Reichs
Knapp vier Wochen später empört sich nun die Kasseler Linke über Hilgens Sultan-Auftritt, auch weil auf dem gleichen Fest Fahnen der rechtsextremen türkischen Organisation "Graue Wölfe" geschwenkt worden sein sollen. Auf dem Facebook-Account der Ditib-Jugendorgansiation KS-Mattenberg sind Bilder von verkleideten Kindern zu sehen. Sie schwenken grüne und rote Fahnen, Symbole des osmanischen Reichs und der "Grauen Wölfe".
Die Linke kritisiert nun in einer Erklärung , dass es sich bei der Sultansverkleidung des Oberbürgermeisters nicht um harmlose Folklore handele. Es müsse vielmehr vor dem Hintergrund des aktuellen nationalistischen Kurses der Erdogan-Regierung in der Türkei gesehen werden - dort sei der Sultan, ein islamischer Herrscher des Osmanischen Reichs, Symbol der erzkonservativen Bewegung.
Oberbürgermeister: "Spontane Aktion"
Dass auf dem Fest offenbar auch extremistische Gruppen unterwegs waren, verschlimmert die Sache nach Ansicht der Linken noch. Der Auftritt von Hilgen sei "ein Schlag ins Gesicht aller säkularen und fortschrittlichen Migranten", sagte Ilker Sengül, integrationspolitischer Sprecher der Kasseler Linken. Seine Partei kritisierte außerdem, der Imam eben jener DITIB-Gemeinde habe erst kürzlich auf einer Kundgebung den Märtyrertod verherrlicht.
Über seinen Pressesprecher teilte Hilgen inzwischen hr-iNFO mit, dass die Verkleidung eine "ganz spontane Aktion" gewesen sei, ohne politische Hintergedanken. Dass offenbar auch extremistische Gruppierungen wie die "Grauen Wölfe" bei diesem Moschee-Fest für sich warben, sei problematisch - bemerkt habe Hilgen davon aber nichts.
Nachspiel im Rechtsausschuss
Aus dem Rathaus heißt es, man wolle das Thema im Gespräch mit Vertretern des Ditib-Verbandes ansprechen, die das Moschee-Fest organisiert hatten. Die Linke hat das Thema mittlerweile auf die Tagesordnung des Rechtsausschusses gesetzt - die nächste Sitzung ist am 8. Juni.
Hilgens Amtszeit endet demnächst: Am 22. Juli übernimmt sein gewählter Nachfolger Christian Geselle (SPD). Der aktuelle Amtsinhaber war nicht mehr zur Wahl angetreten.